Berlin. Der Verfassungsschutz stuft die Jugendorganisation der AfD als „gesichert rechtsextrem“ ein - und nimmt weitere Gruppen ins Visier.

Vor einigen Tagen sprachen ein Oberfeldwebel und extremer Rechter am Pult des Bundestags. In der Debatte im Parlament ging es um die Zukunft der Bundeswehr, und Hannes Gnauck malte am Mikrofon im Reichstag ein krudes Bild an die Wand. Die Bundesregierung wolle nur „die eigene Parteiklientel“ in die Truppe bringen, wolle den „politisch korrekten, queer-feministischen Aktivisten in Uniform“ mit „Gendersternchen“ und „Regenbogenfähnchen“ – und ein „bisschen Flecktarn“.

Das, sagte Gnauck, sei „keine echte Armee“. Applaus kam aus den Reihen der AfD. Der Brandenburger Politiker Gnauck ist Abgeordneter der rechten Partei – und er ist Chef der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“, JA. Der Militärische Abschirmdienst (MAD), der Geheimdienst der Bundeswehr, stuft ihn als Extremisten ein. Gnaucks Dienst in der Truppe ruht.

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Als Gnauck im vergangenen Herbst an die Spitze der JA gewählt wurde, sahen Fachleute darin einen weiteren Schritt in der Radikalisierung der Partei-Jugend. Und auch die Sicherheitsbehörden sind alarmiert. Nun ziehen sie Konsequenzen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stuft die „Junge Alternative“ als „gesichert rechtsextreme Bestrebung“ ein. Seit 2019 war die JA ein „Verdachtsfall“, stand unter Beobachtung der Behörde. Bisher ist auch die Bundespartei der AfD ein „Verdachtsfall“ des BfV.

Positionen der Jungen Alternative nicht mit Grundgesetz vereinbar

Die Beobachtung der JA habe ergeben, dass sich „die Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung inzwischen zur Gewissheit verdichtet haben“, heißt es aus dem Verfassungsschutz. Die Positionen seien „nicht mit dem Grundgesetz“ vereinbar, stattdessen fuße die Ideologie der Jugendorganisation auf einem „völkischen Gesellschaftskonzept“, das geeignet sei, „Angehörige vermeintlich anderer Ethnien auszugrenzen und deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund als Deutsche zweiter Klasse abzuwerten“.

Mit pauschalen Parolen wettert die JA regelmäßig gegen „Migrantenkriminalität“, verbreitet Slogans wie „Abschieben schützt Frauen“ oder „Es ist okay, weiß zu sein“ und „Black Knives Matter“, was so viel heißt wie „Schwarze Messer zählen“ – und die Bürgerrechtsbewegung „Black Lives Matter“ in den USA verhöhnt.

Ideologisch eng vernetzt: der Thüringer Landeschef der AfD, Björn Höcke, und die Jugendorganisation der AfD
Ideologisch eng vernetzt: der Thüringer Landeschef der AfD, Björn Höcke, und die Jugendorganisation der AfD © FUNKE Foto Services | Sascha Fromm

Vor allem gegen Geflüchtete aus muslimischen Ländern agitiert die „Junge Alternative“, sieht eine „Inländerfeindlichkeit“ aufziehen. Zugleich besetzt sie auch andere Themen, die in der rechten Szene populär sind, wie etwa „Schutz von Kindern“ oder der „heimischen Natur“. Im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine positioniert sich die AfD-Jugend gegen militärische Hilfe für das ukrainische Militär.

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Die JA ist eng mit der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ vernetzt und soll laut AfD-Rechtsaußen Björn Höcke diesen „Kurs“ auch halten. Zugleich tauscht sich die JA europaweit mit anderen extrem rechten Gruppierungen aus. Mitte April waren Mitglieder der JA bei einer Tagung in Brüssel, bei der auch die französische Le-Pen-Partei Rassemblement National und Abgeordnete der italienischen „Lega“ vertreten waren.

Hinter dem „Institut für Staatspolitik“ steckt der Ideologe Götz Kubitschek

Für den Verfassungsschutz ist das Bild der Partei nun eindeutig: rechtsextrem. BfV-Präsident Thomas Haldenwang erklärt, dass die Inhalte der JA „auf die Ausgrenzung vermeintlich ‚Fremder‘“ abzielen würden. „Das gezielte Propagieren von Feindbildern und das Schüren von Ressentiments in der Bevölkerung sind zudem generell geeignet, den Boden für unfriedliche Verhaltensweisen gegenüber den Betroffenen zu bereiten.“ Auf einem Werbebild der JA heißt es: „Seid wehrhaft!“ Dazu ein junger Mann mit Boxhandschuhen. Ein typisches Narrativ extremer Parteien.

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Auf dem Telegram-Kanal bewirbt die „Junge Alternative“ im Januar eine „Winterakademie“ des „Instituts für Staatspolitik“ in Schnellroda, Sachsen-Anhalt – ein Event für „junge Patrioten“. Thema: zehn Jahre AfD. Hinter dem „Institut“ steckt vor allem der neurechte Ideologie Götz Kubitschek. In der Szene gilt die Organisation seit vielen Jahren als „Denkfabrik“, produziert Artikel für die Zeitschrift „Sezession“, vernetzt sich heimlich und offen mit den Spitzen der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ und den Radikalen in der AfD, etwa mit dem Thüringer Landeschef Björn Höcke. Immer wieder trifft sich die neurechte Szene in Schnellroda.

Hannes Gnauck ist Vorsitzender der Jungen Alternative, die vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird.
Hannes Gnauck ist Vorsitzender der Jungen Alternative, die vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird. © picture alliance/dpa | Fabian Sommer

Nun ist auch das „Institut für Staatspolitik“ im Visier des Verfassungsschutzes. Es gilt nun wie die JA als „gesichert rechtsextrem“. Die „propagierte Vorstellung, dass es ein deutsches Volk jenseits des im Grundgesetz als der Gesamtheit der deutschen Staatsangehörigen definierten Staatsvolkes gebe, impliziert eine Herabsetzung von eingebürgerten Staatsangehörigen zu Deutschen zweiter Klasse“, heißt es beim Nachrichtendienst.

Gedroht werde auch immer wieder mit einer angeblichen „Auflösung des deutschen Volkes“, einem mutmaßlich bevorstehenden „Bevölkerungsaustausch“. Es ist eine Rhetorik, auf die sich auch rechtsterroristische Attentäter in der Vergangenheit berufen haben.

JA-Chef Gnauck prahlt mit Spenden an das neurechte Kampagnennetzwerk „Ein Prozent“

Ebenfalls stuft der Verfassungsschutz die neurechte Gruppe „Ein Prozent“ als rechtsextrem ein. Die Organisation ist Teil einer extrem rechten Medienlandschaft, die sich in den vergangenen Jahren auch in Deutschland stärker etabliert hat. Neurechte Akteure bauen „Gegenmedien“ auf, strahlen eigene Propagandasendungen aus, produzieren Podcasts und Videofilme.

Die Gruppe „Ein Prozent“ spielt in der neurechten Medienstrategie eine zentrale Rolle. Ziel des Vereins sei „die metapolitische Erringung der kulturellen Hegemonie und damit die Etablierung einer entsprechenden ‚Gegenkultur‘“, so der Verfassungsschutz. Auch Hannes Gnauck, der Chef der „Höcke-Jünger“ in der JA, ist Fan von „Ein Prozent“. Laut Recherchen des „Spiegel“ soll der Abgeordnete einen Teil seiner Diät regelmäßig dem Kampagnennetzwerk spenden.