Berlin. Dieser skrupellose Agent ist der Mann hinter Putins Ideen. Laut Berichten könnte Nikolai Patruschew zeitweise zum Kremlchef aufrücken.

  • Wladimir Putins Gesundheitszustand sorgt für viele Diskussionen
  • Nun gibt es Berichte über neue gesundheitliche Probleme
  • Das lässt die Frage aufkommen, was passiert, wenn Putin (zeitweise) ersetzt werden sollte

Im inneren Machtzirkel von Russlands Präsident Wladimir Putin ist Nikolai Patruschew einer der härtesten Hardliner. Als früherer Geheimdienstchef soll Patruschew den Mord an einem Putin-Kritiker und Terorranschläge im Tschetschenienkrieg abgesegnet haben. In seinem Weltbild führt Russland einen Überlebenskampf gegen den Westen. Vor wenigen Tagen sagte der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates den Zerfall der Ukraine in mehrere Staaten voraus. Wird ausgerechnet der skrupellose Patruschew bald auf Putins Präsidentenstuhl sitzen?

In britischen Medienberichten heißt es, Patruschew solle demnächst vorübergehend die Präsidentengeschäfte führen – weil sich Putin einer Krebsoperation unterziehen müsse. Gerüchte um den Gesundheitszustand des 69-jährigen Putin gibt es seit längerem, der Wahrheitsgehalt lässt sich schwer überprüfen. Aber ein Fernsehauftritt zusammen mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu, bei dem sich Putin ständig am Tisch festklammerte, heizte die Spekulationen zuletzt an. Immer wieder heißt es, Putin habe Krebs, angeblich an der Schilddrüse. Der Kreml weist solche Berichte beharrlich zurück.

Putin: Patruschew ist sein langjähriger Vertrauter

Doch aus welchem Grund auch immer: Wenn Putin ausfällt, wäre Patruschew wohl tatsächlich sein favorisierter Vertreter im Präsidentenamt. Der 70-Jährige ist ein langjähriger Putin-Vertrauter, absolut loyal und mithin kein Konkurrent – er wäre für eine dauerhafte Machtübernahme wohl auch zu alt.

Dafür übertrifft der raubeinige Ex-Agent sogar Putin noch im Hass auf den Westen: Der Westen wolle Russland zerstören und auslöschen, behauptet Patruschew in Interviews. Sein Einfluss auf Putin soll groß sein, er gehört mit Verteidigungsminister Schoigu und FSB-Chef Alexander Bortnikow zum engsten Zirkel.

Patruschew ist wie Putin in Leningrad (heute wieder St. Petersburg) geboren, hat einen Doktor der Philosophie, machte Karriere im sowjetischen Geheimdienst KGB.

Russlands Präsident Wladimir Putin
Russlands Präsident Wladimir Putin © dpa | Alexander Zemlianichenko

Schon in den 70er Jahren lernte er dort Putin kennen, sie arbeiteten zusammen in der Spionageabwehr des Leningrader KGB. „Er ist ziemlich einfach gestrickt, ein Sowjet der alten Schule“, zitiert die frühere Moskauer Financial Times-Korrespondentin Catherine Bolton in ihrem Buch „Putins Netz“ einen Weggefährten. „Er will die Sowjetunion, aber mit Kapitalismus“.

Der trinkfeste Patruschew sei rücksichtslos und unerbittlich und habe oft keinen Satz herausgebracht, ohne dabei zu fluchen, so berichtet Bolton unter Berufung auf das Umfeld. Er sei schon ein harter Hund gewesen, als Putin noch liberaler auftrat. Patruschew sei dabei schon immer ein Ideologe gewesen, der das Russische Reich zurückwolle und wirklich an den Wiederaufbau des Reiches glaube. Von ihm habe Putin „die ganzen Ideen“, so der Weggefährte.

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    Als Putin 1999 Ministerpräsident wurde, übernahm Patruschew von ihm das Amt als Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. In seine Amtszeit fiel der Tschetschenienkrieg, in dem der FSB mehrere Terroranschläge verübt hat. Und der Gift-Mord an Putin-Kritiker und Geheimdienst-Überläufer Alexander Litwinenko 2006 in London, der dem FSB zugeschrieben wird. 2008 wurde Patruschew Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, er koordiniert also den gesamten Sicherheitsapparat.

    In diesem Amt trug er wohl maßgeblich mit dazu bei, dass Putin und der enge Führungszirkel eine immer feindseligere Haltung gegenüber dem Westen und der Nato entwickelten. Schon 2015 verbreitete Patruschew die These, die USA wollten Sibirien abspalten und sich russische Rohstoffe sichern. Russland kämpft in diesen düsteren Verschwörungstheorien um seine Existenz: Der Westen habe es auf seine Rohstoffe abgesehen und versuche, es im Innern zu schwächen, Oppositionelle zu instrumentalisieren und Nachbarländer wie die Ukraine dem russischen Einfluss zu entreißen.

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    So gilt Patruschew Kreml-Beobachtern als „Falke der Falken“. Das hindert ihn nicht daran, Kontakt mit den USA zu halten: Sein Counterpart ist unter anderem Jake Sullivan, Joe Bidens Nationaler Sicherheitsberater, mit dem Patruschew auch nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs hatte Kontakt hatte. Noch im Januar, wenige Wochen vor dem Überfall auf die Ukraine, behauptete Patruschew allerdings: „Wir wollen keinen Krieg, wir brauchen ihn überhaupt nicht.“

    Bei den Russland unterstellten Kriegsabsichten handele es sich um eine „komplette Absurdität“. Inzwischen erklärt der Sicherheitsrats-Sekretär, die USA wollten aus der Ukraine einen Gegenpol zu Russland machen, was zwangsläufig zur Aufspaltung des Landes führen werde: „Das Ergebnis des Westens und des von ihm kontrollierten Kiewer Regimes kann nur zum Zerfall der Ukraine in mehrere Staaten führen“, meint Patruschew.

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