Berlin. In der russischen Grenzregion Belgorod wird geschossen. Moskau sieht „Saboteure“ aus Kiew dahinter. Bekannt haben sich aber Russen.

In der westrussischen Region Belgorod gibt es seit Montag Gefechte. Russland spricht von einer „Sabotage“-Gruppe aus der Ukraine. Kiew streitet das ab. Was steckt hinter den Angriffen? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist passiert?

Die Lage ist verworren. Nach mehreren Medienberichten gab es in der westrussischen Region Belgorod, die an die Ukraine grenzt, am Montag und Dienstag Gefechte. Die Stadt Belgorod, die Hauptstadt der gleichnamigen Region, sei in der Nacht zu Dienstag von mehreren Kampfdrohnen angegriffen worden, erklärte der Gouverneur der Region Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow. Die Drohnen hätten zwei Häuser und ein Verwaltungsgebäude getroffen, jedoch nicht zu Todesfällen geführt.

Betroffen waren demnach auch die Kreisstadt Graiworon sowie das Dorf Borissowka. „Die Säuberung des Territoriums durch das Verteidigungsministerium und andere Sicherheitsstrukturen wird fortgesetzt“, teilte Gouverneur Gladkow auf Telegram mit. Zwar gebe es bisherigen Erkenntnissen zufolge unter den Zivilisten keine Todesopfer, doch für die Rückkehr der Einwohner sei es zu früh, betonte er.

Russische Raketen, die von der westrussischen Region Belgorod aus abgefeuert wurden, waren in der ostukrainischen Stadt Charkiw (Foto) zu sehen.  Nun gibt es in Belgorod Gefechte.
Russische Raketen, die von der westrussischen Region Belgorod aus abgefeuert wurden, waren in der ostukrainischen Stadt Charkiw (Foto) zu sehen. Nun gibt es in Belgorod Gefechte. © dpa | Vadim Belikov

Der Umfang der Kämpfe ist unklar. Die meisten Bewohner sind geflohen. Acht Menschen wurden nach Behördenangaben verletzt. Gladkow sagte, dass sich zwei verletzte Einwohner noch in den umkämpften Ortschaften befänden. Sicherheitskräfte könnten aber bislang nicht zu ihnen vordringen, um sie zu versorgen.

In den vergangenen Wochen hatte es in der russischen Grenzregion zur Ukraine immer wieder Angriffe gegeben, jedoch nicht in diesem Ausmaß. Mehrere Dörfer wurden bei den jüngsten Attacken mit Granaten angegriffen. Seit Kriegsbeginn ist die Grenzregion wiederholt beschossen worden, Dutzende Menschen wurden getötet. Das gleichnamige Verwaltungszentrum Belgorods wurde im April von einem russischen Jet getroffen, der versehentlich Munition fallen ließ.

Dieser Screenshot des angeblichen Beschusses des Bezirks Grayvoron nahe der Stadt Belgorod kursiert in den Sozialen Netzwerken. Verifizieren lässt er sich derzeit nicht.
Dieser Screenshot des angeblichen Beschusses des Bezirks Grayvoron nahe der Stadt Belgorod kursiert in den Sozialen Netzwerken. Verifizieren lässt er sich derzeit nicht. © Baza/Telegram

Was sagen die Russen?

Am Montag hatte Russland erklärt, seine Truppen kämpften gegen eine „Sabotage“-Gruppe, die aus der Ukraine in die Region eingedrungen sei. Demnach wurden acht Menschen verletzt. In der Region Belgorod wurden Anti-Terror-Regeln eingeführt, Zivilisten wurden evakuiert. Es ist die erste Maßnahme dieser Art seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022. Ähnliche Regeln wurden etwa im Jahr 1999 im Verlauf des militärischen Eingriffs Russlands in Tschetschenien eingeführt.

Russlands Präsident Wladimir Putin dürfte die Ereignisse in Belgorod mit Nervosität beobachten.
Russlands Präsident Wladimir Putin dürfte die Ereignisse in Belgorod mit Nervosität beobachten. © AFP | Mikhail Klimentyev

Russland setzte am Dienstag seine „Anti-Terror-Aktion“ gegen eine „Sabotage“-Gruppe in der Region Belgorod fort. „Die Ordnungskräfte tun alles Notwendige“, erklärte Gouverneur Gladkow auf Telegram. Er rief die evakuierten Bewohner der Kommune Graiworon dazu auf, vorerst nicht in ihre Häuser zurückzukehren. „Wir werden sofort verkünden (...), wenn es keine Gefahr mehr gibt“, schrieb Gladkow.

Was sagen die Ukrainer?

Die Ukraine wies jede Beteiligung an dem bewaffneten Überfall auf die Region Belgorod zurück. Der ukrainische Präsidentenberater Michail Podoljak legte eine Beteiligung „russischer Guerilla-Gruppen“ nahe.

Mehrere Russen der
Mehrere Russen der "Freedom of Russia Legion" kämpfen an der Seite der Ukraine. © Sameer Al-DOUMY / AFP

Wer steckt hinter den Angriffen?

Das ist unklar. Zu den Angriffen bekannten sich zwei aus russischen Staatsbürgern bestehende Freiwilligenkorps, die im Krieg in der Ukraine auf der Seite Kiews kämpfen. Ziel sei es, eine demilitarisierte Zone entlang der Grenze zu schaffen, um den ständigen Beschuss ukrainischen Territoriums zu verhindern, hieß es von ihnen.

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In einem Telegram-Kanal beanspruchte die selbsternannte Legion „Freiheit für Russland“, den Angriff für sich. Dabei handelt es sich um eine auf ukrainischer Seite kämpfende Gruppe von Russen, die sich bereits zu früheren Angriffen in der Region Belgorod bekannt hatte. In dem Kanal wurde auch ein Video veröffentlicht, in dem ein Sprecher in Tarnanzug unter anderem „Russland wird frei sein“ ruft, eine häufig von russischen Oppositionellen benutzte Parole.

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In einem auf Twitter veröffentlichten Video sind zwei Kämpfer in Uniform zu sehen, im Hintergrund sind Geschosse zu hören. Einer von ihnen trägt einen rötlichen Bart. „Das ist Alexey Levkin“, schreibt Aric Toler vom internationalen Recherche-Kollektiv Bellingcat. „Er ist ein Neo-Nazi, der Russland vor Jahren verlassen hat.“ Einer der beiden Kämpfer sagt im Video: „Der Schlüssel zur Grenze ist halbiert.“ Darauf der Rotbärtige: „Und Großvater Putin ist völlig tot.“ Worauf der andere entgegnet: „Er wird wahrscheinlich bald zu Ahornsaft“. Wo und wann das Video aufgenommen wurde, ist unklar.

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