Berlin. Für viele deutsche Firmen könnte Trumps Aufkündigung des Atomabkommens weitreichende Konsequenzen haben. Auch Siemens ist betroffen.

Vergangene Woche haben die USA nach zwei Jahren das Atomabkommen mit dem Iran gekündigt und Sanktionen gegen das Land verhängt. Auch wenn die Europäer und Russland am Abkommen festhalten wollen, bedrohen die Sanktionen deutsche Firmen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

• Wie schwer treffen die US-Sanktionen gegen den Iran deutsche und europäische Firmen?

Ganz exakt lässt sich das noch nicht sagen. Die Formulierungen in den Merkblättern der US-Behörden sind noch zu ungenau, um die Betroffenen einzugrenzen. Die Sanktionen bedeuten nicht automatisch, dass gar keine Produkte mehr in den Iran geliefert werden dürfen. Außerdem sind Handelsbeziehungen zwischen europäischen Unternehmen und dem Iran nach hiesigem Recht erlaubt.

Betroffen sind die Firmen, die Geschäfte mit dem Regime in Teheran abwickeln, über einen Umweg. Wenn sie auch in den USA aktiv sind, können sie dort für Verstöße gegen das in den USA geltende Sanktionssystem bestraft werden. Im schlimmsten Fall werden sie vom US-Geschäft ganz ausgeschlossen. Nach derzeitigem Stand sind auch bereits bestehende Aufträge betroffen. Sie müssen spätestens in einem halben Jahr abgearbeitet oder beendet sein.

• Welche Unternehmen müssen aufpassen?

Siemens zum Beispiel. Erst 2016, die Sanktionen gegen den Iran waren gerade aufgehoben, sicherte sich der Konzern den lukrativen Auftrag, beim Bau von 50 Lokomotiven mitzuwirken. Der Flugzeugbauer Airbus könnte ebenfalls Probleme bekommen. Die Fluggesellschaft Iran Air hat 95 Maschinen geordert, erst eine ist ausgeliefert.

Betroffen sind auch mittelständische Maschinenbauer und Baufirmen. Die Unternehmen warten erst einmal ab. Auch in anderen europäischen Ländern sorgt sich die Wirtschaft. Allein das französische Mineralölunternehmen Total wollte fünf Milliarden Euro im Iran investieren.

• Warum ist der Iran ein wichtiger Handelspartner für Deutschland?

Die wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran sind überschaubar. Mit Exporten im Wert von knapp drei Milliarden Euro rangiert das Land nur auf Rang 50 der deutschen Exportpartner. Das war vor der islamischen Revolution 1979 noch anders. Traditionell gab es zuvor enge Beziehungen zwischen beiden Ländern.

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    Daran wollte die Wirtschaft nun wieder anknüpfen. Das Niveau ist zwar noch niedrig. Die Wachstumsraten waren mit einem Plus von 16 Prozent 2017 allerdings hoch. Perspektivisch ist der Iran mit seinen rund 80 Millionen Einwohnern ein interessanter Markt für die deutsche Wirtschaft.

    • Um welche Produkte geht es?

    Die Außenhandelsstatistik verdeutlicht eine große Kluft zwischen den Importen aus dem Iran und den Ausfuhren dorthin. Das Land verkauft vor allem Haselnüsse und Pistazien sowie Erdöl und Teppiche nach Deutschland. Umgekehrt stehen Autos, medizinische Hilfsmittel und Maschinen auf den oberen Plätzen der Rangliste.

    • Warum können die Firmen den US-Alleingang nicht ignorieren?

    Alleingänge wären für die meisten Firmen wohl riskant und oft auch nicht möglich. Denn dann müssten sie um ihr US-Geschäft bangen, das meist viel lu­krativer ist als das im Iran. Selbst wenn die Firmen gar keine Geschäftsbeziehungen mit Nordamerika pflegen, müssen sie mit Schwierigkeiten rechnen.

    Denn große Aufträge aus dem Iran sind in der Regel kreditfinanziert. Die Banken wären aber von den US-Sanktionen betroffen, wenn sie derlei Geschäfte finanzieren, entsprechend zurückhaltend handeln die Geldhäuser.

    • Welche Strafen drohen bei Verstößen gegen Sanktionen?

    Wie konsequent die Amerikaner ihr Sanktionssystem durchsetzen, erfuhren europäische Banken schon. Für Verstöße gegen die vor 2016 geltenden Sanktionen musste die französische BNP Paribas 9,5 Milliarden Euro Strafe bezahlen. Die Commerzbank einigte sich mit den US-Behörden auf fast 1,5 Milliarden Euro. Es kann noch schlimmer kommen: Der chinesische Elektronikkonzern ZTE ist gerade von der Pleite bedroht – wegen des Handelsstreits zwischen China und den USA.

    • Kann die Politik die hiesige Wirtschaft vor den Folgen eines Geschäftsboykotts schützen?

    Die großen Wirtschaftsverbände der Industrie fordern Rückendeckung durch die Bundesregierung. Die Unternehmen seien verunsichert, beklagt der Bundesverband der Deutschen Industrie. Und der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, verlangt ein geschlossenes Vorgehen von EU und Bundesregierung gegen den amerikanischen Alleingang bei der Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran. Doch eine rechtliche Handhabe gegen die Bedrohung für das Iran-Geschäft haben die Europäer nicht. Gegen die Entscheidung aus Washington ist nichts zu machen.

    „Gegen einseitige Maßnahmen haben wir keine Handlungsoptionen“, sagt ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums. Durch Gespräche mit allen am Atomabkommen Beteiligten und vor allem mit den USA will die Bundesregierung nun die wirtschaftlichen Folgen vermindern.

    • Warum sind die Europäer alarmiert, wenn es nur um ein vergleichsweise geringes Geschäftsvolumen geht?

    Die Wirtschaft braucht verlässliche Rahmenbedingungen. Die Politik des US-Präsidenten steht für das Gegenteil. Trump schert sich nicht um bestehende Abkommen. So sollen europäische Aluminium- und Stahlerzeugnisse mit Zöllen belegt werden – ein Bruch der Vereinbarungen bei der Welthandelsorganisation WTO. Nun folgte die Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran. Die Unternehmen fürchten, dass die transatlantische Partnerschaft auseinanderbricht.