London/Berlin. Roger Hallam, Mitgründer von Extinction Rebellion, nannte den Holocaust „fast ein normales Ereignis“. Sein deutscher Verlag reagierte.

Es sind Aussagen, die viele Kritiker auf den Plan gerufen haben: Der Mitgründer der Umweltbewegung Extinction Rebellion hat den Holocaust als „fast normales Ereignis“ in der Menschheitsgeschichte bezeichnet. „Tatsache ist, dass in unserer Geschichte Millionen von Menschen unter schlimmen Umständen regelmäßig umgebracht worden sind“, sagte der Brite Roger Hallam der „Zeit“.

Für ihn sei der Holocaust „nur ein weiterer Scheiß in der Menschheitsgeschichte“. Seine Äußerungen stießen auf harsche Kritik in Deutschland; der Ullstein Verlag stoppte noch am Mittwoch die Auslieferung des neuen Buchs von Hallam an deutsche Buchläden.

Genozide habe es in den vergangenen 500 Jahren immer wieder gegeben, sagte Hallam. „Um ehrlich zu sein, könnte man sagen: Das ist fast ein normales Ereignis.“ Als Beispiele nannte der 53-Jährige Gräueltaten in China und im Kongo: „Die Belgier sind im späten 19. Jahrhundert in den Kongo und haben ihn dezimiert.“ Er wisse, dass es unterschiedliche Debatten darüber gebe, ob der Holocaust einzigartig sei oder nicht. Für ihn sei die Sache klar.

Ullstein Verlag stoppt Zusammenarbeit mit „Extinction Rebellion“-Gründer

Der Ullstein Verlag distanzierte sich umgehend von Hallam. „Die Auslieferung des Buches wurde mit sofortiger Wirkung gestoppt“, teilte der Verlag in Berlin mit. Das Werk mit dem Titel „Common Sense. Die gewaltfreie Rebellion gegen die Klimakatastrophe und für das Überleben der Menschheit“ sollte eigentlich am 26. November in die deutschen Buchläden kommen.

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Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) reagierte empört: „Der Holocaust ist mehr als Millionen Tote und grausame Foltermethoden. Jüdinnen und Juden industriell zu ermorden und ausrotten zu wollen, ist einzigartig unmenschlich. Das muss uns immer bewusst sein, damit wir sicherstellen: nie wieder!“, schrieb er auf Twitter.

Lisa Neubauer von Fridays for Future über Hallam: „Irrsinnige Worte“

Extinction Rebellion Deutschland distanzierte sich von Hallam und sprach von „verharmlosenden und relativierenden Äußerungen zum Holocaust“. Er sei bei der Bewegung in Deutschland nicht mehr willkommen.

Auch Lisa Neubauer, die bekannteste Vertreterin der Klimaschutzbewegung Fridays for Future in Deutschland, kritisierte Hallam scharf: „Das sind irrsinnige Worte, denen ich in keinerlei Hinsicht zustimme“, sagte sie „Bild“.

Armin Laschet spricht von „inakzeptablem Gerede“

Ein Demonstrant hält seine Hand mit dem Logo der Klima- und Umweltschutzgruppe Extinction Rebellion (XR) hoch.
Ein Demonstrant hält seine Hand mit dem Logo der Klima- und Umweltschutzgruppe Extinction Rebellion (XR) hoch. © dpa | Dominic Lipinski

Der Bundesvorsitzende der Grünen, Robert Habeck, forderte auch andere Ableger von Extinction Rebellion (XR) dazu auf, sich von Hallam loszusagen. Die Bewegung „muss sich in Gänze glasklar von ihm distanzieren“, sagte Habeck der „Bild“-Zeitung.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprach auf Twitter von „inakzeptablem Gerede“ Hallams, das den Holocaust relativiere. „Warum dieses antisemitische und rechtsradikale Framing, wenn es doch angeblich um Klimaschutz geht?“

Extinction Rebellion ist in Großbritannien entstanden und macht mit Protestaktionen für den Klimaschutz inzwischen in vielen Ländern auf sich aufmerksam. Hallam, der im britischen Landesteil Wales lebt, ist das bekannteste Gesicht der Bewegung. Er ist Soziologe und Biobauer.

Im September wurde Hallam festgenommen, weil er angekündigt hatte, am Airport London-Heathrow eine Drohne fliegen zu lassen. Er wollte den Flugverkehr stören und so gegen den Bau einer dritten Startbahn protestieren. Der Flugverkehr trägt zur Klimaerwärmung bei. In Berlin störte Extinction Rebellion im Oktober den Berufsverkehr.

Hallam begründete seinen Gesetzesbruch damals damit, mehr Aufmerksamkeit zu schaffen. „Wenn eine Gesellschaft so unmoralisch handelt, wird Demokratie irrelevant. Dann kann es nur noch direkte Aktionen geben, um das zu stoppen“, hatte er „Spiegel Online“ gesagt. (dpa/les)