Berlin . Kremlchef Wladimir Putin werden seit Langem viele Krankheiten nachgesagt. Neu ist, dass sich die Ferndiagnosen wie Todesurteile lesen.

  • Über den Gesundheitszustand von Wladimir Putin wurde in den vergangenen Wochen viel spekuliert
  • Oft heißt es, der Kreml-Chef sei schwer krank, habe Krebs oder ein anderes Leiden
  • Oft lesen sich die Ferndiagnosen dabei wie Todesurteile

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs wirkt Kremlchef Wladimir Putin wie angezählt: politisch wie persönlich. Über seinen Gesundheitszustand wird mehr denn je spekuliert und jedes Schwächezeichen ferndiagnostiziert. Das Epizentrum der Gerüchte: London. "Er hat nur noch zwei, drei Jahre zu leben", zitiert der englische "Mirror" einen russischen Agenten, der sich auf Ärzte beruft.

Putin habe eine ernste, rasch voranschreitende Krebserkrankung, behauptet der Mann. "Uns wurde gesagt, dass er unter Kopfschmerzen leidet, und wenn er im Fernsehen auftritt, braucht er Zettel, die in riesigen Buchstaben geschrieben sind“, soll der Agent berichtet haben. Seine Sehkraft verschlechtere sich, seine Glieder würden unkontrolliert zittern.

podcast-image

Putin – "spätestens 2023" nicht mehr im Amt

Auch das amerikanische Nachrichtenmagazin "Newsweek" berichtet unter Verweis auf ein US-Geheimdienstdossier, Putin sei im April in einer Spezialklinik behandelt worden. Bei ihm habe eine „fortgeschrittene Krebserkrankung“ vorgelegen. Doch soll sich der Kreml-Chef erholt haben.

Weit aus dem Fenster hatte sich ein früherer Chef des britischen Geheimdienstes gelehnt, Richard Dearlove; auf der Basis der selben Informationsquelle? "Spätestens 2023" sei Putin weg, legte er sich fest.

Auch Vorurteile sind Fakten, mit denen man umgehen muss. Die Gerüchte haben so eine Dynamik angenommen, dass sich Russlands Außenminister Sergej Lawrow genötigt sah, sie zu dementieren. Er glaube nicht, "dass vernünftige Menschen in dieser Person Anzeichen für irgendeine Art von Krankheit oder Gebrechen sehen können", sagte er einem französischem Sender.

Zu Beginn der Invasion wurde überwiegend über den Gemüts- und Geisteszustand des Präsidenten diskutiert. Der US-Geheimdienst glaubte zu wissen, dass der Kriegsherr "wütend" und "frustriert" sei.

Putins Krankheiten: Geleaktes Gespräch eines Oligarchen

Dann ging ein Video im Netz viral, in dem sich Putin minutenlang krampfhaft mit einer Hand an einer Tischecke festhielt – wie um ein Zittern zu unterdrücken. Das heizte die alten Gerüchte über eine Parkinson-Erkrankung neu an.

Lesen Sie auch: Wie krank ist Putin? Video sorgt für Spekulationen

Seit Jahren bröckelt das Selbstbild des starken Mannes. Wahlweise wurde über Parkinson, Lepra und Krebs geredet. Nachvollziehbar sind die Recherchen eines russischen Portals: Die Journalisten publizierten Daten und Informationen zu dem Ärzte-Team, das Putin behandelt. Ihnen fiel die regelmäßige Betreuung durch einen Onkologen und zwei Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten auf, darunter ein Experte für Schilddrüsenkrebs.

Zuletzt sorgten geleakte Tonbandaufnahmen eines russischen Oligarchen für Aufsehen, über die das US-Magazin "New Lines" berichtete. Putin sei "sehr krank" und leide an "schwerem Blutkrebs", plauderte der Oligarch.

Sind Spekulationen über Putin Teil eines Informationskrieges?

Im Oktober wird Putin 70 Jahre alt. Die Zeiten, in denen er sich als Alphatier inszenierte, gern oberkörperfrei, sind vorbei. Auf die zur Schau gestellten Männlichkeit folgte ab 2021 eine nicht weniger toxische Phase.

Da sprach er der Ukraine in einem Geschichtsaufsatz jedes Recht auf Souveränität ab. Schon damals war zu spüren, dass sich Putin um sein Erbe sorgte, um seine Seite im Geschichtsbuch. Inzwischen hat sich der Eindruck verfestigt, dass Putin die Zeit davon läuft, womöglich auch aus gesundheitlichen Gründen. Längst wird über Nachfolger spekuliert. Am häufigsten fällt der Name Nikolai Patruschew; ein Ex-Geheimdienstchef.

Patruschew gehört schon lange zum engsten Kreis um den russischen Präsidenten. Er gilt als radikal und europafeindlicher Hardliner. Aber: Er ist bereits 70 Jahre alt und damit sogar noch ein Jahr älter als Putin.

Einmal ins Sanatorium – ohne Rückfahrkarte?

Nichts lässt sich bestätigen. Schon in normalen Zeiten war Putins Gesundheitszustand ein Staatsgeheimnis, teils mit absurden Details. Nach Beginn der Invasion jedoch tobt ein Informationskrieg. Womöglich ist der Wunsch, Putin zu überleben, Vater der Diagnose.

Richard Dearlove sagt voraus, Putin werde spätestens 2023 von der Bildfläche verschwunden sein. Er werde wahrscheinlich ins Sanatorium gehen, aber dieses "nicht als Herrscher Russlands verlassen". Das immerhin lässt sich überprüfen.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de