Berlin. Verteidigungsministerin von der Leyen will die materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr nicht mehr öffentlich kommunizieren.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will das Parlament nicht länger offen über die materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr unterrichten und damit die Praxis der vergangenen vier Jahre beenden. Das hat unsere Redaktion aus einem Schreiben von Generalinspekteur Eberhard Zorn an den Verteidigungsausschuss des Bundestages erfahren.

Künftig würden alle Informationen „in ihrer Gesamtheit“ als geheim eingestuft. Damit werde dem Schutz der Soldaten Rechnung getragen, schreibt Zorn. Die fast 10.000 Waffensysteme der Bundeswehr waren nach seiner Darstellung im vergangenen Jahr im Durchschnitt zu 70 Prozent im Einsatz. Zu 30 Prozent wurden sie repariert, gewartet oder modernisiert.

Vorwurf der Verschleierungstaktik

Die Opposition reagiert prompt: Sie wirft der Verteidigungsministerin vor, die Probleme bei der materiellen Einsatzbereitschaft verschleiern zu wollen. Alle Mitglieder des Verteidigungsausschusses seien „verwundert“, sagte der Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Hellmich (SPD) unserer Redaktion.

Die Einsatzbereitschaft sei anscheinend so schlecht, „dass es besser die Öffentlichkeit nicht erfahren sollte“, sagte der Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner. „Warum ein Bericht, der seit Jahren offen war, plötzlich geheim eingestuft wird, bleibt das Betriebsgeheimnis des Ministeriums“, kritisierte er.

Von einer „Verschleierungstaktik“ sprach der Linken-Wehrexperte Matthias Höhn. Sie sei „durchschaubar“ und dem Parlament „nicht überzeugend zu vermitteln“. Es sei offensichtlich, dass die Zahlen der Einsatzbereitschaft „weiter miserabel“ seien.

„Panik-Modus“ eingeschaltet

Höhn weiter: „Nach fünf Jahren von der Leyen fuhr monatelang kein deutsches U-Boot. Das ist der Öffentlichkeit nicht zu erklären. Und auch bei anderen Systemen herrscht maximal Stillstand. Wir brauchen keine Geheimhaltung, sondern Klarheit.“ Von der Leyen habe „offensichtlich in den Panik-Modus“ geschaltet.

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Im Schreiben des Generalinspekteurs Zorn heißt es außerdem, 2018 habe die „höchste Beanspruchung“ des verfügbaren Materials seit zwei Jahrzehnten gebracht. 2018 musste die Bundeswehr für das Nato-Großmanöver „Trident Juncture“ ihre „größte strategische Verlegung“ in ihrer mehr als 60-jährigen Geschichte stemmen.

Es war zugleich die größte Nato-Übung der vergangenen 20 Jahre. Außerdem befänden sich mehr als 3000 Soldaten „in derzeit elf, für Mensch und Material teils sehr fordernden mandatieren Einsätzen“, so der Generalinspekteur. Eine positive Trendwende sieht Zorn beim gepanzerten Fahrzeug „Boxer“ und beim Transportflugzeug A400 M.

Alte Waffensysteme machen Probleme

Das Gegenbeispiel sind die U-Boote der Klasse U212A, die 2018 fünf Monate lang ausfielen. Das sei „nicht zufriedenstellend“, so Zorn. Probleme machen auch der Hubschrauber CH-53 und der Kampfjet Tornado, weil die Waffensysteme alt und die Ersatzteile „kaum verfügbar“ seien oder erst aufwändig produziert werden müssten. Zorn drängt auf eine Entscheidung über Nachfolgemodelle. In der Summe würden die eingeleiteten Trendwenden beginnen zu greifen.

Zuletzt hatte die Bundeswehr bereits mehrfach auf sich aufmerksam gemacht. Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass mehr rechtsextreme Soldaten in der Bundeswehr enttarnt wurden als bisher bekannt. Außerdem soll die Bundeswehr mehr Geld für Berater ausgegeben haben als sie zugegeben hat. (fmg/jb)