Kanzler Scholz hofft, dass Kanada zur Linderung der deutschen Energiekrise beitragen kann. Daraus wird wohl nichts, meint unser Autor.

„Kanada kann nicht viel tun, um Deutschland durch den kommenden Winter zu helfen.“ Die An- oder besser Absage von Kanadas Premierminister Justin Trudeau an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) ist unmissverständlich. Das rohstoffreiche zweitgrößte Land der Welt wird der Bundesrepublik nicht kurzfristig aus der Energiekrise helfen können.

Schon gar nicht im nahenden Winter, in dem das Erdgas für Heizungen und Industrie nicht ausreichen könnte. An der kanadischen Atlantikküste fehlt es schlicht an der nötigen Infrastruktur, um Tankschiffe mit Flüssiggas zu beladen.

Und daran wird sich wohl auch in den nächsten Jahren nichts ändern. Auch in Kanada spielt der Klimaschutz eine zunehmend große Rolle. Premier Trudeau wird sich davor hüten, zur Linderung des deutschen Energiehungers Streit im eigenen Land um die Förderung von mehr fossiler Energie zu riskieren.

Handel mit Kanada spielt bislang keine bedeutende Rolle

So ist der Besuch der deutschen Regierungsspitze in dem nordamerikanischen Land eher als Prinzip Hoffnung zu verstehen. Nachdem Vizekanzler Habeck bereits in Golfstaaten wie Katar erfolgreich um zusätzliche Energielieferungen geworben hat, steht jetzt das verbündete Kanada auf dem Programm.

Das Land spielt für den deutschen Außenhandel bislang keine bedeutende Rolle. Auf der Liste der wichtigsten Handelspartner rangiert Kanada gerade einmal auf Platz 31, zwischen Portugal und Malaysia. Völlig anders als der Handel mit dem übermächtigen Nachbarland USA.

Alexander Klay, Wirtschaftskorrespondent
Alexander Klay, Wirtschaftskorrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Generell ist es eine gute Idee, die wirtschaftlichen Beziehungen zu ohnehin befreundeten Ländern zu vertiefen. Kanada teilt die westlichen Werte und ist politisch stabil. Nach dem Ausfall von Russland als wichtigem Rohstofflieferanten braucht die deutsche Wirtschaft neue Quellen für alle möglichen Güter, nicht nur Gas und Öl. Und jede noch so kleine Menge hilft, Engpässe zu beheben und die Wirtschaft am Laufen zu halten.

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Doch der Ausgang der Mission Rohstoffsicherung von Scholz und Habeck, die eine hochrangige Wirtschaftsdelegation in der Regierungsmaschine mit nach Kanada genommen haben, ist völlig offen. Höchstens beim Zukunftsthema Wasserstoff, produziert mithilfe von erneuerbaren Energien, wird das Land eine Rolle spielen können. Doch bis hier das erste Schiff die deutsche Küste erreichen wird, werden noch etliche Jahre verstreichen.

Scholz und Habeck machen gutes Wetter für bessere Beziehungen

Hinzu kommt: Deutschland ist mit seinem Werben um neue Rohstoffquellen längst nicht allein. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine scheidet das Riesenreich von Machthaber Wladimir Putin für viele Nationen als Lieferant für Energie und viele andere Rohstoffe wohl auf Dauer aus. Die ganze westliche Welt muss sich gerade neu orientieren und zur Kenntnis nehmen: In vielen Bereichen wird die Nachfrage das eingeschränkte Angebot mittelfristig weit übersteigen.

Einen Zweck wird die Reise von Scholz und Habeck aber auf jeden Fall erfüllen: Sie machen gutes Wetter für bessere Beziehungen zwischen Europa und Kanada. Die sind angesichts der sich seit Jahren hinziehenden Ratifizierung des Handelsabkommen Ceta noch immer in der Schwebe. Seit nunmehr fünf Jahren ist ­Ceta nur vorläufig in Kraft.

Allen voran in Deutschland wird um den politisch heiklen Investorenschutz gestritten. Hier sollte es schnell eine Einigung geben, wenn Deutschland und ganz Europa das nordamerikanische Land enger an sich binden wollen – und Kanada den erhofften Rohstoffsegen ausschütten soll.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de