Berlin. Der Bundestag berät in erster Lesung ein Einwanderungsgesetz – die Koalition brauchte lange dafür, die Opposition ist unzufrieden.

Bundesinnenminister Horst Seehofer wird sich diesen Donnerstag rot im Kalender anstreichen: Endlich konnte er das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Bundestag in erster Lesung vorstellen. Dafür bemühte der CSU-Politiker sogar die Geschichte, er sprach von einer „historischen Weichenstellung“. „Wir machen damit deutlich, dass wir die Fachkräftezuwanderung steuern wollen“, betonte der Bundesinnenminister. Das Kabinett hatte es bereits im Dezember 2018 beschlossen.

Schon der Einigung im Kabinett ging ein langes Ringen voraus, besonders zwischen dem CSU-geführten Innenministerium und dem Haus von Justizministerin Katarina Barley (SPD). Die Union verband das Gesetz außerdem mit dem Entwurf zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht. Dieses „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ soll nun in der kommenden Woche ebenfalls beraten werden.

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Innenpolitiker der Union forderten Nachbesserungen daran. Sie wollen unter anderem, dass Asylbewerber, die über ihre Identität täuschen, stärker sanktioniert und von Integrationsangeboten ausgeschlossen werden. Die Union hatte sich jahrelang gegen ein Zuwanderungsgesetz für Deutschland gesperrt. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatte sich zwar stets dafür eingesetzt, war aber intern deshalb heftig kritisiert worden.

Grüne und FDP halten Einwanderungsgesetz für unzureichend

Mit dem Gesetz, das nun zum 1. Januar 2020 in Kraft treten soll, sollen ausländische Fachkräfte nach Deutschland gelockt werden – für die Wirtschaft ein längst überfälliger Schritt. Politiker von Grünen und FDP kritisierten das Gesetz allerdings als unzureichend. Die Linke warf der Regierung vor, sich zu wenig um „Arbeit für alle“ zu kümmern. Die AfD hielt der Koalition dagegen vor, übermäßige Zuwanderung zu ermöglichen.

Zum Inhalt: Generell sollen in Deutschland Fachkräfte auch aus Staaten jenseits der EU arbeiten können, die über einen Arbeitsvertrag und eine anerkannte Qualifikation verfügen. Die Beschränkung auf Engpassberufe soll ebenso entfallen wie die Vorrangprüfung, ob nicht auch Deutsche oder EU-Bürger für die Stelle infrage kommen. Diese Prüfung soll aber kurzfristig regional wieder eingeführt werden können.

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Hoffnung für abgelehnte, aber integrierte Asylbewerber

Wer qualifiziert ist und gut Deutsch spricht, soll auch ohne Arbeitsvertrag befristet kommen dürfen, um sich einen Job zu suchen. Das war bisher nur für Hochschulabsolventen möglich. Die Regelung soll fünf Jahre erprobt werden.

Durch einen weiteren Gesetzentwurf sollen abgelehnte Asylbewerber mit Job eine Chance auf Daueraufenthalt bekommen. Dabei geht es um Ausländer, die eine Berufsausbildung aufnehmen oder ihren Lebensunterhalt selbst sichern und integriert sind. „Wir haben hier Leute, die wir richtig gut gebrauchen können“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Die Wirtschaft wartet sehnlich auf das Gesetz

Seehofer sagte, erreicht werden solle das „ganz wichtige politische Ziel“, legale Migration zu stärken und illegale zurückzudrängen. Die Wirtschaft fordert seit Langem erleichterten Fachkräftezugang. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks betonte: „Das Handwerk erwartet, dass das Gesetzgebungsverfahren jetzt ohne weitere inhaltliche Abstriche zügig durchgeführt wird.“ Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer hatte das Verschieben des Gesetzes immer gerügt und als „fatale Botschaft“ für den Wirtschaftsstandort bezeichnet.

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Für die konservative Werteunion ist das Vorhaben ein Gräuel: Das Gesetz koste die Union weiteres Wählervertrauen, sagte ihr Vorsitzender Alexander Mitsch. Auch in der Unionsfraktion gibt es Kritiker des Gesetzes, denen es hinsichtlich der Bestimmungen für Asylbewerber zu lasch ist.

Pro Asyl: Vom Gesetz profitieren zu wenige

Auch die Kommunen warnen davor, Ausländer bereits zur Suche nach einem Job oder Ausbildungsplatz ins Land zu lassen. „Die Gefahr, dass die Betroffenen bei ergebnisloser Suche nicht freiwillig ausreisen werden, ist zu groß“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, am Donnerstag.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisierte wiederum, dass wegen der vorgesehenen sechs- bis zwölfmonatigen Wartezeit nur wenige Geduldete von dem Gesetz profitieren werden.

(Kerstin Münstermann)