Wien. Sebastian Kurz hat mit der ÖVP klar die Wahl in Österreich geworden. Für die FPÖ ist es ein bitterer Tag. Die Grünen jubilieren dafür.

„Kanzler Kurz“, „Kanzler Kurz“, „Kanzler Kurz“ rufen die Anhänger der ÖVP in der Parteizentrale in Wien. Der Jubel ist so groß, dass Generalsekretär Karl Nehammer sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Die Konservativen unter Parteichef Sebastian Kurz haben fast sechs Prozentpunkte dazugewonnen und liegen bei gut 37 Prozent der Stimmen. Klar ist, dass das nicht nur ein Auftrag ist, die Regierung anzuführen. Dahinter steckt vor allem ein Schub für Kurz, der die Wähler überzeugt und mobilisiert hatte.

Bei den Konservativen sprach man von einem „historischen Tag für die ÖVP“. Die Wähler hätten den Umstand, dass Kurz im Mai infolge eines Misstrauensvotums der sozialdemokratischen SPÖ und der rechtspopulistischen FPÖ gestürzt worden war, „niedergestimmt“.

„Die Wähler haben sie gestraft“, sagte Nehammer und verwies stolz darauf, dass die Volkspartei den größten Vorsprung zwischen der ersten und zweiten Partei erreicht habe, den es in Österreich jemals bei Parlamentswahlen gab. Auf Koalitionsspekulationen wollte sich Nehammer am Sonntag aber nicht einlassen. „Das ist der Tag für Sebastian Kurz“, betonte er.

Österreich wählt neues Parlament: Die erste Hochrechnung:

  • ÖVP klarer Sieger – 37,2 Prozent der Stimmen. Das ist ein Plus von 5,7 Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl 2017.
  • Platz 2: 22 Prozent für die SPÖ, ein heftiegr Verlust
  • Noch mehr Stimmen musste die FPÖ abgeben – 16 Prozent
  • 14,3 Prozent für die Grünen – klarer Zugewinn
  • 7,4 Prozent wählten NEOS

Tatsächlich kamen die Sozialdemokraten nur auf rund 22 Prozent der Stimmen. Die SPÖ unter Pamela Rendi-Wagner verlor damit fast fünf Prozentpunkte. Damit haben allerdings alle in der Partei seit Langem gerechnet. Die Enttäuschung hielt sich deshalb in Grenzen.

Dennoch: Es war das historisch schlechteste Ergebnis der früher erfolgreichen Kanzlerpartei, die die zweite Republik maßgeblich geprägt hatte. Personelle Konsequenzen für die Wahlniederlage wurden vorerst ausgeschlossen.

Bei den Grünen herrschte hingegen überschäumende Partystimmung. Viele Menschen lagen sich im „Metropol“ in Wien in den Armen. Die Grünen fuhren mit mehr als 14 Prozent der Stimmen das bisher beste Ergebnis der Partei auf nationaler Ebene ein. Sie feierten ein eindrucksvolles politisches Comeback, nachdem sie 2017 noch an der Vier-Prozent-Hürde gescheitert waren.

Grünen ziehen beinahe mit den Freiheitlichen gleich

Nun werden die Grünen beinahe so stark vertreten sein wie die Freiheitlichen. Sie können mit mindestens 27 der 183 Mandate im Parlament rechnen, die Freiheitlichen mit rund 30 Sitzen – ein Minus von mehr als 20 Mandaten. Der grüne Wahlkampfmanager Thimo Fiesel zeigte sich sofort bereit, in Sondierungsgespräche mit der ÖVP einzusteigen.

Eine türkis-grüne Regierung gibt es bereits im Bundesland Tirol. Fiesel stellte aber sofort Koalitionsbedingungen: „Wir sind nicht bereit, den Kurs von Sebastian Kurz weiterzumachen.“ Kurz müsse sich entscheiden, welchen Weg er weiter gehen würde. Tatsächlich hat das grüne und das türkise Parteiprogramm wenig Überschneidungen. Die Grünen wollen eine Öko-Steuer, Kurz hatte eine solche im Wahlkampf ausgeschlossen.

Das wirklich Überraschende an dem Wahlsonntag war, dass nun rein rechnerisch auch eine Zweierkoalition zwischen Konservativen und Grünen möglich ist. Gemeinsam kommen die beiden Parteien den Hochrechnungen zufolge auf 98 der 183 Mandate im Parlament.

Die Umfragen vor der Wahl hatten noch ein anderes Bild ergeben. Demnach hatte man damit gerechnet, dass sich außer der Wiederauflage einer Koalition zwischen ÖVP und FPÖ nur eine „Dirndl“-Allianz als Alternative anbieten würde. Ein Dreier-Bündnis aus türkiser ÖVP, Grünen und pinken Neos wäre das österreichische Gegenstück zu einer Jamaika-Koalition in Deutschland.

Neos nicht so wirklich erfreut

Deshalb war man vor allem bei den Neos über die Ergebnisse nicht so wirklich erfreut, obwohl die Liberalen mehr als zwei Prozentpunkte zulegen konnten und die Sieben-Prozent-Marke übersprangen. Für Kurz würden sich theoretisch sogar die Szenarien für drei Zweierkoalitionen ergeben.

Er könnte mit der FPÖ, den Grünen und der SPÖ zusammenarbeiten. Nur mit den liberalen Neos allein würde es nicht reichen. Für Kurz wäre dies die Wunsch-Konstellation. Die Neos wollen trotzdem gemeinsam mit der ÖVP und den Grünen eine Dreierkoalition bilden.

Bei der FPÖ war die Stimmung am Sonntag auf dem Tiefpunkt. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky war der Stress anzumerken. Nach dem Absturz auf rund 16 Prozent – ein Minus von um die zehn Prozentpunkten – plädierte Vilimsky dafür, in die Opposition zu gehen. „Das ist kein klarer Auftrag, die Koalition fortzusetzen“, sagte er.

„Auftrag der Wähler für einen Neustart der Partei“

Auch andere Stimmen in der Partei erklärten, das enttäuschende Ergebnis sei ein „Auftrag des Wählers für einen Neustart der Partei“. Von Selbstkritik war allerdings nichts zu spüren. Stattdessen verwies man auf die Medien als Sündenbock: Sie seien für das schlechte Abschneiden der Rechten verantwortlich.

Vom Verlust der Freiheitlichen konnte vor allem die ÖVP profitieren – die Wähler wanderten offenbar von Blau zu Türkis. Insofern ist die Wahlkampf-Strategie von Kurz, im rechten Lager nach Stimmen zu fischen, aufgegangen. Bis kurz vor der Parlamentswahl hatte die FPÖ noch bei rund 20 Prozent gelegen.

Das schlechte Resultat lag vor allem am Spesenskandal des ehemaligen Parteivorsitzenden Heinz-Christian Strache. Der hatte die FPÖ-Wähler offenbar mehr aufgeregt als das im Mai veröffentlichte Ibiza-Video. In dem hatte Strache einer angeblichen Oligarchen-Nichte Regierungsaufträge gegen Gefälligkeiten in Aussicht gestellt.

Strache soll private Ausgaben über FPÖ-Konto bezahlt haben

Strache wird nun vorgeworfen, sich auf Kosten seiner eigenen Partei mittels Spesenabrechnungen bereichert zu haben. Zwei ehemalige Mitarbeiter von Strache, seine Büroleiterin – die bereits ihr Mandat niedergelegt hat – und sein ehemaliger Leibwächter wurden einvernommen. Sie werden verdächtigt, private Ausgaben von Strache – Restaurantbesuche und Kleidung – über ein Spesenkonto der Partei abgerechnet zu haben.

Die FPÖ-Wähler verstörte allerdings auch, dass Strache sich offenbar vom „kleinen Mann“ – der Kernklientel der Partei – entfernt hatte. Er hatte eine Kreditkarte zur freien Verwendung von der FPÖ, ein Spesenkonto über 10.000 Euro pro Monat und bekam einen Mietzuschuss.

Gerade weil die FPÖ-Wähler oft kleinere Einkommen haben, sind viele verärgert über den Ex-Chef, der offenbar in Saus und Braus lebte. Strache und die FPÖ inszenierten sich zudem immer als Saubermänner-Partei. Ihre Anhänger sind nun berechtigterweise enttäuscht. Nach der Wahl will der neue Parteichef Norbert Hofer zum Spesenskandal Stellung nehmen.

Die Liste Jetzt von Peter Pilz schaffte den Wiedereinzug ins österreichische Parlament nicht mehr.

Österreich: Die Grüne für die Neuwahl

Kurz ist im Mai wegen der Ibiza-Affäre durch ein Misstrauensvotum des Parlaments nach 18 Monaten im Amt gestürzt worden. Am 17. Mai hatten „Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel“ Video-Aufnahmen veröffentlicht, die Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Christian Strache im Sommer 2017 im Gespräch mit der vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen zeigen.

Österreich- wem der rücktritt heinz-christian straches nützt

Die Ibiza-Affäre hatte Strache massiv in Misskredit gebracht, inzwischen wird auch wegen des Verdachts der Untreue gegen ihn ermittelt. Es gibt Anhaltspunkte, dass er sich private Rechnungen von der Partei bezahlen ließ.

Umfragen hatten die ÖVP mit rund 34 Prozent der Stimmen die Wahl deutlich gewinnen sehen, das Ergebnis wurde sogar getoppt.