Berlin. Im Schulden-Streit richteten die Gäste im ZDF-Talk von „Maybrit Illner“ den Blick in die Zukunft. Wie geht es mit der Ampel nun weiter?

Es waren zwei Extreme, die sich am gestrigen Abend bei Maybrit Illner im ZDF gegenübersaßen. Die eine Seite, die unbedingt nur in die Zukunft schauen wollte. Und die andere Seite, die das auf keinen Fall wollte und lieber noch auf die Fehler der Gegenwart zeigte. FDP und Grüne gegen die Union. Gerichtete gegen Ankläger. Mittlerweile ein bekanntes Setting. Es war innerhalb von einer Woche die dritte Talkshow, die sich mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts beschäftigte und fragte, ob die Ampel ohne das Geld zerbreche. Es war außerdem das zweite Mal, das CDU-Mann Alexander Dobrindt als geladener Gast seine „Alles Betrug und Trickserei”-Tirade gegen die gegenwärtige Regierung aufführte.

„Maybrit Illner“: Das waren ihre Gäste am Donnerstag (23. Oktober)

  • Christian Dürr, FDP-Fraktionsvorsitzender
  • Danyal Bayaz (Die Grünen), Finanzminister Baden-Württemberg
  • Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag
  • Monika Schnitzer, Professorin für Volkswirtschaftslehre
  • Dagmar Rosenfeld, Chefredakteurin „Welt am Sonntag“

Mit seinem Urteil befand das Verfassungsgericht in Karlsruhe, es sei verfassungswidrig, 60 Milliarden Euro, die ursprünglich für Corona-Hilfen vorgesehen waren, auf Klimaschutzmaßen umzumünzen. Die Ampel wollte durch Tricksereien „den Sack voll Geld in den Keller des Finanzministeriums stellen”, wetterte Dobrindt. Alles Quatsch,
erwiderte Christian Dürr von der FDP: Der Bund hätte schon früher Sondervermögen mit Krediten in die nächsten Jahre geschubst. Dennoch bedaure er, den Mechanismus nicht früher eingestellt zu haben. Auch der
baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz gab zu, immer ein mulmiges Gefühl bei der Umbuchung von Krediten gehabt zu haben.

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„Maybrit Illner“: Wirtschaftsweise sieht „gewaltige finanzielle Dimension“

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts habe „gewaltige finanzielle Dimension”, betonte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. Gleichzeitig würden das Urteil und die Frage „Wie geht es jetzt weiter” auch zu einer „enormen Verunsicherung der Wirtschaft und der Bevölkerung” führen. Gerade deswegen sei es in ihren Augen wichtig, sich schnell zusammensetzen und zu überlegen, „wie kommt man aus der Nummer
raus”.

Zu Tempo mahnte auch Danyal Bayaz von den Grünen. Immerhin gehe es gerade um die Zukunft der Wirtschafts- und Industriestandortes Deutschland. Parteipolitik sei dabei erst einmal zweitrangig. Natürlich müsse man jetzt sparen, warf Dürr ein, schlug danach aber einen beruhigenden Ton an. Der Klima- und Transformationsfond bestehe nicht nur aus den 60 Milliarden Euro. „Ich will die Sorge nehmen, dass jetzt kein Geld für anstehende Aufgaben da ist.” Wichtig sei es, sich zu konzentrieren und zu priorisieren. Damit stärkte der Fraktionsvorsitzende Christian Linder den Rücken. Dieser hatte in einem Interview mit dem Handelsblatt einen „erheblich zusätzlichen Konsolisierungsbedarf”.

„Maybrit Illner“: Haushaltsstreit der Ampel – Zerbricht die Koalition?

Doch was bedeutet das Urteil des Verfassungsgerichtes für die weitere Zusammenarbeit der Ampelkoalition? „Gäbe es die Ampel überhaupt, wenn es die 60 Milliarden nicht gegeben hätte?”, wollte Illner von Dagmar Rosenfeld, Chefredakteurin der „Welt am Sonntag” wissen. „Die Ampel wird dadurch zusammengehalten, dass sie Geld ausgibt und so tut, als ob sie kein Geld ausgeben würde”, erklärte diese. So hätten im vergangenen Jahr beide Partei bekommen, was sie wollten: Investitionen in die Klimapolitik für die Grünen, keine neuen Schulden für die FDP. Das plötzliche Wegfallen des Geldes „bedeutet für die Ampel, dass sie sich ein Stück weit neu erfinden muss”, meinte Rosenfeld. „Hier müssen sich alle bewegen”, stimmte auch Monika Schnitzer zu. Vor allem bei der FDP könne nach ihrer Einschätzung noch mehr passieren.

Trotz aller Herausforderungen glaube sie trotzdem nicht, dass das Urteil des Verfassungsgerichtes das
Ende der Ampelkoalition ist, meinte Rosenfeld und verglich die aktuelle Situation der Regierung passenderweise mit dem bekannten Song „Hotel California” von der amerikanischen Band „Eagles”. Darin heißt es: „You can check out any time you like. But you can never leave!“

Zur Ausgabe von „Maybrit Illner“ in der ZDF-Mediathek.