Berlin. Die Krankenkassen sind klamm – Lauterbach rechnet deswegen mit steigenden Beiträgen für die Versicherten.

Arbeitnehmern in Deutschland bleibt durch Steuern und Abgaben weniger Netto vom Brutto als ihren europäischen Nachbarn. Jetzt soll das Nettogehalt noch einmal weniger werden, wenn es nach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geht. Denn die Beiträge für die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sollen im Jahr 2024 erneut steigen, kündigte der SPD-Politiker am Dienstag an.

Er begründete diesen Schritt mit einem Milliardenloch bei den Krankenkassen. „Finanzminister Christian Lindner hat klar gemacht, dass die Steuerzuschüsse an die Gesetzliche Krankenversicherung nicht erhöht werden können“, sagte Lauterbach dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Mit mir wird es keine Leistungskürzungen geben.“ Soll heißen: Die Leistungen der ärztlichen Behandlung bleiben gleich, die Versicherten müssen dafür eben mehr zahlen.

Wie Lauterbach das Milliardenloch in der Krankenversicherung stopfen will

Die Alternative: Die Beitragserhöhung. Tatsächlich droht den Kassen laut GKV-Spitzenverband im kommenden Jahr eine Lücke zwischen 3,5 Milliarden und sieben Milliarden Euro. Werde nicht gegengesteuert, würde der Zusatzbeitrag im Schnitt um 0,2 bis 0,4 Prozentpunkten ansteigen. Lesen Sie auch: Frau bezeichnete Lauterbach als geisteskrank – Anklage

Zur Erklärung: Die Zusatzbeitragssätze variieren von Kasse zu Kasse etwas. Bei einem Bruttoverdienst von 3000 Euro würde eine Erhöhung von 0,2 Punkten den Zusatzbeitragssatz auf rund 1,7 Prozent erhöhen. Der Beispielverdiener mit dem Bruttogehalt von 3000 Euro würde also 489 Euro zahlen, durch die Erhöhung sind das monatlich 5,70 Euro mehr als vorher. Der Beitrag wird hälftig von Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen.

Sozialverband: Lindner soll endlich mehr Geld freigeben

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) schlägt vor, die Lücke in den Kassen aus der Staatskasse zu stopfen. Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier sagte unserer Redaktion: "Der Bund ist für die Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung verantwortlich.“ Dazu müsse der Bundeszuschuss aus Steuermitteln entsprechend erhöht werden. „Ich wende mich an Christian Lindner: Geben Sie endlich das Geld frei, damit der Bund seine Pflicht erfüllen kann“, sagte die Sozialverbandsvorsitzende.

Wegen der Erhöhung erntet der Gesundheitsminister Kritik aus allen Richtungen. Linken-Chefin Janine Wissler sagte unserer Redaktion: „Die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge ist ein völlig falscher Schritt. Milliardenlöcher werden in dieser Regierung mit ständiger Mehrbelastung der breiten Mehrheit gestopft.“

Verbände mahnen Empfehlungen für eine solidarische Finanzierung än

Sie forderte, Menschen mit einem Einkommen unter 6300 Euro zu entlasten und Besserverdiener bei den Beiträgen zu belasten. Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, hielt es ebenfalls für gerechter, die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben, damit Menschen mit höheren Einkommen mehr einzahlen. Anja Piel aus dem Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds sowie die Linksfraktion brachten die Idee einer Bürgerversicherung wieder auf, in die alle inklusive Selbstständiger und ehemals Privatversicherter einzahlen sollen.

Die Sozialverbandsvorsitzende Engelmeier spielte den Ball zurück an Lauterbach: „Das Ministerium hatte den gesetzlichen Auftrag, bis Ende Mai 2023 Empfehlungen für eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung vorzulegen.“ Dieser Aufgabe sei der SPD-Minister nicht nachgekommen – „ein Unding“, sagte Engelmeier.

Lauterbach: Ansage zu Beitragsbemessungsgrenze

Derweil erteilte Lauterbach Forderungen nach einer Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze eine Absage. Um die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben, müsse man gleichzeitig die Versicherungspflichtgrenze anheben, sagte der Sozialdemokrat. „Das ist durch den Koalitionsvertrag aber ausgeschlossen.“ Die Beitragsbemessungsgrenze gibt bei Arbeitnehmern die maximale Höhe des Arbeitsentgelts an, das zur Berechnung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge herangezogen wird.

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Lauterbach kündigte zudem an, dass es das digitale Rezept vom 1. Juli an geben wird. „Zum 1. Juli 2023 können Patienten das erste Mal das E-Rezept in den Apotheken ganz einfach mit ihrer Versichertenkarte abrufen“, sagte er. „Bis Ende Juli werden voraussichtlich schon 80 Prozent der Apotheken in Deutschland an das System angeschlossen sein.“