Berlin. Die Bundesregierung hält sich die Beteiligung an einer Marine-Mission am Golf offen. Eine Absage gab es für die Iran-Strategie der USA.

Zwischen Berlin, Brüssel und Paris glühen in diesen Tagen die Telefondrähte. Viele Diplomaten fragen sich: Was will der neue britische Premierminister Boris Johnson am Persischen Golf?

Die alte Regierung hat eine europäische Marine-Mission zum Schutz von Handelsschiffen in der Golfregion angeregt. Seit den Sabotage-Akten gegen Öltanker im Mai und im Juni und seit der Kaperung der unter britischer Flagge fahrenden „Stena Impero“ durch iranische Kräfte sind Politik und Wirtschaft verunsichert.

Aus London kämen gemischte Signale, heißt es in verschiedenen europäischen Hauptstädten. Es könne sein, dass Johnson an der Idee eines europäischen Marine-Einsatzes festhalte, vermuten einige. Andere sehen hingegen Anzeichen, dass die Briten eine Einzelaktion vorbereiteten. Wieder andere glauben, dass Johnson britische Kriegsschiffe für eine internationale Koalition am Golf unter Führung der Amerikaner abstellen wolle.

USA fragen nach Schiffen für eine Anti-Iran-Allianz

Die USA schmieden derzeit an einer Anti-Iran-Allianz: In der Operation „Sentinel“ (Wachposten) sollen Militärschiffe aus verschiedenen Ländern Öltanker am Golf eskortieren. Am vergangenen Donnerstag fragten amerikanische Militärs im Zentralkommando der Vereinigten Staaten (Centcom) in Tampa im US-Bundesstaat Florida die Vertreter verbündeter Länder, ob sie Schiffe oder Flugzeuge zur Verfügung stellen könnten. Aus Deutschland habe es keine Zusage gegeben, heißt es in deutschen Regierungskreisen.

Auch in Berlin rätselt man über den Kurs der Briten. Für Freitagabend war ein erstes Telefonat zwischen Außenminister Heiko Maas (SPD) und seinem neuen britischen Amtskollegen Dominic Raab geplant.

„Gerade mit der neuen britischen Regierung sind wir in Kontakt, um zu erfahren, wie sie sich positioniert. Die Planungen stehen aber noch am Anfang“, sagte Maas unserer Redaktion. Die Bundesregierung halte sich die Beteiligung an einer Marine-Mission am Golf offen.

Welche Punkte für die Bundesregierung zunächst geklärt sein müssen

Maas stellt jedoch Bedingungen. „Ob Deutschland sich beteiligt, wird man erst dann entscheiden können, wenn wir Klarheit über die Gestaltung einer solchen Mission haben.“ Für die Bundesregierung müssen mehrere Punkte geklärt werden. Zunächst geht es um die Frage, welches Mandat ein Marine-Einsatz hätte – eines im Rahmen der Vereinten Nationen oder der EU? Danach sei wichtig, ob es sich um eine Aufklärungsmission oder im Notfall auch um einen Kampfauftrag handele.

Darüber hinaus legt die Bundesregierung Wert darauf, dass eine eventuelle Marine-Mission als rein europäisches Vorhaben durchgeführt werde. Die Diplomatie habe nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn Deutschland, Frankreich und Großbritannien an einem Strang zögen, so Maas. „An der amerikanischen Strategie des ‚maximalen Drucks‘ beteiligen wir uns nicht“, betonte der Außenminister. „Unser Engagement vor Ort muss ein europäisches Gesicht haben.“

USA fordern: Iran soll für immer auf Nuklearwaffen verzichten

US-Präsident Donald Trump hat im Mai 2018 das internationale Atomabkommen mit dem Iran gekündigt. Er will durch harsche Sanktionen einen neuen Vertrag erzwingen. Teheran soll nicht nur für immer auf Nuklearwaffen verzichten. Das Regime soll auch sein Raketenprogramm sowie die Unterstützung von schiitischen Milizen zwischen dem Libanon und dem Jemen einstellen.

Im Iran wird dieser Kurs scharf kritisiert. „Die Amerikaner trommeln für eine internationale Militär-Allianz am Golf, um unsere Ölexporte gegen null zu fahren. Sie wollen uns damit den Hals zuschnüren“, sagte ein hochrangiger Diplomat.

Bundestag müsste Entsendung von Bundeswehr zustimmen

Maas will nicht nur die Europäer, sondern auch die Akteure in Nahost einbinden. Mit Frankreich und Großbritannien spreche die Bundesregierung darüber, wie man die Staaten der Region zum Thema maritime Sicherheit an einen Tisch bekommen könne. „Davor sind noch dicke diplomatische Bretter zu bohren, aber um ungewollte Eskalationen zu vermeiden, braucht es funktionierende Gesprächskanäle und einen Dialog über gemeinsame Regeln.“

Die Bundesmarine hat derzeit keine Schiffe am Persischen Golf. Sollte sich Deutschland an einem Einsatz in der Region beteiligen, könnte die Bundeswehr grundsätzlich Korvetten, Fregatten, Aufklärungsflugzeuge und Satellitenaufklärung zur Verfügung stellen. Nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz muss der Bundestag einer Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zustimmen.

Deutsche Seeschifffahrt sieht Marine-Einsatz am Golf kritisch

Im Gegensatz zu Deutschland sind Frankreich und Großbritannien militärisch bereits in der Region präsent. Frankreich unterhält seit zehn Jahren einen Stützpunkt in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Großbritannien ist 2018 nach einer fast 50-jährigen Abwesenheit auf eine Basis im Golfstaat Bahrain zurückgekehrt.

In der deutschen Seeschifffahrt sieht man einen Marine-Einsatz am Golf skeptisch. Die britische Idee einer Mission zum Schutz der Handelsschiffe sei zwar „nachvollziehbar“, sagte Ralf Nagel, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbandes Deutscher Reeder, unserer Redaktion. „Aber unserer Ansicht nach gilt der Primat der Diplomatie – vor allen Überlegungen über mögliche Marine-Einsätze.“

Kaum Manövrierraum für Handels- und Kriegsschiffe gleichzeitig

Nach Angaben des Reederverbandes befinden sich derzeit 20 bis 30 Schiffe unter deutschem Management im Persischen Golf und im Golf von Oman. Durch die Straße von Hormus, die beide Gewässer verbindet, fließt ein Fünftel der weltweiten Öltransporte. Die Meerenge, die an ihrer schmalsten Stelle rund 3,5 Kilometer an navigierbarem Wasser aufweist, sei ein „Flaschenhals“, erklärte Nagel.

„Der Manövrierraum für Handels- und Kriegsschiffe in internationalen Gewässern ist äußerst begrenzt.“ Und: „Je mehr Kriegsschiffe im Persischen Golf unterwegs sind, desto stärker steigt die Gefahr einer Eskalation.“

Der Golf-Konflikt wird intensiver. Warum die Iran-Krise so gefährlich ist. London hatte zuletzt Strafmaßnahmen gegen den Iran erwogen, nachdem ein Öltanker gestoppt und die Crew verhaftet worden war.