Berlin. Ein Kopftuchverbot für Kinder wäre laut einem Gutachten in Deutschland rechtens. Die Union will das Thema in den Bundestag bringen.

Nachdem ein Gutachter ein Kopftuchverbot für Mädchen auch in Deutschland für generell möglich hält, will sich nun die Politik des Themas annehmen. Politiker von CDU und CSU wollen es schon nach der Sommerpause im Bundestag angehen.

Der für Religionsthemen zuständige Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Christoph de Vries (CDU), sagte der Deutschen Presse-Agentur, man erwarte nun im September die Ergebnisse eines weiteren Gutachtens durch den Würzburger Staatsrechtler Kyrill-Alexander Schwarz und werde „dann im Anschluss die Diskussion in der Bundestagsfraktion starten“.

Der Tübinger Verfassungsrechtler Martin Nettesheim hatte in einem Gutachten für die Frauenrechte-Organisation Terre des Femmes ein Kopftuchverbot in Grundschulen für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt.

Kopftuchverbot für Mädchen: CDU nennt Gutachten „ermutigend“

De Vries hatte dieses Gutachten gemeinsam mit anderen Politikern seiner Fraktion in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse der bereits seit Donnerstag vorliegenden rechtlichen Prüfung durch Nettesheim nannte er ein „ermutigendes Zeichen“.

In der 42-seitigen Stellungnahme argumentiert der Jurist Nettesheim für ein „Kinderkopftuch“-Verbot an Schulen für Mädchen unter 14. Dieses wäre seiner Ansicht nach sowohl vereinbar mit der grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit als auch mit dem grundgesetzlich geschützten Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder.

Nettesheim verweist auf Artikel 7 des Grundgesetzes, wonach das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates steht und darauf, dass Kinder „noch nicht die Reife haben, in Glaubens- und Weltanschauungsfragen selbstbestimmt entscheiden zu können“.

Kopftuch könne zu sozialer Ausgrenzung führen

Ein Verbot, in der Schule bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres eine „religiös konnotierte Kopfbedeckung zu tragen“, ließe sich „als Maßnahme rechtfertigen, die der Verwirklichung der in Artikel 7 vorgezeichneten und vom Schulgesetzgeber ausgestalteten Erziehungs- und Bildungsziele dient. Es wäre auch verhältnismäßig“, schreibt der Verfassungsrechtler.

Das Kopftuch sei ständig sichtbarer Ausweis der Religionszugehörigkeit. „Derartige Bekleidung“ führe zu Segmentierung und Trennung, lasse gerade bei jungen Menschen Vorstellungen von Unterschiedlichkeit aufkommen und führe gegebenenfalls auch zur sozialen Ausgrenzung und zur Diskriminierung. In der Schule geht es nach Ansicht von Nettesheim auch um „Erziehung zur Freiheit“.

Unterschiede von Burka, Niqab und Co.

Burka, Niqab, Hidschab: In der islamischen Welt tragen Frauen verschiedene Verschleierungen. Sie unterscheiden sich stark voneinander. Die extremste Form der Verschleierung ist die Burka. Das Ganzkörpergewand, das die Augen mit Stoff verdeckt, ist vor allem in Afghanistan und Pakistan verbreitet. In Afghanistan sind die Burkas meist blau, sie werden aber auch in anderen Farben gefertigt. Am meisten verbreitet in europäischen Ländern sind...
Burka, Niqab, Hidschab: In der islamischen Welt tragen Frauen verschiedene Verschleierungen. Sie unterscheiden sich stark voneinander. Die extremste Form der Verschleierung ist die Burka. Das Ganzkörpergewand, das die Augen mit Stoff verdeckt, ist vor allem in Afghanistan und Pakistan verbreitet. In Afghanistan sind die Burkas meist blau, sie werden aber auch in anderen Farben gefertigt. Am meisten verbreitet in europäischen Ländern sind... © imago/Paulo Amorim | imago stock&people
... die schwarzen Burkas. Die Vollverschleierung dient auch dazu, ärmere Kleidung zu verbergen. Bis zum Ende der Taliban-Herrschaft in Afghanistan galt eine Burka-Pflicht. Trotzdem verlassen die meisten Frauen das Haus nach wie vor nicht ohne die Verschleierung.
... die schwarzen Burkas. Die Vollverschleierung dient auch dazu, ärmere Kleidung zu verbergen. Bis zum Ende der Taliban-Herrschaft in Afghanistan galt eine Burka-Pflicht. Trotzdem verlassen die meisten Frauen das Haus nach wie vor nicht ohne die Verschleierung. © REUTERS | © Gonzalo Fuentes / Reuters
Das zweite traditionelle Kleidungsstück der Vollverschleierung ist der sogenannte Niqab. Der Unterschied zur Burka besteht darin, dass die Augenpartie sichtbar ist. Seinen Ursprung hat der Niqab in der Beduinen-Kultur auf der Arabischen Halbinsel, er diente in erster Linie als Sonnenschutz. Es gibt wie auch bei den anderen Kleidungsstücken diverse Variationen. Der einfache Niqab wird hinter dem Kopf verknotet, eine andere Variante wird mit einem Stirnband befestigt. Vor allem...
Das zweite traditionelle Kleidungsstück der Vollverschleierung ist der sogenannte Niqab. Der Unterschied zur Burka besteht darin, dass die Augenpartie sichtbar ist. Seinen Ursprung hat der Niqab in der Beduinen-Kultur auf der Arabischen Halbinsel, er diente in erster Linie als Sonnenschutz. Es gibt wie auch bei den anderen Kleidungsstücken diverse Variationen. Der einfache Niqab wird hinter dem Kopf verknotet, eine andere Variante wird mit einem Stirnband befestigt. Vor allem... © Gwendoline Le Goff / PanoramiC
... in Ägypten, Syrien, Jordanien und dem Irak tragen Frauen den Niqab. Aber auch in anderen nordafrikanischen Ländern ist die Vollverschleierung verbreitet. Die Verbote in den europäischen Ländern betreffen die Burka und auch die Niqabs – und somit alle Formen der Vollverschleierung. Der Niqab wird gewöhnlich kombiniert mit dem sogenannten Tschador. Dieser wird auch allein getragen, ...
... in Ägypten, Syrien, Jordanien und dem Irak tragen Frauen den Niqab. Aber auch in anderen nordafrikanischen Ländern ist die Vollverschleierung verbreitet. Die Verbote in den europäischen Ländern betreffen die Burka und auch die Niqabs – und somit alle Formen der Vollverschleierung. Der Niqab wird gewöhnlich kombiniert mit dem sogenannten Tschador. Dieser wird auch allein getragen, ... © dpa | Boris Roessler
... so dass die Frauen sehr viel mehr Gesicht zeigen. Der Tschador ist vor allem im Iran verbreitet. Die Frauen tragen diesen Umhang um Kopf und Körper, wobei die Motive dafür ganz unterschiedlich sind. Für einige Berufszweige ist diese Verschleierung sogar verpflichtend, zum Beispiel in Schulen.
... so dass die Frauen sehr viel mehr Gesicht zeigen. Der Tschador ist vor allem im Iran verbreitet. Die Frauen tragen diesen Umhang um Kopf und Körper, wobei die Motive dafür ganz unterschiedlich sind. Für einige Berufszweige ist diese Verschleierung sogar verpflichtend, zum Beispiel in Schulen. © imago / Xinhua
Vor der islamischen Revolution galt im Iran vorübergehend ein Verbot des Hijabs und somit jeglicher Verschleierung. Später durften Frauen nur noch mit Hijab für staatliche Institutionen arbeiten und letztlich wurde der Tschador für alle Mädchen und Frauen ab neun Jahren verpflichtend eingeführt.
Vor der islamischen Revolution galt im Iran vorübergehend ein Verbot des Hijabs und somit jeglicher Verschleierung. Später durften Frauen nur noch mit Hijab für staatliche Institutionen arbeiten und letztlich wurde der Tschador für alle Mädchen und Frauen ab neun Jahren verpflichtend eingeführt. © imago/JOKER | imago stock&people
Der Hidschab, das Kopftuch, ist die häufigste Form der Verschleierung. Ein einfaches Kopftuch bedeckt Haare, Ohren und den Hals. In zahlreichen muslimischen Ländern ist diese Form der Verschleierung Pflicht.
Der Hidschab, das Kopftuch, ist die häufigste Form der Verschleierung. Ein einfaches Kopftuch bedeckt Haare, Ohren und den Hals. In zahlreichen muslimischen Ländern ist diese Form der Verschleierung Pflicht. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Für viele Frauen ist das Kopftuch nicht nur Bekenntnis zu ihrer Religion, sondern auch ein Ausdruck von Modebewusstsein.
Für viele Frauen ist das Kopftuch nicht nur Bekenntnis zu ihrer Religion, sondern auch ein Ausdruck von Modebewusstsein. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
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Mehrheit der Deutschen für Kopftuchverbot an Grundschulen

Die Debatte über ein Kopftuchverbot war in Deutschland neu entbrannt, nachdem Österreichs Parlament Mitte Mai ein Kopftuchverbot an Grundschulen beschlossen hatte. Eine Mehrheit der Bevölkerung (57 Prozent) hatte sich in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für ein Verbot an Grundschulen auch in Deutschland ausgesprochen.

Die Frauenrechte-Organisation Terre des Femmes, die das nun vorliegende Gutachten in Auftrag gegeben hatte, fordert von der Bundesregierung, dies umzusetzen. „Die Verschleierung von Mädchen ist keine harmlose religiöse Bedeckung des Kopfes“, heißt es zur Begründung.

Sie stelle eine geschlechtsspezifische Diskriminierung dar und konditioniere Mädchen in einem Ausmaß, dass sie das Kopftuch später nicht mehr ablegen könnten.

Weiteres Rechtsgutachten der Union im Herbst

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte sich gegen Kopftücher in Kindergärten und Grundschulen ausgesprochen. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), wollte ein solches Verbot prüfen. Mehrere Unionsabgeordnete haben zudem ebenfalls ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das im Herbst vorliegen soll.

Es gibt aber auch viele skeptische Stimmen: Der Präsident der Kultusministerkonferenz, der hessische Bildungsminister Alexander Lorz (CDU) und der Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange der Religionsgemeinschaften, Lars Castellucci, hatten im Zuge der Debatte auf die Religionsfreiheit verwiesen und darauf, dass es in Deutschland nur wenige Kinder mit Kopftuch gebe.

Kritik von Islamverbänden: Fälle im „Promillebereich“

Islamverbände kritisierten die Diskussion als „Islambashing“ und als „Symboldebatte“. Es handele sich um Fälle im „Promillebereich“. Zudem wiesen sie daraufhin, dass die religiöse Pflicht für das Tragen eines Kopftuchs erst „ab der religiösen Mündigkeit, also ab der Pubertät“ gelte.

Kopftuch, Burka, Niqab und Co. sind immer wieder Anlass für Diskussionen. Anfang des Jahres verbot ein Fitnessstudio in Hannover einer Frau das Training mit Kopftuch. Ungefähr zur gleichen Zeit verbot die Kieler Uni Burka und Niqab in Lehrveranstaltungen.

Auch der EuGH befasst sich mit dem Thema Kopftuch-Verbot: Dürfen Chefs über Kleidung bestimmen?

(dpa/cho/les)