Berlin. Michael Gorbatschows Frau Raissa brillierte auf dem internationalen Parkett – und hat ihren Mann in jeder politischen Frage beraten.

Raissa Gorbatschowa war eine außergewöhnliche Frau. Sie war vor allem eine First Lady, die die Welt so noch nicht gesehen hatte, schon gar nicht in Russland. Bei den Staatsempfängen, die zur Verbesserung des sowjetisch-amerikanischen Verhältnisses führten und auch die deutsche Wiedervereinigung mit auf den Weg brachten, wirkte sie neben Nancy Reagan, was Eleganz, Charme und Weltgewandtheit betraf, stets gleichauf. Wenn nicht sogar etwas gebildeter als ihr amerikanisches Gegenüber.

Unvergessen ist, wie sie Nancy Reagan einst aus dem Konzept brachte: Bei einem Rundgang durchs Weiße Haus fragte sie, wann ein bestimmtes Bild gemalt worden sei. Reagan stotterte. Gorbatschowa übernahm und schätzte: „Sicher im 20. Jahrhundert.“ Nancy Reagan versuchte ihre Unwissenheit wegzulächeln.

Auch über den Tod ihres Mannes Michael Gorbatschow hinaus wird man sich an sie erinnern. Historiker und Wissenschaftler betonen auch ihre historische Rolle bei der Wiedervereinigung und der Annäherung der Sowjetunion an den Westen.

Raissa Gorbatschowa: First Lady, Philosophieprofessorin und Einflüsterin

Raissa Gorbatschowa wusste aber auch, wie sie optisch beeindruckte und mit den westlichen First Ladys mithalten konnte. Sie trug Kleider des russischen Designers Slawa Saizew und trug Schmuck von Cartier. Das britische Magazin „Womans Own“ wählte sie 1987 sogar zur „Frau des Jahres“.

Lesen Sie mehr Artikel zum Tod von Michael Gorbatschow:

Ihre Rolle war es natürlich an seiner Seite zu stehen, aber Raissa Gorbatschowa war Philosophieprofessorin und soll zumindest einen beratenden Anteil an den Ideen Gorbatschows zu Glasnost und Perestroika gehabt haben.

Raissa Gorbatschow bei der Eröffnung eines Kindergartens 1986 in Bukarest, Rumänien. Die Schlaufenbluse war ihr Markenzeichen.
Raissa Gorbatschow bei der Eröffnung eines Kindergartens 1986 in Bukarest, Rumänien. Die Schlaufenbluse war ihr Markenzeichen. © picture alliance / AP Images | Boris Yurchenko

Wie viel sie wohl zu sagen hatte? In einem Interview mit einem amerikanischen Fernsehsender, antwortete Gorbatschow einst auf die Frage des Reporters, ob er politische Fragen mit seiner Frau bespreche: „Wir besprechen alles.“

Hans-Dietrich Genscher hatte ein besonderes Verhältnis zu Gorbatschows

Als der ehemalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher im Jahr 2000 bei der Verleihung des Aleksandr-Men-Preises die Laudatio auf den Preisträger Michail Gorbatschow hielt, betonte er ebenfalls die Rolle Raissas Gorbatschowas für die Wiedervereinigung: „In dieser Stunde des Dankes an Dich gehen unsere Gedanken auch an Raissa Gorbatschowa, Deine Frau, die so viel für Dich bedeutete und die Dir auf Deinem schweren und mutigen Wege stets zur Seite stand. Der Dank, den wir heute Dir gegenüber ausdrücken, gilt auch ihr.“ Auch interessant: Gorbatschow: Wie ein alter Werbespot viral geht

Zu Besuch in Stratford-upon-Avon in England im Jahr 1984. Damals war Michael Gorbatschow noch nicht Präsident. Sie zog aber schon alle Aufmerksamkeit auf sich, sogar Margarete Thatcher war begeistert von ihr.
Zu Besuch in Stratford-upon-Avon in England im Jahr 1984. Damals war Michael Gorbatschow noch nicht Präsident. Sie zog aber schon alle Aufmerksamkeit auf sich, sogar Margarete Thatcher war begeistert von ihr. © Getty Images | Bryn Colton

Im Ausland wurde Gorbatschows Frau für ihr Selbstbewusstsein bewundert, in der Sowjetunion kritisiert. Zu sehr mische sie sich in die Politik ihres Mannes, dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, ein – zudem falle sie ihm öffentlich ins Wort.

Die Liebe zum Bauernsohn Michael Gorbatschow begann im Studium

Im Studium der Philosophie und Soziologie in Moskau lernte die Tochter eines Eisenbahningenieurs den Bauernsohn Michail Gorbatschow kennen, der Jura studierte. Beiden soll schnell bewusst gewesen sein, dass sie zusammengehören. In seinen Memoiren schrieb Gorbatschow, dass Raissas große, kluge Augen es ihm sofort angetan hatten. Auch wenn sie nicht einmal Bratkartoffeln mit Zwiebeln kochen konnte.

Am 20. September 1999 starb Raissa Gorbatschowa mit 67 Jahren im Universitätsklinikum Münster an einer Krebserkrankung. Gorbatschow sagte damals, der Krebs sei „wie Schnee im Juli“ über seine Frau gekommen und dass er sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen könne.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.