In Russland gibt es kaum unabhängige Information zum Ukraine-Krieg. Eine finnische Zeitung ändert das nun – auf clevere Art und Weise.

Russland ist kein freies Land – auch wenn russische Medien gerne etwas anderes behaupten. Oder behaupten müssen, schließlich ist freie Berichterstattung zwischen Kaliningrad und Kamtschatka so unmöglich, dass die "Reporter ohne Grenzen" Russland auf Platz 164 im Pressefreiheit-Ranking sehen – bei 180 möglichen Plätzen. Nur ausgewiesene Freiheitsstatuten wie die Türkei, Syrien, der Iran, China und – nicht zu vergessen – Nord Korea schneiden noch schlechter ab als Russland.

Die Führung in Moskau versucht mit zahlreichen Gesetzen, freie Meinungsbildung im Land zu verhindern. Mit Erfolg: Die Mehrheit der russischen Bevölkerung unterstützt den Krieg in der Ukraine. Kein Wunder, schließlich kämpft die russische Armee dort in einer "Spezialoperation" unter anderem gegen Faschisten, nicht in einem Krieg gegen den ukrainischen Staat, seine Bevölkerung und deren Kultur.

Dieser Erzählung lässt sich aus dem Westen schwer etwas entgegensetzen, Russland hat den Zugang zu westlichen Medien im Land gesperrt und "Verbreitung von Falschinformationen" unter Strafe gestellt. Wer etwas anderes behauptet als der Kreml, dem drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Ukraine-Krieg: Finnen informieren Russen – mit einem Trick

Die finnische Zeitung Helsingin Sanomat hat trotzdem einen Weg gefunden, russischer Bürgerinnen und Bürger über den Ukraine-Krieg, Kriegsverbrechen und Einzelschicksale zu informieren: mit dem in Russland sehr beliebten Counter-Strike. Vier Millionen Menschen spielen den taktischen Ego-Shooter dort, hauptsächlich junge Männer, die in den russischen Metropolen St. Petersburg und Moskau leben und – potenziell – für den Kriegsdienst eingezogen werden können.

Verboten ist Counter-Strike in Russland nicht und angesichts der großen Beliebtheit des Spiels dürfte das wohl so bleiben, zumal andere Hersteller wie EA, Epic oder Microsoft ihre Geschäfte in Russland eingestellt haben. "Die Russen haben kaum eine Chance unabhängige Informationen über Putins Invasion der Ukraine zu erhalten", erklärte Sanomat-Chefredakteur Antero Mukka am Mittwoch. "Die Gaming-Szene aber wird noch nicht überwacht. Daher haben wir eine Zeitung in einem der beliebtesten Kriegsspiele der Welt versteckt."

Russland: Counter-Strike-Map zeigt Schrecken des Krieges

Für ihre Informations-Kampagne machten sich die Finnen eine Besonderheit von Counter-Strike zunutze. Im Spiel treten zwei Teams auf sogenannten Maps gegeneinander an. Die Maps – oder Karten – stammen nur zu einem sehr kleinen Teil vom Entwickler Valve selbst.

Viele der Maps werden von den Fans jedoch selbst gestalten und Mitspielenden kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Karten sind oft liebevoll gestaltet und laden mit vielen Details versehen ein, auf virtuelle Entdeckungstour zu gehen. Nicht selten verstecken die Map-Designer Geheimnisse.

Genau an dieser Stelle hat Helsingin Sanomat angesetzt und eine Map entwerfen lassen, die Counter-Strike zu einem Werkzeug des politischen Protests macht. Schon der Name der Map macht das deutlich. Sie heißt Voyna, das russische Wort für Krieg.

Auf der Map, deren Architektur russischer und ukrainischer Städte entlehnt ist, gibt es einen geheimen Raum zu entdecken. Wer diesen Raum betritt, findet dort Informationen über den Ukraine-Krieg: An der Wand hängen etwa Karten, auf denen Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine verzeichnet sind.

An einer anderen hängen Bilder vom Massaker in Butscha. Wer näher herangeht hört einen Funkspruch in russischer Sprache, der die Bilder als Kriegsverbrechen einordnet. Prominent in der Mitte des Raumes ist außerdem die Zahl 70.000 zu sehen: So viele russische Menschen sind den Recherchen der Finnen nach in den Kampfhandlungen bereits ums Leben gekommen.

"Russische Angriffe auf Zivilisten" zeigt die Karte an der Wand. © Helsingin Sanomat/REUTERS

Russen spielen an vertrautem Ort

Damit russische Spieler den Raum auch finden, haben die Map-Designer den Eingang nahe einer Ewigen Flamme versteckt. Solche Monumente gehören in russischen und ukrainischen Städten zum Stadtbild, sie erinnern an den Zweiten Weltkrieg. Über dem Eingang selbst leuchtet ein Licht.

So dürften Spieler nicht nur den Raum definitiv finden – Licht ist bei Entwicklern ein beliebtes Mittel, um Spielern den Weg zu weisen – sondern gleichzeitig Parallelen zu ihrem eignen Leben ziehen. Das, was da in der Ukraine wirklich passiert, passiert in Umgebungen, die der eigenen gar nicht unähnlich sind. "Die Russen sollen sehen, dass die Schrecken des Krieges an Orten geschehen, die ihnen vertraut sind", heißt es in einem Sanomat-Artikel dazu.

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Desinformation zum Scheitern verurteilt

Unklar ist, ob viele russische Spieler die Map spielen werden. Rund 2000 Mal sei die Karte seit der Veröffentlichung heruntergeladen worden, heißt es von den Finnen. Zwar kann die Zeitung bislang nicht verfolgen, wo sie gespielt wird. Der Chefredakteur feiert dennoch einen Sieg. "Dies zeigt, dass jeder Versuch, den Informationsfluss zu verhindern und die Öffentlichkeit in die Irre zu führen, in unserer modernen Welt zum Scheitern verurteilt ist", sagte Makku.

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