Berlin . US-Präsident Trump droht im Atom-Konflikt, Teheran stellt ein Ultimatum, die Europäer appellieren und mahnen. Und suchen nach Auswegen.

Vor knapp 16 Jahren schlug die große Stunde der europäischen Di­plomatie. Im Oktober 2003 flogen der deutsche Außenminister Joschka Fischer und seine Amtskollegen aus Frankreich und Großbritannien, Dominique de Villepin und Jack Straw, nach Teheran. Ihre Mission war höchst anspruchsvoll: Sie wollten im Atomstreit zwischen dem Iran und den USA vermitteln und die Regionalmacht von ihren Kernwaffen-Plänen abbringen.

Der Trip war der Startschuss für einen zwölfjährigen Verhandlungsmarathon. 2015 stand das Nuklearabkommen zwischen dem Iran, den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates und Deutschland. Das Mullah-Regime verabschiedete sich von seinen atomaren Militärplänen und ließ internationale Inspektionen zu.

US-Präsident Trump handelt mit der Brechstange

Damals hieß der US-Präsident Barack Obama. Der war stark an einer Entspannung der seit 1979 stark belasteten amerikanisch-iranischen Beziehungen interessiert. Heute heißt der US-Präsident Donald Trump. Der bezeichnete den Nuklear-Vertrag als den „schlechtesten Deal aller Zeiten“ und verkündete den Ausstieg seines Landes aus dem Abkommen.

Zudem hat Trump die US-Sanktionen gerade noch einmal verschärft. Sein Ziel: Der Iran soll nicht nur seine Atom-Ambitionen für alle Ewigkeit aufgeben, sondern auch sein Raketen-Programm einstellen und seine Beziehungen zu schiitischen Milizen zwischen dem Libanon und dem Jemen kappen. Als Drohkulisse entsandten die Amerikaner den Flugzeugträger „USS Abraham Lincoln“ und eine Bomberstaffel Richtung Iran.

Die EU scheint im Iran-Konflikt machtlos

Teheran reagierte postwendend. Präsident Hassan Rohani stellte den fünf verbleibenden Vertragspartnern ein 60-tägiges Ultimatum. Entweder sie setzten ihre Zusagen um, die Öl- und Bankensektoren des Iran vor US-Sanktionen zu schützen. Oder sein Land werde eine höhere Anreicherung des Nuklearbombenstoffs Uran wieder aufnehmen. Auch eine Kündigung des Vertrags wird nicht ausgeschlossen.

Die EU-Staaten Frankreich, Deutschland und Großbritannien (EU3), die Geburtshelfer der Übereinkunft mit dem Iran, verfügen über keine Hebelwirkung. Es bleibt bei Appellen, Wünschen, Mahnungen.

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Finstere Szenarien werden durchgespielt

„Wir fordern den Iran mit Nachdruck auf, seinen Verpflichtungen aus dem Abkommen wie bisher in vollem Umfang nachzukommen und eskalierende Schritte zu unterlassen“, hieß es in einem Aufruf der EU-Außenbeauftragten Federica Mo­gherini und der EU3-Außenminister.

Doch zwischen Paris, London und Berlin glühen derzeit die Telefondrähte. Man ist rat- und fassungslos. Verschiedene Szenarien werden durchgespielt. Eines von der finstersten Sorte ist die Venezuela-Variante. Radikale Kräfte wie die Revolutionsgarden könnten demnach die Macht an sich reißen und die Bevölkerung noch stärker unterdrücken.

Europa entwickelt Instex – eine Art Tauschhandel

Die Europäer hatten versucht, den Iran mit wirtschaftlichen Vorteilen zu ködern. Um einen Ersatz für das internationale Finanzsystem rund um den Dollar zu schaffen, gründeten sie die Zweckgesellschaft Instex. Dies ist ein Instrument für eine Art Tauschhandel. Theoretisches Modell: Der Iran exportiert Öl nach Italien und kann dafür Maschinen in Deutschland einkaufen.

Die juristische Ausgestaltung der Gesellschaft ist allerdings hochkomplex. So muss sichergestellt werden, dass das Vehikel nicht für Geldwäsche oder Terrorfinanzierung missbraucht werden kann. Im Sommer soll Instex einsatzbereit sein.

Deutsche Exporte in den Iran brechen um 52,6 Prozent ein

In der deutschen Wirtschaft ist Ernüchterung eingekehrt. Vor allem große Unternehmen haben im Iran nach den US-Sanktionen ihre Zelte abgebrochen. Für sie ist das US-Geschäft wichtiger. Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) sind die Exporte in den Iran im Januar und Februar 2019 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 52,6 Prozent auf rund 223 Millionen Euro eingebrochen. Die Importe sanken um 42,2 Prozent.

„Der Markt im Iran ist wegen der US-Sanktionen und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Land extrem schwierig“, sagte Dagmar von Bohnstein, Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Iran, unserer Redaktion. Derzeit hätten rund 60 deutsche Firmen eine Vertretung im Iran – etwa die Hälfte im Vergleich zu 2016. „Aber deutsche Firmen haben nach wir vor großes Interesse am iranischen Markt, der ein beträchtliches Potenzial bietet.“

Hintergrund: Deutsche Firmen – Wer leidet unter Trumps Iran-Sanktionen?

Doch für den Iran ist dies angesichts der US-Sanktionen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die EU3-Staaten befinden sich in einer Zwickmühle. Intern kursiert bereits ein Worst-Case-Szenario. Sollte Teheran tatsächlich aus dem Atomabkommen aussteigen, bleibt nur eines: Auch die Europäer müssten dann Strafmaßnahmen verhängen.

Baerbock: „Wegducken aus Angst vor US-Präsident Donald Trump hilft nicht“

Grünen-Chefin Annalena Baerbock fordert nun von der EU entschlossenes Handeln: „Wegducken aus Angst vor US-Präsident Donald Trump hilft nicht“, sagte sie unserer Redaktion. „Die Europäer müssen bei ihrem Außenministertreffen am Montag eine klare gemeinsame Linie festlegen“, so Baerbock.

Die Forderungen des Iran nach einer Umsetzung des Atomabkommens bezeichnete die Grünen-Vorsitzende als „legitim“. Die 60-Tage-Frist für neue Bedingungen sei allerdings „falsch“. (Michael Backfisch)