Berlin . Wer hilft gegen Russland? Ein “Ukraine-Tracker“ fördert überraschende Erkenntnisse zu Tage: Wer viel verspricht und wer was liefert.

Bei seinem Besuch in Kiew versicherte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass die Hilfe für die Ukraine fortgesetzt und somit verstetigt wird: "finanziell, humanitär, aber auch wenn es um Waffen geht." Auf wen konnte sich Präsident Wolodymyr Selenskyj bisher verlassen? Wer sind die größten Unterstützer im militärischen Konflikt mit Russland?

Darauf gibt es zwei Antworten, eine wissenschaftliche und eine militärische. Olexij Resnikow ist Verteidigungsminister der Ukraine. Ins seiner jüngsten Erklärung bedankte er sich bei allen Waffenlieferanten, aber nur wenige hob er ausdrücklich hervor: Die USA, Großbritannien, Polen "und unsere baltischen Freunde".

Wer verspricht und liefert auch: die baltischen Staaten

Das renommierte Kieler Institut für Weltwirtschaft führt Buch über alle Regierungshilfen, die direkten wie die indirekten via Europäische Union (EU). Am Donnerstag haben die Wissenschaftler ihren "Ukraine Tracker" aktualisiert. Die Duplizität der Ereignisse ist zufällig: Der Update-Termin stand seit Langem fest, vom Scholz-Besuch wusste man da noch nichts.

Die Wissenschaftler haben die Regierungshilfen im Verhältnis zur Wirtschaftskraft (Bruttoinlandsprodukt, BIP) des Lieferanten gestellt. Kurzum: Die Helfer nach ihren finanziellen Möglichkeiten beurteilt. Heraus kam eine Top-Ten-Platzierung, die Olexij Resnikow bestätigt.

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Auf den ersten Plätzen sind Estland, Lettland, Polen und Litauen. Die Esten geben fast einen Prozent des BIP aus, um die Ukraine im Krieg gegen Russland zu unterstützen. Auf den weiteren Plätzen folgen Griechenland, Tschechien, die Slowakei, Portugal, die USA und Frankreich. Und Deutschland? Platz 13. Ein guter Mittelplatz, insgesamt umfasst das Ranking 37 Staaten.

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Mehr Geldleistungen als Waffen: Frankreich und Italien

Auffällig im Top Ten: Darunter sind sechs ehemalige Staaten des Warschauer Paktes – und insbesondere die drei baltischen Staaten fühlen sich von Kremlchef Wladimir Putin bedroht. Die persönliche Betroffenheit ist groß. In Litauen hat ein Internetsender bei seinen Zuschauer so viele Spenden gesammelt, dass sie dem ukrainischen Militär für fast sechs Millionen Euro eine Kampfdrohe spendieren konnten.

Auch bei den Ausgaben für Geflüchtete (gemessen am BIP) ergibt sich das gleiche Bild, ganz vorn Estland, Lettland, Polen und Litauen. Im Vergleich rangieren sogar Portugal und Griechenland noch vor Deutschland, das auf diesem Feld Platz 14 einnimmt.

Mehr Zusagen als Lieferungen: Deutschland

Eine ganz andere Reihenfolge entsteht, wenn man die Hilfen in absoluten Zahlen vergleicht. Die USA haben der Ukraine mit rund 43 Milliarden Euro geholfen, gefolgt von Großbritannien (knapp fünf Milliarden), mit deutlichem Abstand vor Deutschland (3,3 Milliarden) Polen, Kanada und Frankreich. Wobei die Polen Waffen im Wert von 1,7 Milliarden Euro zugesagt haben – mehr als Deutschland (1,4 Milliarden). Es gibt Staaten, die fast nur finanziell helfen (Frankreich und Italien), wohingegen Norwegen nahezu ausschließlich Waffen lieferte. Wie die Rüstungshilfen genau aussehen, wer was im Einzelnen liefert, kann man im Internetportal "Forum on the Arms Trade" verfolgen.

Wichtig ist, dass der Ukraine-Tracker nicht zwischen zugesagten und geleisteten Hilfen unterscheidet. Gerade einige deutsche Waffenhilfen verzögern sich; sei es, weil die ukrainischen Soldaten noch ausgebildet werden müssen; sei es, weil die Rüstungsgüter wie beim Gepard-Panzer zunächst instandgesetzt werden müssen; sei es, weil Waffen wie das Raketenabwehrsystem Iris-T-SLM erst produziert werden müssen.

"Unter den großen Geberländern haben vor allem die USA und Deutschland deutlich mehr zugesagt als geliefert", schreiben die Kieler Wissenschaftler. Insgesamt sei das Volumen zugesagter Rüstungshilfen – auch schwerer Waffen – seit dem letzten Update am 18. Mai deutlich gestiegen. Die USA hätten vom Wert her "bereits rund zehnmal mehr Waffen in die Ukraine geliefert als Deutschland".

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de.