Brüssel. Brisante Aussagen im Korruptionsskandal: Nicht nur Katar soll auf das Netzwerk Einfluss gehabt haben, sondern auch ein weiteres Land.

Im Korruptionsskandal des EU-Parlaments hat einer der Hauptbeschuldigten ein Geständnis abgelegt. Der Lebensgefährte der Europaabgeordneten Eva Kaili, Francesco Giorgi, hat bei seiner Vernehmung zugegeben, er sei Teil einer Organisation gewesen, über die Katar und Marokko Einfluss auf Entscheidungen in Brüssel nehmen wollten. Das berichten die belgische Zeitung „Le Soir“ und die italienische Zeitung „La Repubblica“ unter Berufung auf Ermittlungsdokumente.

Der Europäische Generalstaatsanwalt kündigte unterdessen eigene Ermittlungen gegen Kaili sowie die griechische Abgeordnete Maria Spyraki, die der konservativen EVP-Fraktion angehört, an. Auf Grundlage eines Untersuchungsberichts des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) bestehe der Verdacht auf Betrug zum Nachteil des EU-Haushalts, erklärte die Staatsanwaltschaft. Es gehe dabei um die Verwaltung der Parlamentszulage und insbesondere um die Vergütung akkreditierter parlamentarischer Assistenten. Die Luxemburger Behörde beantragte deshalb die Aufhebung der Immunität beider Abgeordneten.

Laut dem Lebensgefährten Giorgi ist der ehemalige sozialdemokratische Europaabgeordnete Pier Antonio Panzeri aus Italien der Kopf des Netzwerks gewesen. Giorgi kenne ihn gut, er war Panzeris parlamentarischer Assistent, inzwischen ist er Mitarbeiter der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament. Seine eigene Rolle sei gewesen, Bargeld zu verwalten, erklärte Giorgi den Berichten zufolge. Zwei Abgeordnete hätten von Panzeri Geld erhalten.

Skandal im EU-Parlament: Nicht nur wegen Korruption wird ermittelt

Mit der Aussage bestätigt sich der Verdacht der Ermittler, dass Panzeri und seine angebliche Menschenrechtsorganisation Fight Impunity eine zentrale Rolle in dem Skandal spielen. Bei ihm hatten Fahnder 500.000 Euro Bargeld beschlagnahmt. Panzeri soll mit seiner Familie auch teure Urlaube auf Kosten der mutmaßlichen Auftraggeber gemacht haben.

Er sitzt wie Georgi und Kaili in Untersuchungshaft, auch seine Frau und Tochter wurden vorübergehend festgenommen – sie sollen in das Netzwerk eingeweiht gewesen sein. Die belgische Justiz ermittelt gegen die Beschuldigten wegen mutmaßlicher Korruption, Geldwäsche und Einflussnahme aus dem Ausland im Umfeld des Europaparlaments.

Korruptionsskandal: Auch die griechische Justiz geh gegen Kaili vor

Ob Georgi mit seiner Aussage die ehemalige Parlaments-Vizepräsidentin Kaili entlastet, ist ungewiss. In Kailis Wohnung waren Euro-Banknoten im Wert von 150.000 Euro entdeckt worden, bei ihrem Vater in einem Brüsseler Hotel weitere 700.000 Euro. Kaili hatte erklärt, sie habe von Zahlungen und dem Bargeld nichts gewusst und die Verantwortung auf ihren Lebensgefährten geschoben.

Doch offenkundig ist, dass sich die sozialdemokratische Abgeordnete im EU-Parlament immer wieder sehr energisch für katarische Interessen eingesetzt hat und im November auch als vermeintlich offizielle EU-Repräsentantin nach Katar reiste, um dort die Reform-Fortschritte des Golfstaates zu loben.

Eine Maisonette-Wohnung heizt Spekulationen an

Auch die griechische Justiz ermittelt jetzt gegen Kaili. Die Finanzstaatsanwaltschaft in Athen leitete eine vorläufige Untersuchung wegen des Verdachts der Annahme von Bestechungsgeldern und der Geldwäsche ein. Die griechischen Vermögenswerte von Eva Kaili, ihren Eltern und ihrer Schwestern waren bereits am Montag von griechischen Anti-Geldwäsche-Behörde eingefroren worden.

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Für Spekulationen in griechischen Medien sorgt unter anderem, dass Kaili eine Maisonette-Wohnung in Athen für 260.000 Euro gekauft haben soll, deren Wert auf mindestens 600.000 Euro geschätzt wird; es kursiert der Verdacht, dass Bargeld am offiziellen Verkaufswert vorbei gezahlt wurde. Im EU-Parlament sind Abgeordnete nach Georgis Aussage vor allem darüber besorgt, dass neben Katar auch Marokko in den Skandal involviert ist.

EU-Parlament setzt alle Aktivitäten mit Katar-Bezug aus

Zwar hatte schon am Wochenende die belgische Justiz im Haftbefehl gegen Panzeri diesen Verdacht öffentlich gemacht, doch in Berichten ist jetzt davon die Rede, dass der marokkanische Geheimdienst aktiv in das Netzwerk involviert sein soll. Das EU-Parlament beschloss unterdessen, alle Abstimmungen und Gesetzgebungsarbeiten im Zusammenhang mit Katar auszusetzen, bis die Vorwürfe aufgeklärt sind.

Das gilt nicht nur für die Visaerleichterungen für Bürger aus Katar, sondern auch für ein Luftverkehrsabkommen zwischen und für geplante Reisen in den Golfstaat. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola kündigte an, den Kampf gegen Korruption zur Chefsache zu machen. Sie werde im Januar ein umfassendes Reformpaket vorlegen.