Berlin. Die EU bemüht sich zaghaft, ein Gegengewicht zu den Trumps dieser Welt zu bilden. Die neueste Prüfung: der Konflikt am Persischen Golf.

Der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte einen Traum: Europa müsse „weltpolitikfähig“ werden, predigte der Luxemburger während der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2018. Der Wunsch war umso verständlicher, als dass die internationale Politik immer mehr in den Sog autokratischer Staats- und Regierungschefs geriet: Donald Trump, Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan und Xi Jinping führten die Riege an. Zwischen Washington und Peking dominiert an vielen Orten Basta-Politik.

„Weltpolitikfähig“ ist Europa noch lange nicht. Doch die EU bemüht sich zaghaft, zumindest ein Gegengewicht zu den Politik-Zampanos zu bilden. Vor allem die Regierungen in Frankreich, Großbritannien und Deutschland stimmen sich in allen wichtigen außenpolitischen Fragen sehr eng ab.

Iran-Konflikt: EU will sich nicht abhängig von USA machen

Insbesondere im Atom-Streit zwischen den USA und dem Iran setzten die EU 3 auf Deeskalation und Diplomatie. Ungeachtet des Brexit-Kurses: Die in der vergangenen Woche abgetretene britische Premierministerin Theresa May bildete in der Außen- und Sicherheitspolitik einen Schulterschluss mit den Europäern.

Ihr Außenminister Jeremy Hunt sagte klipp und klar: Die Europäer gingen deshalb so sehr auf Tuchfühlung, um sich nicht von der „Strategie des maximalen Drucks“ der Amerikaner abhängig zu machen. Das gelte auch angesichts der jüngsten Sabotageakte am Golf. Wenn dort Öltanker zur Sicherheit des freien Handels von Kriegsschiffen eskortiert werden müssten, dann bitte innerhalb einer europäischen Mission. Die Europäer sollten nicht unter der Oberhoheit der USA agieren, die eine eigene Marine-Mission „Sentinel“ („Wachposten“) in der Region planen.

Boris Johnson und Donald Trump sind Brüder im Geiste

Dieser europäische Gleichklang ist unter dem frisch gekürten britischen Premier Boris Johnson nicht mehr sicher. Die Regierung in London hat sich zwar mit Blick auf den Iran noch nicht offiziell geäußert. Doch aus verschiedenen europäischen Hauptstädten heißt es, es gebe gemischte Signale.

Die Gefahr, dass Johnson nicht nur beim Brexit, sondern auch auch in der Außenpolitik zum Spaltpilz wird, ist real. Er und Trump sind Brüder im Geiste. Beide werden von Egomanie, Populismus und Nationalismus getrieben. Johnsons Lobeshymnen auf Großbritannien, dessen Spitzenstellung in Wirtschaft und Wissenschaft erinnern sehr an die Großmannssucht auf der anderen Seite des Atlantiks.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Johnson könnte enden wie einst Tony Blair

Eine Anlehnung des Briten an den Amerikaner dürfte daher nicht überraschen. Dieser Kurs wäre riskant. Trump hat sich in eine Anti-Teheran-Obsession verbissen. Er will die Mullahs in die Knie zwingen. Sein Kalkül: harsche Wirtschaftssanktionen, Zusammenbruch des Regimes.

Schielt Johnson zu sehr nach Washington, würde er sich von der Eskalationsstrategie des Amerikaners abhängig machen. Es wäre das Modell Tony Blair: Der ehemalige britische Premier folgte US-Präsident George W. Bush in dessen Anti-Terror-Kampagne – bis in den Irak-Krieg 2003.

Marine-Mission der Europäer nur als letztes Mittel

Dies kann nicht der Weg der EU sein. Die Gemeinschaft hat sich zur Deeskalation im ohnehin politisch aufgeheizten Nahen Osten verpflichtet. Die Lage zwischen dem Iran, den arabischen Golfstaaten, Israel und Amerika ist derart kompliziert, dass es zumindest einer Instanz bedarf, die die Gesprächskanäle nach allen Seiten offen hält.

Der Schutz der Handelsschiffe am Persischen Golf wäre eigentlich in erster Linie eine Angelegenheit der Anrainerstaaten. Die Einberufung einer Nahost-Konferenz, bei der alle beteiligten Länder am Tisch sitzen, würde derzeit am meisten Sinn machen. Eine Marine-Mission der Europäer wäre das letzte Mittel.