Berlin. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht würde gerne Innenministerin werden. Doch ist das nach ihren Fehlern überhaupt noch möglich?

  • Verteidigungsministerin Christine Lambrecht steht nach einem missglückten Neujahrsvideo erneut in der Kritik
  • Auch ihre bisherige Bilanz lässt nach Meinung vieler Beobachter zu wünschen übrig
  • Bundeskanzler Olaf Scholz hält bislang an der Ministerin fest
  • CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Vorsitzender Markus Söder fordern nun ihren Rücktritt

Das politische Berlin befindet sich noch in der Winterpause, auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) macht sich rar. Das kann ein vorteilhafter Zustand sein. Wenn irgendwo neue Probleme auftauchen, kann der Chef entscheiden, ob er sich selbst darum kümmert oder die Dinge erst einmal laufen lässt. Notfalls schickt man eben Mitarbeiter vor mit dem Auftrag, erst einmal nichts zu sagen.

Eines der Probleme, die der Bundeskanzler gerade hat, ist Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Die 57-Jährige ist bekannt für ihre Fehltritte. In der Silvesternacht erst postete sie bizarre Neujahrsgrüße bei Instagram. Das Video zeigt eine Ministerin mit zerzausten Haaren vor den Stalinbauten der Berliner Karl-Marx-Allee. Böller explodieren, Raketen steigen in den Himmel. Streckenweise ist Lambrecht kaum zu verstehen.

Lambrecht: Als Verteidigungsministerin reiht sie Fehler an Fehler

Die Ministerin sagt: „Mitten in Europa tobt ein Krieg. Und damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte. Viele, viele Begegnungen mit interessanten, mit tollen Menschen.“ Empathie in Kriegszeiten geht anders. Wie der Kanzler das Video denn finde, wird eine Regierungssprecherin tags darauf gefragt. Im Auftrag ihres Chefs antwortet sie: „Ich sehe keinen Anlass, das zu bewerten.“

Die Ampel-Regierung ist seit etwas mehr als einem Jahr im Amt, und Lambrecht hat nach Auffassung vieler in dieser Zeit Fehler an Fehler gereiht. Sie nahm ihren volljährigen Sohn im Regierungshubschrauber mit, rief Innenministerin Nancy Faeser vorzeitig zur SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Hessen aus und zeigt sich in fachlichen Fragen oft nicht sattelfest. Die Ertüchtigung der Bundeswehr kommt nicht in Gang. Es fehlt zwar nicht mehr an Geld, aber weiterhin an Waffen, Ausrüstung und Munition. Kritiker im In- und Ausland monieren, dass Deutschland viel zu zögerlich Waffen an die Ukraine liefere.

Kommentar: Lambrecht-Pannen – Es geht um Deutschlands Ansehen

Scholz stärkt Lambrecht nicht den Rücken

Das Neujahrs-Video war der eine Fehler zu viel, Scholz müsse jetzt die Reißleine ziehen, fordert am Dienstag die Union. „Der Kanzler darf nicht länger zuschauen“, sagt Fraktionsvize Johann Wadephul (CDU). Lambrecht sei sichtlich fehl am Platz. Auch CDU-Chef Friedrich Merz richtete im „Münchner Merkur“ klare Worte an den Bundeskanzler: „Jede Stunde, die Frau Lambrecht noch länger im Amt bleibt, schwächt mittlerweile die Autorität des Bundeskanzlers.“ Er fügte hinzu: „Nicht nur unsere Soldatinnen und Soldaten, die Verteidigungsexperten weltweit sind sprachlos, wie peinlich und frei von Sachkompetenz eine Ministerin in unserem Land öffentlich auftreten kann.“ Lambrecht sei in der Aufgabe „vollkommen überfordert“. CSU-Chef Söder unterstützte Merz' Forderung: Scholz müsse „dieses Personalproblem jetzt auch lösen“, schließlich habe er Lambrecht berufen.

Scholz könnte jetzt seiner Ministerin demonstrativ den Rücken stärken. Er tut es aber nicht. Auch in der SPD sind sie in diesen Tagen auffällig ruhig. In der Grünen-Fraktion heißt es hinter vorgehaltener Hand: „Scholz toleriert die Peinlichkeiten und Überforderungen von Frau Lambrecht, da sie von ihm ablenken.“ Während sich alle zu Recht über Lambrecht aufregten, werde Scholz‘ „eigenes Versagen in der Zeitenwende“ im Umgang mit Russland und der Unterstützung der Ukraine weniger thematisiert.

Strack-Zimmermann will Bewertung an Reformwillen knüpfen

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagt unserer Redaktion, sie wolle ihr Urteil über Lambrecht an deren Reformwillen knüpfen. „Die Ministerin sollte man nicht daran messen, ob ein Video geglückt oder weniger geglückt ist, wenngleich die richtige Kommunikation nach innen und außen besonders in diesen Zeiten natürlich sehr wichtig ist. Die Ministerin wird sich daran messen lassen müssen, wie weit sie willens und in der Lage ist, die Bundeswehr zu reformieren.“

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses sagt auch, ein Schwerpunkt müsse die Reform des Beschaffungswesens sein, einschließlich der Überwindung der bisherigen Trennung von Militär – und Zivilverwaltung. „Diese Struktur ist komplett aus der Zeit gefallen.“ Es gebe kein Unternehmen in Deutschland, in dem es solche Doppelstrukturen gebe. In der Bundeswehr träfen dadurch Kulturen aufeinander, die sich gegenseitig behinderten und deshalb nicht die nötige Effizienz hätten, die dringend erforderlich wäre.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht steht unter Druck.
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht steht unter Druck. © AFP | Tobias Schwarz

Scholz schätzt Lambrechts Loyalität

Weitere Schwerpunkte seien die Verschlankung der Prozesse und die Zusammenführung der Teilstreitkräfte sowie die Notwendigkeit, die Bundeswehr demografiefest zu machen. Diese Probleme müssten jetzt angegangen werden. „Das wird der Maßstab sein, an dem man sie messen wird“, sagt Strack-Zimmermann mit Blick auf Lambrecht.

Ob der Kanzler die Arbeit seiner Verteidigungsministerin schätzt, ist nicht überliefert. Auf jeden Fall schätzt er ihre Loyalität. Eine Ministerin, zumal von der eigenen Partei, entlässt man nicht mal eben so. Und Lambrecht selbst ahnt vermutlich, dass ein Rücktritt aus eigenem Antrieb auch ihre gesamte Karriere beenden würde.

Lambrecht würde gerne Innenministerin werden

Wenn Scholz die Führung des Verteidigungsministeriums in andere Hände geben will, dann dürfte dies im Rahmen einer Kabinettsumbildung geschehen. Innenministerin Faeser wird wahrscheinlich SPD-Spitzenkandidatin in Hessen bei der Wahl im Herbst. Entschieden ist aber noch nichts. In der Partei haben sie ihr bedeutet, dass sie dafür ihr Ministeramt aufgeben muss. Lambrecht, die aus der Rechtspolitik kommt, träumt davon, Faeser zu beerben.

Bundeskanzler Olaf Scholz könnte vor einer Kabinettsumbildung stehen: Innenministerin Nancy Faeser (rechts) kandidiert womöglich als Spitzenkandidatin für die SPD bei der Landtagswahl in Hessen. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (links) würde gerne Innenministerin werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz könnte vor einer Kabinettsumbildung stehen: Innenministerin Nancy Faeser (rechts) kandidiert womöglich als Spitzenkandidatin für die SPD bei der Landtagswahl in Hessen. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (links) würde gerne Innenministerin werden. © dpa | Kay Nietfeld

Die Frage ist, ob sie dafür noch das politische Gewicht hat. Selbst wenn das der Fall sein sollte, müsste eine Lösung für das Verteidigungsressort her. SPD-Chef Lars Klingbeil wäre fachlich geeignet. Aber der Kanzler steht bei den Wählern im Wort, das Kabinett paritätisch mit Frauen und Männern zu besetzen.

Olaf Scholz mag es nicht, Entscheidungen unter öffentlichem Druck zu treffen. Er will nicht als Getriebener dastehen. Allzu lange wird er aber nicht mehr auf Zeit spielen können: Anfang Februar will sich Innenministerin Faeser zu ihren Ambitionen äußern. Spätestens dann wird der Kanzler auch sagen müssen, was aus Verteidigungsministerin Lambrecht wird.

NameOlaf Scholz
Geburtsdatum14. Juni 1958
SternzeichenZwilling
AmtBundeskanzler
ParteiSPD
Parteimitglied seit1975
FamilienstandVerheiratet
Größe1,70 Meter
WohnortBerlin/Potsdam