Wien. Trotz der Ibiza-Affäre und rechtsextremer Ausfälle will die Mehrheit der Österreicher, dass die ÖVP und die FPÖ wieder regieren sollen.

„Unser Verhältnis war nie ein Problem“, sagt Sebastian Kurz zum Duzfreund Norbert Hofer. Er sei inhaltlich sehr stolz auf die Zusammenarbeit zwischen der ÖVP und der FPÖ, meint Altkanzler Kurz kürzlich im ORF zum neuen FPÖ-Chef Hofer. „Es ist richtig, dass wir sehr gut zusammen gearbeitet haben“, antwortet der Norbert dem Sebastian.

Umso wichtiger sei es, den Optimismus und die Aufbruchsstimmung angesichts der Rezession, die über Deutschland komme, weiterzuführen. Kurz meint, er werde sich anschauen, welcher Flügel sich in der FPÖ durchsetzen werde, und dann entscheiden. Er wünsche sich jedenfalls eine ordentliche Mitte-rechts-Politik. Es gehe auch um den Schutz der Identität Österreichs.

Steuersenkungen, keine CO2-Steuer: ÖVP und FPÖ bei vielem einig

Hört man den beiden Parteichefs zu, dann scheint eine Neuauflage der alten Regierung aus Konservativen und Rechtspopulisten bereits ausgemacht. Die Mehrheit dürften sie bei der Parlamentswahl am 29. September jedenfalls bekommen. In Umfragen liegt die ÖVP bei etwa 34 Prozent, die Freiheitlichen liegen bei 20 Prozent.

Aber nicht nur rechnerisch, auch inhaltlich ist eine Koalition zwischen den beiden Parteien am logischsten. Der Politologe Peter Filzmaier erklärt etwa, dass bei 26 Themenfragen ÖVP und FPÖ zu mehr als 80 Prozent übereinstimmen würden. Sie wollen beide Steuersenkungen, keine CO2-Steuer und keine Erbschaftssteuer.

Gegen eine Neuauflage der alten Regierungszusammenarbeit sprechen für Kurz nur die Skandale, FPÖ-Postenschacher, Korruptionsneigung, rechtsextreme Ausfälle. Kurz kann nicht garantieren, dass diese sich nicht wiederholen. Nun hat allerdings Hofer die FPÖ-Führung übernommen.

Mischung aus diffuser Wut und Selbstgerechtigkeit

Im Gegensatz zu Vorgänger Heinz-Christian Strache giert Hofer nicht so nach Anerkennung und ist deshalb weniger fehleranfällig. Er geht auf die Wünsche der ÖVP ein und sichert gleichzeitig in der eigenen Partei seine Macht. Strache hat er bereits völlig fallengelassen. Der hatte mit einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte über möglicherweise illegale Spenden an parteinahe Vereine und über Staatsaufträge, die er ihr zuschanzen würde, in angeregtem Zustand parliert.

Von dem Treffen wurde heimlich ein Video aufgenommen – von wem, das ist bis heute nicht ganz geklärt. Über den Skandal zerbrach die Regierung.

Der FPÖ haben auch die „Einzelfälle“ – so wird die Liste der rechtsextremen Ausfälle in Österreich ironisch genannt – ohnehin nie geschadet. Sie werden auch jetzt wieder die Blauen wählen, weil diese Partei ihr Lebensgefühl trifft: eine Mischung aus diffuser Wut, Selbstgerechtigkeit, Aggressivität und Muslimenfeindlichkeit. „In Anbetracht der Massenmigration aus der Türkei nach Europa, droht auch in Österreich in absehbarer Zeit ein neuer Grenzsturm“, sagte Hofer, der gerne nächster Außenminister werden möchte, nun kurz vor der Parlamentswahl.

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Kurz widerspricht sich – und will ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen

Doch auch Kurz macht Identitätspolitik und gibt damit Österreichern mit bestimmten kulturellen Merkmalen den Vorzug vor anderen. So fordert er ein „klares Bekenntnis zu unserer Kultur und Tradition“. Dazu gehöre das Symbol des Kreuzes in den Klassenzimmern und ein Fortführen der christlichen Traditionen.

Gleichzeitig will Kurz ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen und argumentiert damit, dass es religiös neutrale Orte geben sollte. Die beiden Argumente widersprechen einander natürlich. Aber das ist egal, solange es gut ankommt.

Wenn es rechnerisch klappen würde, wären für Sebastian Kurz, abgesehen von der FPÖ, nur die liberalen Neos noch attraktiver – die Partei hat keinerlei Skandale produziert, sondern steht für Transparenz und Modernität. Doch den Umfragen zufolge werden die Neos nur auf acht bis neun Prozent der Stimmen kommen. Für eine Koalition mit der Kurz-ÖVP, die bei etwa 35 Prozent liegt, dürfte es also kaum reichen.

Kommt es zur Dirndl-Koalition mit den Grünen?

Möglich wäre allenfalls eine sogenannte Dirndl-Koalition zwischen den pinken Neos, der türkisen ÖVP und den Grünen. Aber auch zwischen der ÖVP und den Grünen gibt es sehr große inhaltliche Unterschiede. Die Grünen-Parteiführung ist zwar pragmatisch, dort ist auch eine Mehrheit für eine Zusammenarbeit mit den Konservativen, aber an der Basis gibt es große Antipathie für die Kurz-Truppe. Mit der alten ÖVP, wie sie vor der Obmannschaft von Kurz bestand, wäre eine Zusammenarbeit mit den Grünen sicherlich leichter gewesen.

Die Grünen liegen in den Umfragen zurzeit bei etwa elf Prozent – doch die Umfragen sind für die Klimaschutz-Partei immer schon besser gewesen als die tatsächlichen Ergebnisse.

SPÖ stagniert – und bleibt konsequent bei ihrem Anti-Kurz-Kurs

Eines aber scheint relativ klar: Die Roten werden nicht Teil der nächsten Koalition sein. Das hat auch viel mit der Vergangenheit zu tun. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner hat ein schwieriges Erbe angetreten. In der SPÖ gibt es kaum jemanden, der dem Team unter Sebastian Kurz über den Weg traut.

Der Grund: Die Kurz-Truppe hatte 2017 die Koalition mit den Roten gesprengt. Obwohl sich Rendi-Wagner einsetzt, kommen die Sozialdemokraten auch nicht vom Fleck, sondern liegen in Umfragen nur knapp vor der Freiheitlichen Partei bei etwa 22 Prozent.