Brüssel. Die Korruptionsaffäre zieht Kreise. Ein wichtiges Abkommen mit Katar ist in Gefahr. Wie das Parlament reagiert, was Eva Kaili sagt.

Im EU-Parlament wächst wegen des Korruptionsskandals um die griechische Abgeordnete Eva Kaili die Sorge, dass der Golfstaat Katar stärker mit Bestechungen auf politische Entscheidungen Einfluss genommen hat als bisher bekannt. EU-Politiker rücken jetzt ein umstrittenes, voriges Jahr abgeschlossenes Luftverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Union und Katar in den Blickpunkt. Der FDP-Europaabgeordnete und Vizechef des Verkehrsausschusses, Jan-Christoph Oetjen, sagte unserer Redaktion: „Es muss jetzt geprüft werden, ob Katar damals eine Einflussnahme auf die Verhandlungsposition der EU gehabt hat.“

Das Luftverkehrsabkommen sei voriges Jahr verhandelt worden, die Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten stehe aber noch aus. Oetjen appellierte an Deutschland und die anderen EU-Staaten, das Verfahren angesichts der Korruptionsvorwürfe auszusetzen: „Bis die Tragweite des Falles offengelegt wurde, müssen die Mitgliedsstaaten die Ratifizierung auf Eis legen. Der Fall muss restlos aufgedeckt werden.“

Ähnlich äußerte sich die Vorsitzende des Verkehrsausschusses, die Französin Karima Delli (Grüne). Sie warnte in einem Schreiben an Fachpolitiker, Katar habe sich möglicherweise in die internen Beratungen des Parlaments eingemischt. Das Luftverkehrsabkommen ist hoch umstritten, Lufthansa und andere europäische Airlines hatten ebenso wie Gewerkschaften massiv gegen die Vereinbarung protestiert.

Katar erhält damit besseren Zugang zum EU-Markt mit 450 Millionen Menschen, EU-Fluggesellschaften im Gegenzug besseren Zugang zu Katar mit 2,9 Millionen Einwohnern. Die katarische Fluggesellschaft Qatar Airways kann nun zum Beispiel mehr deutsche Flughäfen anfliegen und Passagiere von dort mit Umstieg in Katar weiter nach Asien, Australien oder Afrika fliegen. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit hatte deshalb gewarnt, der drastisch erweiterte Marktzugang für die staatlich subventionierte Airline Katars sei „unverantwortlich“ und gefährde viele Jobs.

Das Bundesverkehrsministerium bestätigte auf Anfrage unserer Redaktion, dass Deutschland das Abkommen wie die meisten anderen EU-Staaten noch nicht ratifiziert hat und auch noch kein Ratifizierungsverfahren eingeleitet hat. Bis zum endgültigen Inkrafttreten gebe es aber Übergangsregelungen für eine schrittweise Öffnung des EU-Luftverkehrsmarktes, sagte ein Sprecher. Er fügte hinzu: „Die Bundesregierung verfolgt die aktuelle Situation aufmerksam“.

Korruptionsskandal Europaabgeordnete Kaili beteuert ihre Unschuld

Im EU-Parlament mehren sich Informationen, dass Vertreter Katars sehr offensiv versucht haben, Abgeordnete für ihre Interessen zu gewinnen. So berichten Parlamentarier unter der Bedingung von Anonymität über Einladungen zu großzügigen Reisen, aktuell auch zur Fußball-WM, oder über das Angebot teurer Geschenke. Die belgische Justiz ermittelt wegen des Verdachts, Katar habe mit Bestechungsgeldern und Geschenken Einfluss auf das EU-Parlament genommen.

Die am Dienstag abgesetzte Vizepräsidentin Eva Kaili und drei weitere Beschuldigte sitzen deshalb in Untersuchungshaft. Kaili sollte am Mittwoch bei einem Haftprüfungstermin vor einer Brüsseler Gerichtskammer aussagen, der Termin wurde aber verschoben, weil sie wegen eines Streiks nicht zum Gericht gebracht werden konnte. Das Gericht bestätigte aber bereits die Untersuchungshaft für ihren Lebensgefährten Franceso Giorgi und den früheren EU-Abgeordneten Pier Antonio Pancheri.

Kaili beteuert jetzt ihre Unschuld. Ihr Anwalt Michalis Dimitrakopoulos bekräftigte die Darstellung der 44-jährigen, sie habe von dem in ihrer Brüsseler Wohnung sichergestellten Bargeld nichts gewusst. Nur ihr Lebensgefährte könne Antworten zur Herkunft dieses Geldes geben. In der Wohnung hatten Fahnder mehrere Taschen mit Euro-Banknoten im Wert von etwa 150.000 Euro entdeckt, insgesamt wurden rund 1,5 Millionen Euro Bargeld beschlagnahmt.

EU-Parlament stoppt Beratung zu Katar-Themen: Keine Reisen, keine Abstimmungen

Angesichts der Vorwürfe will das Europaparlament bis auf Weiteres jede parlamentarische Arbeit zu Katar aussetzen. Es solle keine Abstimmungen zu oder Dienstreisen in das Golfemirat geben, solange die Vorwürfe nicht geklärt seien, heißt es in einem Entwurf für eine fraktionsübergreifende Entschließung, über die das Parlament am Donnerstag abstimmen will. Die konservative EVP-Fraktion will darüber hinaus vorsoglich die Beteiligung an allen Dringlichkeitsbeschlüssen zu außenpolitischen Themen einstellen. Es bestehe die Sorge, dass ein korruptes Netzwerk einzelner Abgeordneter und von Mitarbeitern weiteren Schaden anrichten könne.