Berlin. Soll jeder vierte im Mittelmeer gerettete Flüchtling nach Deutschland kommen? Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus hält dagegen.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus hat sich von dem Vorhaben von Innenminister Horst Seehofer distanziert, jeden vierten im Mittelmeer geretteten Flüchtling in Deutschland aufzunehmen. „Wir dürfen Schlepperorganisationen nicht ermutigen, mehr zu machen“, sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion.

„Das war eine Initiative des Innenministers, nicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Wir werden uns die Pläne von Horst Seehofer daher sehr genau anschauen.“

Das C im Parteinamen gebiete, Menschen aus Seenot zu retten. „Das andere ist die Frage, welches Signal man sendet, wenn man pauschal 25 Prozent der geretteten Flüchtlinge aufnehmen will“, betonte Brinkhaus.

Dagegen stellte sich Brinkhaus hinter die Ankündigung Seehofers, die Schleierfahndung an allen deutschen Grenzen zu intensivieren. „Der Innenminister handelt auf der Basis der aktuellen Lagebeurteilung“, sagte er. „Ich habe volles Zutrauen in Horst Seehofer, dass seine Entscheidung zur Schleierfahndung richtig und notwendig ist.“ Auch ein Großteil der Deutschen befürwortet schärfere Grenzkontrollen.

Brinkhaus: CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer „Zeit geben“

Brinkhaus warb für Geduld mit der in die Kritik geratenen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. „Wir sollten Annegret Kramp-Karrenbauer die Zeit geben, die sie braucht, um ihre Spielidee umzusetzen“, sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion. „Viele Dinge, die sie angestoßen hat, können noch gar keine Wirkung entfalten. Ich empfehle Gelassenheit.“

Mit Blick auf den Umgang Kramp-Karrenbauers mit dem YouTuber Rezo und dem CDU-Rechtsausleger Hans-Georg Maaßen sagte Brinkhaus: „Fehler machen wir alle. Es kommt auf das große Ganze an.“ Die Frage, ob sich Kramp-Karrenbauer als mögliche Kanzlerkandidatin disqualifiziert habe, verneinte der Fraktionschef.

Zugleich äußerte er sich skeptisch über die Idee, den nächsten Kanzlerkandidaten der Union in einer Urwahl zu bestimmen. „Bei uns ist die Konstruktion mit den Schwesterparteien CDU und CSU etwas komplexer als bei Grünen oder SPD“, sagte er. „CDU und CSU verständigen sich gemeinsam über die Kanzlerkandidatur.“

Berichte über ein angespanntes Verhältnis zwischen Kramp-Karrenbauer und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte Brinkhaus nicht bestätigen. „Man sollte aus einer Mücke keinen Elefanten machen und die Belastungsfähigkeit der Beziehung zwischen Kanzlerin und Parteichefin nicht an einem getrennten Flug in die USA festmachen“, sagte er. „Ich sitze ja mit beiden oft zusammen, und ich erlebe, dass sie gut zusammenarbeiten.“

Grundrente „eins zu eins nach den Vorgaben des Koalitionsvertrags“

Im Koalitionsstreit um die Grundrente zeigte sich Brinkhaus unnachgiebig. „Wir wollen keine Grundrente mit der Gießkanne, sondern zielgenau auf Bedürftige zugeschnitten“, sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion. „Ich stehe dafür, dass wir den Koalitionsvertrag umsetzen.“

Die Union sei von der SPD auch bedrängt worden, den Solidaritätszuschlag eins zu eins nach den Vorgaben des Koalitionsvertrags abzubauen. „Ich erwarte, dass wir bei der Grundrente genauso verfahren. Das ist eine Frage des gegenseitigen Respekts.“

Im Koalitionsvertrag ist eine sogenannte Bedürftigkeitsprüfung verankert. Brinkhaus wies Berichte über eine Annäherung zwischen Union und SPD zurück. „Es gibt keinen Kompromissvorschlag, der mit der Unionsfraktion abgestimmt ist“, sagte er. „Mich irritiert, dass alle zwei Wochen verbreitet wird, der Kompromiss sei da. Das macht die Lösung nicht leichter.“

Lesen Sie hier das Interview mit Ralph Brinkhaus in voller Länge.

Kompromissbereit beim Klimapaket

Im Streit um das Programm der Bundesregierung zum Klimaschutz signalisierte Brinkhaus Kompromissbereitschaft. Das Klimapaket müsse in den Grundzügen „unabhängig von den jeweiligen Mehrheitsverhältnissen die nächsten Jahrzehnte Bestand haben, sonst wirkt es nicht“, sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion.

„Wir werden daher für unser Konzept werben, aber nicht nach dem Prinzip ‚Friss oder stirb‘.“ Zugleich rief Brinkhaus die Kritiker des Klimapakets auf, sich ebenfalls zu bewegen und „nicht die reine Lehre“ zu vertreten.

„Mich würde erst einmal interessieren, was die Grünen überhaupt wollen“, sagte er. „Da wird auf einer Flughöhe von 10.000 Metern gesagt, es muss teurer werden, und wir wollen verbieten. Alle Kritiker müssen jetzt ganz konkret auf den Tisch legen: Was soll bis wann wie teuer werden? Was wollen sie den Menschen verbieten?“

Brinkhaus mahnte, das Klimapaket nicht über die Köpfe der Menschen hinweg zu beschließen. „Wenn wir es falsch machen, dann wird die Klimafrage das Land genauso spalten wie die Migrationsfrage“, sagte er. „Und wir brauchen keinen Migrationsstreit 2.0.“

Ausdrücklich verteidigte Brinkhaus die von der Koalition beabsichtigte Erhöhung der Pendlerpauschale. „Uns geht es darum, einen Ausgleich zu schaffen für Fernpendler. Das betrifft insbesondere den ländlichen Raum. Das ist besser, als jedem Bürger eine Klimaprämie auszuzahlen“, sagte er mit Blick auf entsprechende Pläne der Grünen. „Darüber freut sich der Stadtbewohner, der sie weniger braucht, am meisten. Das halte ich für unfair.“

Warnung vor schwarz-grünen Illusionen

Brinkhaus warnte seine Partei vor Illusionen über ein schwarz-grünes Bündnis. „Es gibt natürlich auch bei uns den einen oder anderen, der Schwarz-Grün ganz großartig findet. Aber wir müssen auch mal gucken, was uns von den Grünen trennt“, sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion.

„Wir haben viele Unterschiede: beim Klimaschutz, in der Außenpolitik, bei der Inneren Sicherheit, in der Wirtschaftspolitik, bei Technologie und Innovationen, in der Steuerpolitik.“ Schwarz-Grün sei „keine Koalition, in der sich alle lieb haben“, so Brinkhaus. „Schwarz-Grün wäre anders als die große Koalition, aber nicht leichter.“

Er finde es „befremdlich, dass ständig über irgendwelche Bündnisse nach der großen Koalition spekuliert wird“, fügte der Fraktionsvorsitzende hinzu. „Die Union jedenfalls steht zum Koalitionsvertrag – und wir möchten bis 2021 in dieser Regierung weitermachen.“

Die Grünen müssten die Frage beantworten, ob sie tatsächlich die die Breite der Bevölkerung vertreten wollen – gerade auch beim Klimaschutz. „Die Union sagt: Ja, wir machen das, aber wir wollen die Menschen – auch die kritischen – mitnehmen. Wir arbeiten eben nicht nach dem Motto: Wenn die Menschen nicht kapieren, was wir wollen, dann geben wir ihnen Verbote und hohe Preise.“

In Deutschland gebe es „eine Tendenz zu Spartenparteien, die sehr unversöhnlich darum kämpfen, dass genau die Interessen ihres Klientels bedient werden“, kritisierte Brinkhaus. „Das tut Deutschland nicht gut.“