Gaza. In der palästinensischen Großstadt Chan Yunis hat die israelische Armee die nächste Phase ihrer Offensive gegen die Hamas begonnen.

Die israelische Armee (IDF) weitet ihre Offensive zur Zerschlagung der Terrororganisation Hamas in den Süden des Gazastreifens aus. Besonders im Blickfeld: Die Stadt Chan Yunis.

Die IDF erklärte am Mittwoch, dass sie ins Herz der Stadt vorgedrungen sei, während in den sozialen Medien weiter Videos von heftigen Gefechten und Bombenangriffen auftauchen. Tags zuvor war Chan Yunis eingekesselt worden. Israels Verteidigungsminister Yoav Galannt sprach von „harten Schlägen“ gegen die Stadt, mit „beeindruckendem Ergebnis“. Aber was mach Chan Yunis für die Bodenoffensive Israels so wichtig?

Chan Yunis: Vorletzte Großstadt vor ägyptischer Grenze

Chan Yunis hatte vor Beginn der israelischen Bodenoffensive rund 200.000 Einwohner. Sie ist, abgesehen von Rafah, die letzte Großstadt vor der Grenze zum südlichen Nachbarn Ägypten. Die israelische Armee vermutet viele der nicht im Norden gefundenen Kämpfer der Hamas und verbündeter Milizen in den beiden südlichen Großstädten. Hunderte Ziele der Hamas seien in Chan Yunis angegriffen worden, hieß es von Seiten der Armee.

Mitten durch Chan Yunis verläuft zudem die Salah Al Deen-Autobahn und damit Gazas wichtigste Verkehrsader – die Stadt hat also strategische Bedeutung. Außerdem liegt auf dem Friedhof der Stadt das Grab des väterlichen Familienzweigs des verstorbenen Palästinenserführers Jassir Arafat.

Kampf gegen Hamas: Israel ruft palästinensische Zivilisten zur Flucht auf

Seit dem arabisch-israelischen Krieg 1949 beherbergt die Stadt außerdem ein Flüchtlingslager. Nach Angaben der UN-Organisation zur Unterstützung palästinensischer Geflüchteter, UNRWA, lebten dort vor Kriegsbeginn auf einer Fläche von rund 1,27 Quadratkilometer rund 89.000 Vertriebene.

Geflüchtete Palästinenser wohnen in Zelten in Chan Yunis.
Geflüchtete Palästinenser wohnen in Zelten in Chan Yunis. © ddp/UPI | Ismael Mohamad/UPI

Um Opfer unter der Zivilbevölkerung in Chan Yunis zu vermeiden, verwendet das Militär eigenen Angaben zufolge eine hoch entwickelte Kartensoftware. Sie erfasse auf Grundlage von Mobiltelefonsignalen, Luftüberwachung und mithilfe künstlicher Intelligenz, wie viele Menschen sich in unterschiedlichen Gebieten des Gazastreifens aufhielten.

Zivilisten sollen evakuiert und in von der israelischen Armee ausgewiesene Zonen gebracht werden, die von Kampfhandlungen ausgeschlossen bleiben sollen. Wie viele Menschen bisher bei den Kämpfen getötet wurden, lässt sich nicht unabhängig bestätigen.

USA: Israels Armee geht präziser vor

Zudem gehe das Militär im Süden des Gazastreifens, wo sich die Bevölkerung fast verdoppelt habe, „viel genauer vor“ und nehme sich „viel mehr Zeit“, um die Zivilbevölkerung wirksam zu warnen. Die Ausnutzung von Zivilisten als menschliche Schutzschilde sei indes Teil der „grundlegenden Strategie“ der Hamas, sagte einer der beiden Militärvertreter, die nicht namentlich genannt werden wollten.

Auch US-Außenministeriumssprecher Matthew Miller bescheinigte der israelischen Armee, nunmehr präziser vorzugehen. Es würden „deutlich genauere Evakuierungsanordnungen“ vorgenommen, sagte Miller. (mit dpa/AFP)