Berlin. Zeugen berichten von brutalen Massenvergewaltigungen. Doch der Aufschrei von Frauenrechtsorganisationen bleibt aus. Woran das liegt.

  • Bilder und Berichte von Augenzeugen zeigen die brutale Gewalt, mit der Hamas-Terroristen gegen Frauen vorgehen
  • Doch bislang bleibt ein breiter Aufschrei von Frauenrechtsorganisationen und Feministinnen aus
  • Welche Gründe das hat

Am 7. Oktober überfielen Hamas-Terroristen Israel und töteten mehr als 1200 Menschen. Schon an diesem Tag kursierten in den sozialen Medien schwer erträgliche Aufnahmen von sexualisierten Gewalttaten an israelischen Frauen. Ein Video zeigte die Deutsch-Israelin Shani Louk. Zu sehen war ihr halbnackter Körper und daneben eine jubelnde Männermenge. Louk wurde später für tot erklärt. Ein anderes Video zeigt eine junge Frau, die Hände gefesselt, ihre Hose ist im Genitalbereich blutdurchtränkt.

Auch zahlreiche Augenzeugen berichten von sexualisierter Gewalt der Hamas gegen Frauen. Ein Helfer des Rettungsdienstes Zaka berichtete etwa vor einem parlamentarischen Sonderausschuss über das, was er am 7. Oktober in einem Grenzort gesehen hatte: „Die Leiche einer Frau, nackt, mit einem scharfen Gegenstand, der in ihrem Intimbereich steckte.“ Der Rettungshelfer Chaim Otmazgin erzählte, er habe an anderen Orten nach dem Massaker mehrere tote Frauen mit nacktem Unterleib vorgefunden.

Ein weiterer Sanitäter gab an, er habe in einem Haus im Kibbuz Beeri ein 14-jähriges Mädchen vorgefunden, das vergewaltigt und ermordet worden sei. Sie habe auf dem Boden ihres Zimmers gelegen, mit nacktem Unterleib, gespreizten Beinen und Spermaspuren auf ihrem Rücken. Der Jugendlichen sei in den Kopf geschossen worden. Überlebende des Supernova-Musikfestivals, bei dem die Hamas über 260 feiernde junge Menschen ermordete, berichten, dass Frauen neben den toten Körpern ihrer Freunde vergewaltigt wurden – teils von ganzen Männergruppen.

Eine Vergewaltigung kann nur innerhalb von 48 Stunden nach der Tat nachgewiesen werden. Das hatte nach dem 7. Oktober nicht oberste Priorität, Ersthelfer vor Ort waren in erster Linie damit beschäftigt, Verletzte und Leichen zu bergen. Doch im forensischen Zentrum, das auf der Shura-Militärbasis am 7. Oktober eingerichtet worden war, um die besonders übel zugerichteten oder teilweise verbrannten Leichen zu identifizieren, kommt die Arbeit voran. Forensiker treten nun an die Öffentlichkeit, um zu erzählen, wie die Körper von Frauen zugerichtet waren.

Bilder und Videos zeigten die Deutsch-Israelin Shani Louk auf einem Truck. Zu sehen war ihr halbnackter Körper und daneben eine jubelnde Männermenge.
Bilder und Videos zeigten die Deutsch-Israelin Shani Louk auf einem Truck. Zu sehen war ihr halbnackter Körper und daneben eine jubelnde Männermenge. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ali Mahmud

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Sexualisierte Gewalt der Hamas gegen Frauen: Warum bleibt der kollektive Aufschrei aus?

Man könnte erwarten, dass Frauenrechtsorganisationen weltweit kollektiv aufschreien. Doch eine breite öffentliche Empörung und Solidarisierung bleiben bislang weitestgehend aus. Die Erzählungen der Zeuginnen und Zeugen finden kaum Gehör bei westlichen Feministinnen und Frauenrechtsorganisationen.

Bisher gibt es nur vereinzelt Proteste. Wie etwa am Montag vergangener Woche. Dort protestierten erstmals dutzende Frauen vor dem UN-Hauptsitz in New York gegen die aus ihrer Sicht geringe Beachtung der UNO für die weitverbreitete sexualisierte Gewalt gegen israelische Frauen während des Hamas-Großangriffs. Etwa 150 Teilnehmerinnen schwenkten israelische Flaggen, forderten die Freilassung der Geiseln, die sich noch in der Gewalt der islamistischen Palästinenserorganisation befanden, und präsentierten Transparente mit Slogans wie „Schande auf die UNO“. Die Protestierenden warfen den Vereinten Nationen angesichts der Berichte über Vergewaltigungen und Misshandlungen zahlreicher israelischer Frauen während des Hamas-Großangriffs Untätigkeit vor. An der Spitze des Protests marschierten 20 mit Kunstblut beschmierte Frauen, die teils nur in Unterwäsche bekleidet waren.

Oder wie etwa durch die Darstellerin von „Wonder Woman“. Die Schauspielerin Gal Gadot, rief vergangene Woche dazu auf, israelische Frauen nach Berichten über massive sexualisierte Gewalt durch Hamas-Terroristen zu unterstützen. „Wir werden nicht zulassen, dass Frauen zu Opfern gemacht und dann zum Schweigen gebracht werden“, schreibt die aus Israel stammende Hollywood-Schauspielerin bei Instagram. „Wir sagen, dass wir Frauen glauben, Frauen zur Seite stehen und uns für Frauen aussprechen.“ Doch damit ist sie eine Ausnahme.

Auch US-Präsident Joe Biden forderte vergangenen Dienstag bei einer Wahlkampfveranstaltung in Boston zur weltweiten Verurteilung von sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen durch die Hamas auf. Die Welt könne „nicht einfach wegschauen“, sagte Biden. Die USA vermuten, die Hamas wolle keine weiteren weiblichen Geiseln freilassen. Das sagte ein Sprecher der US-Regierung vergangenen Montag bei einer Pressekonferenz. „Sie wollen nicht, dass diese Frauen davon erzählen, was ihnen widerfahren ist.“

„Eine Auseinandersetzung hat bis heute nicht stattgefunden“

Doch die meisten internationalen Frauenorganisationen ignorieren oder negieren bislang sogar die sexualisierte Gewalt der Hamas. So wie die Leiterin des Zentrums für sexuelle Übergriffe an der kanadischen Universität von Alberta. Sie unterzeichnete einen offenen Brief, der die Berichte über Vergewaltigungen und Misshandlungen israelischer Frauen am 7. Oktober in Zweifel zog.

„Eine Auseinandersetzung mit Opfern der sexualisierten Gewalt durch die Hamas hat bis heute nicht stattgefunden“, stellt die Publizistin und Fotografin Sharon Adler fest. „Frauenrechtsorganisationen und Feministinnen haben bislang weder Solidarität noch Empathie ausgesprochen.“ Adler setzt sich seit Jahren für jüdische Frauen in Berlin ein.

Expertin: „Wir haben es mit einem sehr tief sitzenden Antisemitismus zu tun“

„Ich glaube, wir haben es hier mit einem sehr tief sitzenden Antisemitismus zu tun. Anders kann ich es mir nicht vorstellen, warum beispielsweise UN Women so ein halbherziges Statement veröffentlicht hat“, sagt die Publizistin und Frauenrechtlerin Sharon Adler. Das Büro des UN-Generalsekretärs und das Frauenrechtsgremium UN Women äußerten sich zu den Vorwürfen der sexualisierten Gewalt durch die Hamas erst in der vergangenen Woche. Israelische Aktivisten hatten sich hierzu aber schon kurz nach dem Hamas-Angriff an UN-Einrichtungen gewandt und nach eigenen Angaben kaum Reaktionen erhalten.

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„In der Regel sind Frauenrechtsorganisationen schnell zur Stelle, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. Doch gerade jetzt, wo es vom Tag des Überfalls unzählige Bilder und Videos gibt und die Hamas offen erklärt, dass es ihr Ziel ist, israelische Frauen zu rauben und zu ‚Huren‘ zu machen, herrscht erstaunliche Stille“, erklärt Adler. „Diese Stille ist nicht nur enttäuschend, sie ist erschütternd.“ Es sei ein Skandal, dass einige Feministinnen aber nicht nur schwiegen, sondern sogar versuchten, das Ausmaß der Gewalt infrage zu stellen – trotz der Berichte der Überlebenden des Musikfestivals und der freigelassenen Geiseln.

Die Berichte über sexualisierte Gewalt nähren auch die Sorge um jene Frauen, die sich noch immer in der Gewalt der Terrororganisation befinden. Israel geht davon aus, dass insgesamt noch 138 Geiseln in dem Küstenstreifen festgehalten werden. Unter ihnen sind laut israelischem Verteidigungsminister Joav Galant noch 15 Frauen und zwei Kinder.

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„Mein Wunsch ist es, dass die Feministinnen und Frauenrechtsorganisationen, die bisher geschwiegen und verschwiegen haben, ihre Stimmen erheben, sich gegen diese Gewalt aussprechen und sich aktiv an die Seite der Frauen in Israel stellen“, so Adler. Solidarität und Empathie dürften keine selektive Angelegenheit sein. „Und wir müssen uns gemeinsam für die Rechte und die Sicherheit aller Frauen einsetzen, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem geografischen Standort. Es ist an der Zeit, dass Feministinnen aufstehen, sich äußern und sich solidarisch zeigen, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.“