Berlin. Die Union will prüfen, wer bedürftig ist. Die SPD genießt es, sich mit der Grundrente in der Sozialpolitik profilieren zu können.

Da sage noch einmal jemand, die Spitzen der Koalition wüssten nicht, was die Menschen im Land bewegt. Denn beim Koalitionsgipfel, der sich am Mittwoch bis Mitternacht hinzog, beschäftigten sich die Kanzlerin und die Chefs von CDU, CSU und SPD auch mit Flora und Fauna.

Über die Bienen (nach dem erfolgreichen Volksbegehren in Bayern für mehr Schutz wächst der Druck auf die Politik) wurde bei Hähnchen und Pommes nicht gesprochen, dafür aber über den Wolf. Ob der strenge Schutz für Meister Isegrim gelockert werden soll oder nicht, darüber gehen in der Koalition wie in der Bevölkerung die Meinungen auseinander.

Hintergrund: Olaf Scholz lässt sich zur Grundrente bei Illner nicht in die Karten schauen
Festlegungen gab es beim Wolf nicht. Das gilt auch für das Topthema Grundrente, das sehr viele Menschen bewegt. Der Plan von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil sieht so aus: Wer mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, soll mehr Rente bekommen als der, der nie gearbeitet hat.

Zuschlag bei weniger als 896 Euro Rente

Auch Teilzeitarbeit sowie Kindererziehungs- und Pflegezeiten zählen mit. Wer nach mindestens 35 Beitragsjahren weniger als 896 Euro Rente hat, bekäme einen Zuschlag, und zwar bis zu 447 Euro monatlich. Das kann rund fünf Milliarden Euro im Jahr kosten.

CDU und CSU pochen aber auf eine Prüfung, wer überhaupt bedürftig ist, damit – klischeehaft gesprochen – die Zahnarztgattin, die über Jahrzehnte in Teilzeit in der Praxis ihres Mannes aushalf, nicht einen Grundrente-Aufschlag bekommt, den sie finanziell gar nicht nötig hat. Heil will keine Bedürftigkeitsprüfung durchführen, weil er nicht will, dass die Bürger sich dann wie bei Hartz IV „nackig machen“ und auch Vermögen der Partner offenlegen müssen.

Bedürftige Rentnerinnen hoffen auf Grundrente

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    CSU-Chef Markus Söder, zum ersten Mal als Nachfolger von Bundesinnenminister und Ex-CSU-Chef Horst Seehofer in der Spitzenrunde dabei, glaubt, dass die SPD sich bewegen wird. „Nichts geht ohne eine Bedürftigkeitsprüfung. Aber mit einer Gerechtigkeitsprüfung kann eine Menge gehen“, sagte der bayerische Ministerpräsident.

    Heil hat keine Eile, einen Entwurf vorzulegen

    Er spielte etwa auf höhere Freibeträge und eine Verschonung von selbst genutzten Häusern bei der Rentenberechnung an. Damit könne es auch eine schnelle, finanzierbare Lösung ohne Steuererhöhung geben, sagte Söder. Der thüringische CDU-Landeschef Mike Mohring bekräftigte, die Union wolle die Grundrente.

    „Aber es geht jedenfalls nicht völlig ohne Prüfung. Dafür würde es keine Mehrheit geben mit der Union.“ Zugleich sprach er sich aber dafür aus, dass ein Eigenheim oder die selbst genutzte Wohnung von der Prüfung unberührt bleiben.

    Zurückhaltender zeigte sich die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Union und SPD hätten ihre Positionen ausgetauscht, nun müsse Arbeitsminister Hubertus Heil seine Pläne konkretisieren, also zur fehlenden Prüfung der Bedürftigkeit etwas präsentieren. Ganz ohne werde eine Einigung „eher schwer“, meinte AKK.

    Heil hat keine Eile, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Tempo ist bei der Grundrente momentan nicht unbedingt gewünscht. Für SPD und Union ist das polarisierende Thema bestens geeignet, die Markenkerne vor Europawahl und den Landtagswahlen im Osten stärker herauszuarbeiten. Die AfD hat nämlich in der Sozialpolitik nichts zu bieten.

    Kanzlerin Merkel leitet die Runde nach wie vor

    Die Stimmung im Kanzleramt soll übrigens sehr konstruktiv gewesen sein. Neu ist ja, dass alle drei Parteichefs, also AKK, Söder und Andrea Nahles, kein Regierungsamt und damit mehr Beinfreiheit haben. Die Vermutung, Kanzlerin und Ex-CDU-Chefin Angela Merkel sei bei Koalitionsgipfeln nicht mehr die Wortführerin, sondern sie selbst, wies AKK zurück.

    „Nein, das war überhaupt nicht so“, sagte die Saarländerin dem TV-Sender Welt. Merkel selbst soll in der Runde lächelnd eine Ausgabe der „Bild“ mit der Schlagzeile „Was hat Merkel noch zu melden?“ hochgehalten haben.

    „Wir hatten uns verständigt, dass die Bundeskanzlerin die Gesprächsleitung weiter in der Hand hat“, sagte AKK. Am 14. März trifft man sich wieder. Ob es so harmonisch bleibt? Fraglich.