Berlin. „Scheißjahr“, heißt es bei der SPD. Kanzler Olaf Scholz hält eine Rede, die auf seinen Zustand schließen lässt – und den der Koalition.

Das Jahr 2023 ist kein gutes gewesen für Olaf Scholz und seine Bundesregierung. Die erste Hälfte ist bestimmt gewesen von dem öffentlichen Konflikt um das Heizungsgesetz, die zweite Hälfte endet nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts mit einer handfesten Regierungskrise. Klar ist bereits, dass die Ampel-Koalition ohne einen Haushalt für 2024 in das neue Jahr schlittern wird.

Wie die Koalition mit dem zweistelligen Milliardenloch im Etat umzugehen gedenkt, ist mehr als drei Wochen nach dem Karlsruher Richterspruch weiterhin unklar. Oder wie ein Sozialdemokrat am Rande des SPD-Parteitags an diesem Wochenende sagte: „Ein Scheißende für ein Scheißjahr.“

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Erkenntnis Nummer 1: Der Kanzler lebt

Zumindest hat der Parteitag fünf Erkenntnisse gebracht.

  • Erstens: Der Kanzler lebt noch. In seinen Stellungnahmen nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts wirkte Scholz kraft- und ratlos. Seine Regierungserklärung im Bundestag geriet so schwach, dass man meinen konnte, das Bundeskanzleramt habe einen Avatar ins Plenum geschickt.
Scholz ist eine Rede gelungen, die zumindest den Eindruck hinterlässt, dass der Kanzler den Willen hat, diese Krise zu bewältigen.
Scholz ist eine Rede gelungen, die zumindest den Eindruck hinterlässt, dass der Kanzler den Willen hat, diese Krise zu bewältigen. © AFP | Tobias Schwarz

Erkenntnis Nummer 2: Die SPD stützt Scholz

Im Kreis seiner Genossinnen und Genossen ist Scholz eine Rede gelungen, die zumindest den Eindruck hinterlässt, dass der Kanzler den Willen hat, diese Krise zu bewältigen. Ob er auch die Kraft dazu hat, muss sich noch zeigen.

  • Die zweite Erkenntnis ist aber: Die SPD steht weitgehend geeint hinter ihrem Kanzler. Je härter die Angriffe von außen werden, desto geschlossener stützt die Partei Olaf Scholz. Denn die Delegierten wussten: Kommt der angeschlagene Kanzler nun auch noch in den eigenen Reihen unter Beschuss, kann einiges ins Rutschen geraten.

Erkenntnis Nummer 3: Scholz schlägt Pflöcke für den Haushalt ein

  • Dritte Erkenntnis: Scholz hat in seiner Rede zwei Pflöcke für den Haushalt des kommenden Jahres eingeschlagen. Kürzungen bei den Sozialausgaben wird es nicht geben, das schließt die Höhe des Bürgergelds ein. Der Kanzler bekannte sich zudem ausdrücklich zur Unterstützung der Ukraine, allein die Waffenlieferungen an das von Russland überfallene Land sollen sich im kommenden Jahr auf acht Milliarden Euro belaufen.

Erkenntnis Nummer 4: SPD geht auf Konfrontationskurs zu Lindner

  • Vierte Erkenntnis: Die SPD geht nicht nur mit der strikten Absage an Kürzungen im Sozialetat auf Konfrontationskurs zu Finanzminister Christian Lindner und dessen FDP. Um die von Scholz hervorgehobene Ukraine-Hilfe für das Jahr 2024 abzusichern, könnte die Regierung erneut eine Notlage erklären und somit die Schuldenbremse aussetzen. Die SPD-Delegierten beschlossen auf dem Parteitag einen Antrag in diesem Sinne. Lindner wehrt sich bisher dagegen, er meldet juristische Bedenken an.
Chefreporter Politik Jan Dörner.
Chefreporter Politik Jan Dörner. © FUNKE / Foto Services | Reto Klar

Wie die Lösung der Haushaltskrise aussehen könnte, sagte Scholz vor den SPD-Delegierten nicht. „Wir stehen nicht vor einer unlösbaren Aufgabe“, bemühte sich der Kanzler jedoch um Zuversicht. Die Verhandlungen des Kanzlers mit dem Finanzminister und Vizekanzler Robert Habeck liefen am Wochenende weiter.

Erkenntnis Nummer 5: Die Koalition bleibt fragil

  • Die fünfte Erkenntnis ist aber angesichts der Positionierung der SPD zur Schuldenbremse: Die Ampel-Koalition bleibt ein fragiles Gebilde. „Natürlich ist das ein Problem“, sagte Scholz zu dem wiederkehrenden Streit in seiner Regierung. „Manches von dem, was da so passiert ist, hätte ich echt nicht gebraucht.“

Mit der Bemerkung erntete der Kanzler einen Lacher auf dem Parteitag. Was er dagegen tun will, verriet er nicht. Für die Zukunft muss es aber der Anspruch von Olaf Scholz sein, dass es dazu in seiner Regierung gar nicht kommt. Zumindest nicht mehr in dem Ausmaß wie in diesem für Scholz und seine Regierung schlechten Jahr.