Berlin. Die Mehrheit der G20-Länder hat die russische Invasion „aufs Schärfste“ verurteilt. China wirkte mit – und denkt an seine Wirtschaft.

Es gibt immerhin Zeichen der Hoffnung in diesen düsteren Zeiten. Da ist zunächst der XXL-Gipfel zwischen US-Präsident Joe Biden und seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping. Es war die erste persönliche Begegnung der beiden Staatschefs seit fünf Jahren.

Eine atmosphärische Annäherung, nachdem die amerikanisch-chinesischen Beziehungen vor allem in der Amtszeit von Donald Trump durch Zollkeulen und Handelskrieg politisch aufgeheizt waren. Biden und Xi haben zu einer Kultur des Dialogs mit fest vereinbarten Kommunikationskanälen zurückgefunden. Das darf man getrost als Fortschritt bezeichnen.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Putin ist es nicht gelungen, die internationale Gemeinschaft zu spalten

Auch der G20-Gipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer auf Bali kann als Erfolg verbucht werden. Russlands Präsident Wladimir Putin ist es nicht gelungen, die internationale Gemeinschaft über der Frage des Ukraine-Kriegs zu spalten.

Er scheiterte mit seiner Absicht einer Ost-West- oder Nord-Süd-Blockbildung. Auch schaffte es der Kremlchef nicht, die Welt in einen Erschöpfungszustand zu treiben, in dem man die Aggression irgendwann notgedrungen akzeptiert. Dieses Kalkül mit der Gleichgültigkeit ging nicht auf.

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Stattdessen verurteilte die Mehrheit der G20-Länder die russische Invasion „aufs Schärfste“. Dass sich die Abschlusserklärung ausdrücklich auf eine UN-Resolution vom März bezieht, wonach 141 Länder den Einmarsch rügten, zeigt: Moskau hat eine moralische Mehrheit der Weltgemeinschaft gegen sich.

Mit das wichtigste Ergebnis des G20-Gipfels ist die Ächtung des Einsatzes von Atomwaffen sowie die Drohung hiermit. Auch das muss Putin als diplomatische Niederlage empfinden. Seit Kriegsbeginn hat der Kremlchef im Westen immer wieder die Angst vor der Benutzung taktischer Nuklearwaffen in der Ukraine geschürt.

Dass das Spitzentreffen auf Bali in diesen Fragen so klar Position bezogen hat, liegt in entscheidendem Maße auch an China. Peking will eine militärische Eskalation im Ukraine-Krieg unter allen Umständen vermeiden.

Stagnation ist Gift für Chinas Wirtschaft und nagt an Xis Wohlstandsversprechen

Die chinesische Volkswirtschaft ist weltweit verflochten und auf Wachstum und Expansion ausgerichtet wie kaum eine andere. Die Konjunktur braucht hohe Export- und Importraten, um auf Trab zu kommen. Jedes Jahr drängen rund zehn Millionen Hochschulabsolventen neu auf den Arbeitsmarkt. Stagnation ist Gift für Chinas Wirtschaft und nagt am Wohlstandsversprechen von Xi Jinping.

Vor der Coronakrise hatte kam China jahrelang auf acht Prozent oder mehr Wachstum. Doch die Pandemie machte den staatlichen Planern einen Strich durch die Rechnung. Die Null-Covid-Politik mit knallharten Lockdown-Perioden bremste die Unternehmensaktivitäten ab. Die globalen Lieferketten wurden unterbrochen.

Im zweiten Quartal verzeichnete die Wirtschaft der Volksrepublik ein Plus von etwas über null Prozent. Im dritten Quartal waren es knapp vier Prozent – für die chinesische Wachstumsmaschine viel zu wenig.

Dennoch: Peking sieht Russland nach wie vor als „strategischen Partner“

Auch wenn Peking auf dem G20-Gipfel zur internationalen Isolierung Putins beigetragen hat: Es gibt keinen Anlass für Illusionen. Die Regierung sieht Russland nach wie vor als „strategischen Partner“ gegenüber dem Westen. Am liebsten wäre es Xi vermutlich, wenn der Ukraine-Krieg mit Verhandlungen enden und Kiew Gebietsabtretungen an Moskau akzeptieren würde. Die Volksrepublik sieht die russische Invasion in der Ukraine als Blaupause für eine mögliche Einverleibung der demokratischen Insel Taiwan.

Peking spielt in der Ukraine-Frage ein doppeltes Spiel. Trotzdem ist es aus Sicht des Westens von Vorteil, dass Putin durch die G20-Front indirekt unter Druck gerät.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.