Berlin. Die Bundesregierung hat ein Gesetz beschlossen, mit dem Fachkräfte eingeladen werden. Ein zweites für geduldete Asylbewerber kommt.

Lange haben die beteiligten Minister über das Thema verhandelt. Nun sind sie sich einig, und die Erwartungen sind groß: Mit dem ersten Einwanderungsgesetz für Fachkräfte in der Geschichte der Bundesrepublik könnte das Wirtschaftswachstum nach Worten von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) um 0,5 bis ein Prozent höher ausfallen.

Voraussetzung: Nach Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2020 bleiben keine Arbeitsplätze wegen Fachkräftemangels unbesetzt. „Es ist ein Gesetz, das einlädt“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Es gehe um „Zuwanderung nicht in die Arbeitsämter, sondern in die Arbeitsplätze“, kommentierte Innenminister Horst Seehofer (CSU) das Ergebnis.

Zweites Gesetz ist in Arbeit

Zuvor hatte das Kabinett das Einwanderungsgesetz beschlossen. Gleichzeitig genehmigte die Ministerrunde ein weiteres, dazugehörendes Gesetz, mit dem abgelehnte aber geduldete Asylbewerber weiter beschäftigt werden können. Im Grundsatz sind sich CDU, CSU und SPD bei beiden Gesetzen einig.

An Details könnten aber durchaus noch Konflikte aufbrechen. Ob das Paragrafenwerk auch den Bundestag in der vorliegenden Form passieren wird, ist deshalb unklar. In der Union haben vor allem die Innenpolitiker Bedenken. Aber auch die Gewerkschaften sind noch nicht ganz zufrieden.

1,24 Millionen offenen Stellen

Das Gesetz zielt auf Fachkräfte aus Staaten außerhalb der Europäischen Union (EU), da innerhalb der EU Arbeitskräfte schon volle Freizügigkeit genießen. Qualifizierte Arbeitnehmer aus Drittstaaten sollen leichter einwandern können, um den von der Wirtschaft beklagten Fachkräftemangel zu lindern.

Zuletzt gab es in Deutschland nach einer Erhebung des IAB-Forschungsinstituts eine Rekordzahl von 1,24 Millionen offenen Stellen. Wer qualifiziert ist und gut Deutsch spricht, soll vom Jahr 2020 an auch ohne Arbeitsvertrag kommen dürfen, um sich einen Job zu suchen. Das war bisher nur für Hochschulabsolventen möglich.

Zahlreiche Bedingungen für Geduldete

Mit einem zweiten Gesetzentwurf wird eine sogenannte Beschäftigungsduldung für abgelehnte Asylbewerber eingeführt, die seit mindestens 18 Monaten einen sozialabgabenpflichtigen Arbeitsplatz haben. Ihnen droht dann für 30 Monate keine Abschiebung mehr. Das gilt auch dann, wenn sie nur als Küchenhilfe oder in einem anderen Job ohne Qualifikation arbeiten.

Nach diesen zweieinhalb Jahren sollen sie eine reguläre Aufenthaltserlaubnis erhalten können. Diese Regelung ist allerdings bis zum 30. Juni 2022 befristet. Die Beschäftigungsduldung ist außerdem an zahlreiche Bedingungen geknüpft: Der ausreisepflichtige Ausländer muss seit mindestens einem Jahr im Besitz einer Duldung sein. Er muss mindestens 18 Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein und mindestens 35 Stunden pro Woche gearbeitet haben (Alleinerziehende: 20 Stunden).

Betroffene müssen Identität offenlegen

Verlangt werden „hinreichende mündliche Kenntnisse der deutschen Sprache“. Und: Der oder die Betreffende muss „die erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen“ haben. Darauf hatten Innenpolitiker der Union Wert gelegt.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) kündigte trotzdem noch am Mittwoch „intensive“ Diskussionen an – vor allem im Hinblick auf die längerfristige Duldung von abgelehnten Asylbewerbern. Die Gewerkschaften warnten vor negativen Folgen für deutsche Beschäftigte.

Kritik vom Gewerkschaftsbund

Es werde „Tür und Tor für Lohndumping und Ausbeutung“ geöffnet, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach, denn die Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte sei an eine bestimmte Tätigkeit bei einem Arbeitgeber gebunden. Insgesamt sei das neue Gesetz nur an „kurzfristigen Unternehmensinteressen“ ausgerichtet.

Die Kommunen kritisierten das Einwanderungsgesetz als „Illusion“. „Das neue Gesetz werde in Teilen von Politik und Öffentlichkeit mit zu großen Erwartungen verbunden“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, unserer Redaktion. Der Fachkräftemangel werde allenfalls gemildert.

Kommunen fordern Nachqualifizierung

Landsberg plädierte für eine Stichtagsregelung für die „große Zahl von geduldeten Ausländern in Deutschland, die seit Jahren hier leben, arbeiten und gut integriert sind“. Viele Unternehmen würden sich dagegen wehren, „wenn diese Personen zur freiwilligen Ausreise angehalten oder sogar abgeschoben werden“.

Eine Stichtagsregelung würde dazu führen, dass „die Integrierten, die hier arbeiten, bleiben dürfen, ohne dass man einen weiteren Anreiz schafft, ohne Asylgrund nach Deutschland zu kommen“.

Die Kommunen drängen zudem darauf, rund 230.000 erwerbslose Personen unter 25 Jahren nachzuqualifizieren. Auch im EU-Ausland gebe es noch ein sehr hohes Potenzial, diese Personen in Deutschland weiter zu qualifizieren. (mit phn/rtr/dpa)