Berlin. Vor fünf Jahren annektierte Russland die Halbinsel Krim und brach damit das Völkerrecht. Der Gesprächsfaden darf aber nicht abreißen.

Kein Ereignis markiert den Klimasturz in den europäisch-russischen Beziehungen derart deutlich wie die Annexion der Krim durch Moskau im März 2014. Zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in Europa Grenzen mit Gewalt verändert.

Es war die Verletzung von bis dahin heiligen Prinzipien: In der Schlussakte von Helsinki 1975 hatten Ost und West vereinbart, die Grenzen zu respektieren und sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen.

Zuvor hatte man im Westen achtsam und misstrauisch Richtung Russland geblickt. Man wusste, dass Russland militärisch rabiat vorgehen konnte, wie die beiden Tschetschenienkriege und der Georgienkrieg gezeigt hatten. Doch der offene Bruch des Völkerrechts, die Einverleibung der Krim – die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 Teil der unabhängigen Ukraine war – galt im Westen als Warnzeichen.

In Russland galt die Annexion als „Heimholung“

Dabei hatte sich die verschärfte Drohkulisse Moskaus bereits zuvor angedeutet. Der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hatte das bereits paraphierte Assoziierungsabkommen mit der EU im November 2013 in letzter Minute abgeblasen. Wenige Wochen danach begannen die Proteste auf dem Maidan in Kiew.

In Russland ist die Lesart freilich eine andere. Die Demonstrationen in der ukrainischen Hauptstadt werden putschhungrigen Geheimdiensten aus westlichen Ländern in die Schuhe geschoben. Die Krim-Annexion gilt als „Heimholung“ auf der Basis eines Referendums.

Viel hat mit der russischen Innenpolitik zu tun

Doch in Osteuropa und im Baltikum wuchs schlagartig die Sorge, dass die Krim nur der Auftakt einer weiteren Aggression von Kremlchef Wladimir Putin sein könnte. Im Gefolge stationierte die Nato vier Bataillone in Estland, Lettland, Litauen und Polen. Das Bündnis wollte einen Zeichen setzen – eher symbolisch, aber als Warnung und Abschreckung.

Die Botschaft: Ein Angriff auf ein Mitglied an der Ostflanke der Allianz ist ein Angriff auf alle. Nicht nur die Krim-Annexion war eine Zeitenwende. Auch der Chemiewaffenanschlag im englischen Salisbury im März 2018 unterstreicht, dass Moskau eine schroffere Gangart gegenüber dem Westen eingelegt hat. „Russland hat sich selbst immer mehr in Abgrenzung und teilweise Gegnerschaft zum Westen definiert“, resümiert Außenminister Heiko Maas.

Viel davon hat auch mit der russischen Innenpolitik zu tun. Außenpolitische Stärke und militärische Muskelspiele wie in Syrien haben lange Zeit Putins Popularität beim heimischen Publikum gesteigert. Doch patriotische Hochgefühle sind endlich. Finanzprobleme des Staates aufgrund gesunkener Ölpreise, die Erhöhung des Renteneintrittsalters infolge leer gefegter Sozialkassen nagen am Nimbus des Präsidenten.

Der Gesprächsfaden darf nie abreißen

Es ist wahrscheinlich, dass Putins Außenpolitik auch in Zukunft nicht auf Ausgleich bedacht ist. Härte nach außen soll Schwäche nach innen kompensieren. Das Krim-Kapitel sei geschlossen, lautet die apodiktische Ansage aus Moskau. Auch beim Konflikt in der Ostukraine sind die Fronten völlig verhärtet. Das Minsker Abkommen, das erste Schritte wie den Abzug schwerer Waffen von der Kontaktlinie vorsieht, ist derzeit wertloses Papier.

Der Westen wird vor diesem Hintergrund seine Wirtschaftssanktionen ge­gen Russland nicht lockern. Er muss wachsam sein und Entschlossenheit zeigen. Gleichzeitig darf der Gesprächsfaden nie abreißen. Moskau bleibt ein wichtiger Akteur bei Konflikten wie in Syrien oder bei der Kontrolle der nuklearen Ambitionen des Irans und Nordkoreas. Es ist ein diplomatischer Spagat in weltpolitisch ungemütlichen Zeiten.

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