Berlin/Doha. Datenschützer in Deutschland und Europa warnen, dass Katar die Mobiltelefone von WM-Besuchern massiv anzapft. So groß ist die Gefahr.

In der Debatte um die Fußball-WM in Katar melden sich Europas Datenschützer mit einem dringenden Alarmruf zu Wort. Ihre Warnung an alle Fußball-Fans in Katar: Die Sicherheitsbehörden des Golfstaates könnten die Mobiltelefone der Besucher umfassend ausspionieren, Daten abfassen und Kontakte überwachen. Wie andere Experten auch hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz deshalb einen eindeutigen Rat: Für die Reise in Katar sollte ein separates Handy verwendet werden, auf dem keine persönlichen Daten und Kontakte gespeichert sind – ein offizielles Misstrauensvotum gegen die WM-Gastgeber in Doha.

Hintergrund ist die Auflage der katarischen Behörden, dass alle aus dem Ausland eingereisten Fans zwei Apps auf ihren Mobiltelefonen installieren müssen: „Hayya“ ist die offizielle WM-App, mit der die sogenannte „Hayya-Card“ zum Eintritt in die Fußballstadien und für den öffentlichen Nahverkehr verwaltet wird. „Ehteraz“ wird zur Kontaktverfolgung nach Corona-Infektionen eingesetzt und muss von allen Reisenden ab 18 Jahren installiert werden. Die Behörden nutzten die mit den Apps erhobenen Daten wahrscheinlich viel umfangreicher als offiziell angegeben, fürchtet der oberste Datenschützer des Bundes.

Amnesty hält Pflicht-App in Katar für problematisch bis gefährlich

Vor allem bei der App Ehteraz, die für den Besuch von Gesundheitseinrichtungen benötigt wird, haben Experten massive Bedenken: Die App kann auf sämtliche Daten des Smartphones zugreifen, sie ändern oder löschen, den präzisen Standort speichern und Handys in der Nähe erkennen, Verbindungen über Wlan oder Bluetooth überwachen - und diese Daten weiterleiten. Das könnte in Katar zum Beispiel für Homosexuelle gefährlich werden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hält die App daher für „menschenrechtlich problematisch bis gefährlich“ und befürchtet „willkürliche Überwachung“. Die App Hayya ermöglicht es, einen Wechsel in den Ruhezustand des Handys zu verhindern, alle Netzwerkverbindungen einzusehen und persönliche Informationen weitgehend ohne Einschränkungen weiterzugeben. Der Bundes-Datenschutzbeauftragte meint: „Es liegt nahe, dass die von den Apps verwendeten Daten nicht nur lokal gespeichert, sondern auch an einen zentralen Server übermittelt werden.“

Ähnliche Warnungen kommen von den obersten Datenschützern Frankreichs, Norwegens und der Schweiz. Der Schweizer Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger sagt: „Ich rate dazu, ein Billig-Smartphone mitzunehmen oder ein nicht mehr benötigtes, auf Werkseinstellung zurückgesetztes Smartphone.“ Die deutsche Datenschutzbehörde des Bundes empfiehlt das ebenfalls und ergänzt: „Auf diesem Gerät sollten keine weiteren personenbezogenen Daten, wie etwa Telefonnummern, Bild- oder Tondateien gespeichert sein. Im Nachgang der Nutzung der Apps sollten auf dem verwendeten Telefon, das Betriebssystem und sämtliche Inhalte vollständig gelöscht werden.“

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Klare Experten-Warnung: Gefahr, dass Besucher Katars überwacht werden

Die norwegische Regulierungsbehörde äußert sich „alarmiert“ über den umfangreichen Zugriff, den die Apps ermöglichen: „Es besteht die reale Möglichkeit, dass Besucher Katars und insbesondere gefährdete Gruppen von den katarischen Behörden überwacht werden“, erklärt die Behörde in Oslo. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat wegen der Bedenken inzwischen auch das Auswärtige Amt und das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik eingeschaltet. An der umfassenden Neugier der katarischen Sicherheitsbehörden besteht wenig Zweifel. Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft wurde bekannt, dass Katar schon vor Jahren international auf der Suche nach Überwachungstechnik für das Turnier war. Unter anderem in der Schweiz und den USA ging es um die Beschaffung von IMSI-Catchern zum Anzapfen von Handys.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.