Berlin. Frauen, die den Hamas-Terror überlebt haben, berichten in Israel von sexualisierter Gewalt: Von Angst, Missbrauch, Vergewaltigung.

Shiri Elbag sagt, ihre Tochter sei noch da – in der Gewalt der Hamas. Sie versuche, „sich eine Schwangerschaft nicht vorzustellen“. Vor der Knesset, Israels Parlament, erzählten Angehörige der Geiseln am Dienstag von ihren Sorgen. Freigelassene Opfer berichteten wiederum von sexualisierter Gewalt in der Gefangenschaft, in den Tunneln der Terroristen im Gazastreifen.

Es ist nicht die erste Anhörung dieser Art, auch nicht vor der Knesset. Der Ton wird allerdings von Mal zu Mal verzweifelter, die Forderungen drängender. „Sie hätten schon längst zu Hause sein sollen“, so Elbag. Zeitungen wie „Haaretz“ oder die „Times of Israel“ berichten ausführlich von den Anhörungen, dokumentieren die Zitate der Opfer und ihrer Angehörigen.

Angehörigen machen den Mächtigen mächtig viel Druck

Die Wahrheit ist ein Druckmittel – auch gegen die Regierung von Premier Benjamin Netanjahu. Der Regierungschef blieb zwar der Anhörung fern, aber er hat sich oft den Fragen und Forderungen der Menschen gestellt. Er kennt ihre Forderungen.

Netanjahu kann ihr Leid nicht ignorieren, selbst, wenn er es wollte. Dafür sorgt schon Aviva Siegel. Die Nacht verbrachte sie mit ihrer Familie in einem Protestcamp, vor dem Haus des Premierministers.

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Netanjahu solle weinen, „als ob seine Tochter da wäre“

Die 64-jährige Frau wurde nach 51 Tagen am 26. November im Rahmen einer Feuerpause freigelassen. Ehemann Keith blieb ein Gefangener. Avivas Tochter Shir sagt, Netanjahu sollte weinen, „als ob seine Tochter da wäre“. Für die Frauen in Geiselhaft gebe es keinen Preis, „der es nicht wert ist, bezahlt zu werden“.

Zuletzt hat Netanjahu der Hamas abermals eine Feuerpause angeboten, diesmal für zwei Monate, unter der Bedingung, dass die Geiseln freigelassen werden. Seine Regierung steht vor einem Zielkonflikt. Ihr erklärtes Kriegsziel ist die Vernichtung der Hamas. Im Gazastreifen soll sie nie wieder an die Macht kommen. Einerseits.

Tel Aviv: Demonstranten fordern die sofortige Freilassung aller israelischen Geiseln in.
Tel Aviv: Demonstranten fordern die sofortige Freilassung aller israelischen Geiseln in. © DPA Images | Ilia Yefimovich

„In diesem Moment wird jemand in einem Tunnel vergewaltigt“

Anderseits erweist sich die Militäroperation als schwerer, verlustreicher, langwieriger als gedacht, während innen- und außenpolitisch der Druck steigt, alles für die Freilassung der Geiseln zu tun. Das moralische Dilemma: Beides zusammen lässt sich womöglich nicht erreichen.

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Shir mahnt, „wir haben kein Recht, einfach hier herumzusitzen“. Sie müssten für die Geiseln schreien. „In diesem Moment wird jemand in einem Tunnel vergewaltigt.“ Ihre Mutter erinnert sich, „wir waren 51 Tage dort und es gab keine Minute, in der wir nicht Missbrauch erlebt haben“. Nach ihrem Berichten bringen die Terroristen Puppenkleidung für die Mädchen. „Sie haben die Mädchen in ihre Puppen verwandelt, mit denen sie machen können, was sie wollen.“

„Ich möchte Ihnen sagen, dass die Jungs diese Dinge auch durchmachen. Sie können nicht schwanger werden, aber sie machen es auch durch. Und jetzt muss sich etwas ändern“, glaubt Aviva.

Shani Yerushalmi weiß nicht, was mit ihrer Schwester Eden in Gaza passiert. Es seien bald vier Monate nach der Entführung. Sie gibt verzweifelt zu bedenken, die Frauen hätten dann den Punkt des Schwangerschaftsabbruchs überschritten.

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