Berlin . Lange schwieg der Kanzler zu seiner Ukraine-Politik. Inzwischen funkt Scholz auf allen Kanälen. Was hat er im neuen Interview zu sagen?

Bundeskanzler Olaf Scholz vermittelte lange den Eindruck, er müsse sich und seine Politik im Ukraine-Krieg nicht erklären. Inzwischen hat der Kanzler eine 180-Grad-Wende hingelegt und gibt in kurzer Folge mehrere lange Interviews, erst im "Spiegel", dann in der "Welt", im ZDF und jetzt im "Stern".

Dazwischen stellte sich der SPD-Kanzler einer DGB-Kundgebung zum 1. Mai – kein einfaches Pflaster, um den Bruch mit jahrzehntelangen Glaubenssätzen deutscher Außenpolitik zu erklären. Der Kanzler – so der Eindruck – kommuniziert inzwischen auf allen Kanälen. Was hat der Kanzler diesmal zu sagen?

Scholz will einen Atomkrieg verhindern

Scholz‘ Handeln als Bundeskanzler steht in der Ukraine-Krise unter dem Leitsatz: "Es darf keinen Atomkrieg geben." Was er damit meint: Die Nato darf nicht in einen Krieg mit Russland gezogen werden. Darunter aber müsse Deutschland "alles dafür tun, dass so schnell wie möglich die Waffen schweigen und Russland seine Truppen aus der Ukraine zurückzieht", sagte der Kanzler dem "Stern".

Die Drohungen Russlands mit einem Atomschlag seien zwar ernst zu nehmen. Direkt in einem Telefonat mit Nuklearwaffen gedroht habe Putin Deutschland aber nicht: "Das ist Unfug."

Im "Spiegel" hatte sich Scholz an dieser Stelle noch weniger klar ausgedrückt und davon gesprochen, Putin stehe "unter gewaltigem Druck". Damit rechtfertigte Scholz die scheinbar zögerliche Haltung der Bundesregierung, die Ukraine mit der Lieferung schwerer Waffensysteme zu unterstützen.

Gleichzeitig beharrte Scholz weiter darauf, sich schlechten Umfragewerten und Kritik nicht irritieren oder antreiben zu lassen. Er habe einen Eid geschworen und werde sich "von nichts und niemandem dazu treiben lassen, etwas Unbesonnenes zu tun". Anders, so Scholz, "geht es nicht".

Scholz muss die Waffenlieferungen erklären

Den Vorwurf, in der Frage der Waffenlieferungen nicht klar zu kommunizieren, wies Scholz erneut zurück. Die Entscheidung, Waffen an die Ukraine zu liefern sei unmissverständlich gewesen. Ebenso wie die Entscheidung, sich eng mit den Partnern der Bundesrepublik abzustimmen und "sorgfältig abgewogene Schritte zur weiteren Unterstützung der Ukraine zu tun". Seinen Satz, "Ich mache keine Alleingänge, zu keiner Zeit" verstehe jeder und jede, sagte der Kanzler dem "Stern".

Die Lieferung der "Gepard"-Flakpanzer sieht Scholz in diesem Zusammenhang als Teil eines "von Beginn an" klaren Kurses der Bundesregierung. Zuerst sei geliefert worden, was bei "der Bundeswehr entbehrlich war". Gleichzeitig habe man bei der Rüstungsindustrie gefragt, was schnell verfügbar sei. Zudem verwies der Kanzler auf den Ringtausch mit europäischen Nato-Verbündeten. Was Deutschland liefere orientiere sich "am Verlauf des Krieges und an dem, was unsere Verbündeten leisten".

So ähnlich hatte sich Scholz zuletzt unter anderem im ZDF-Interview geäußert, als er sagte Deutschland liefere, was die Bestände der Bundeswehr und Industrie hergäben und tausche außerdem Kriegsgerät mit Verbündeten, das dann die Ukraine erhält.

Zum konkreten Fall der "Geparden" erklärte Scholz im "Stern", die Lieferung sei mit Blick auf die "aktuelle Gefechtssituation" entschieden worden. Die ukrainischen Verbände benötigten "mehr Schutz vor Angriffen aus der Luft".

Was ist das Ziel der Unterstützung?

Immer wieder musste sich Scholz in den letzten Wochen auch Fragen lassen, was denn das Ziel deutscher – westlicher – Unterstützung für die Ukraine sei, ob das Land den Krieg gewinnen, einen Sieg erringen müsse? Scholz wiederholte, was er zuvor dem "Spiegel" und im ZDF gesagt hatte: "Unser aller Ziel ist es, das er (Putin, d. Red.) mit seinem Plan nicht durchkommt und dass die Ukraine ihre Integrität und Souveränität verteidigen kann."

Dabei könne am Ende nur die Ukraine mit Russland verhandeln, "niemand sonst". Deutschland werde dabei beraten und unterstützen, gemeinsam mit anderen Ländern. Vereinbarungen mit Putin könnten jedoch nur Präsident, Parlament und Bürgerinnen und Bürger der Ukraine schließen.

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    Es bleiben Fragen offen

    Der Kanzler scheint seine Lektion aus den vergangenen Wochen gelernt zu haben. Wo nach der Zeitenwende-Rede Ende Februar der Eindruck entstanden war, Scholz habe es nicht nötig, seine Politik weiter zu erklären und ducke sich weg, ist er nun in der Offensive. Er gibt dabei im Wesentlichen deckungsgleiche Antworten in den einzelnen Interviews und geht auf Entwicklungen, wie die "Gepard"-Lieferung, ein.

    Bei alledem bleibt Scholz allerdings auch entscheidende Details schuldig. Warum die Lieferung der "Gepard"-Panzer etwa erst nach Beginn der neuerlichen russischen Offensive beschlossen werden konnte und nicht viel früher, als die ukrainischen Streitkräfte ebenfalls Luftabwehr benötigt hätten, bleibt weiter unklar.

    Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

    Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de.