Berlin/Riesa. André Poggenburg hat die AfD verlassen – und geht mit seiner neuen AdP weiter nach rechts. Was bedeutet das für seine alte Partei?

Kämpfe um Listenplätze, Debatten, ob die Partei den EU-Austritt will – eigentlich schienen die Themen für den AfD-Parteitag am Wochenende klar. Im sächsischen Riesa will sich die Partei auf die Europawahl vorbereiten, als Auftakt zu einem Wahljahr, von dem sie sich Großes verspricht. Doch das Gesprächsthema auf den Gängen war am Freitag ein anderes: André Poggenburg, ehemaliger Chef der AfD in Sachsen-Anhalt, verlässt nicht nur die AfD, sondern gründet eine neue Partei.

Mit dem „Aufbruch deutscher Patrioten“ (AdP) wollen Poggenburg und seine Mitstreiter bei den Landtagswahlen im Herbst in Sachsen, Brandenburg und Thüringen antreten. Es ist in der kurzen Geschichte der Partei bereits das dritte Mal, dass ein prominentes Gesicht die AfD verlässt, um eine eigene Partei zu gründen.

Neu ist dieses Mal die Richtung, in die Poggenburg die Partei verlässt: noch weiter nach rechts. Im Gespräch mit der „Welt“ (Bezahlinhalt) attestierte er der AfD einen „Linksruck“. Durch „Gängelungen durch den Westen“ würde die AfD im Osten nicht mehr als „wirklich patriotische Alternative wahrgenommen“.

Poggenburg provozierte am Neujahrstag mit NS-Vokabel

Gemeint sind die Bemühungen der Partei, eine drohende Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu vermeiden. Dazu hatte die AfD nicht nur „Handreichungen“ erarbeitet, wie verfassungswidrige Äußerungen zu vermeiden sind, sondern auch versucht, Mitglieder loszuwerden, die sich dafür offenbar nicht interessieren.

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Das hatte auch Poggenburg zu spüren bekommen: Nachdem er am Neujahrstag „den Mitbürgern unserer Volksgemeinschaft“ auf Twitter ein gesundes neues Jahr gewünscht hatte, hatte der Bundesvorstand eine zweijährige Ämtersperre gegen den 43-Jährigen beschlossen. Eine Genehmigung des Landesschiedsgerichts dazu stand noch aus. Der Streit um die NS-Vokabel war der Endpunkt einer längeren Entfremdung zwischen dem 43-Jährigen und der Parteispitze.

Poggenburg war lange ein prominentes Gesicht am äußersten rechten Rand der Partei gewesen: 2015 gehörte er mit dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zu den Initiatoren der „Erfurter Resolution“ und den Mitbegründern des „Flügels“, einer als völkisch eingestuften Gruppierung in der Partei.

Poggenburg nannte Türken „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“

Im selben Jahr wurde er in den Bundesvorstand der Partei gewählt, 2016 zog die AfD in Sachsen-Anhalt unter ihm mit 24,3 Prozent in den Magdeburger Landtag ein. Poggenburg wurde Chef der neuen Fraktion. Doch beim Parteitag in Hannover 2017 scheiterte eine erneute Kandidatur für den Parteivorstand.

Bernd Lucke, Europaabgeordneter der LKR (Liberal-Konservative Reformer), ging einen ähnlichen Weg wie André Poggenburg.
Bernd Lucke, Europaabgeordneter der LKR (Liberal-Konservative Reformer), ging einen ähnlichen Weg wie André Poggenburg. © dpa | Frank Molter

Kurz darauf diffamierte er die Türkische Gemeinde in einer Aschermittwochsrede als „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“. Im März 2018 legte er unter internem Druck seine Ämter als Fraktions- und Landeschef nieder.

Schon Parteigründer Bernd Lucke war 2015 gegangen, nachdem er den Parteivorsitz an Frauke Petry verloren hatte. Petry verließ die AfD nach der Bundestagswahl, die Partei hatte sich zuvor deutlich gegen ihren Kurs gestellt. Beide gründeten danach neue Parteien.

Lucke sitzt als letzter Vertreter seiner Liberal-Konservativen Reformer im EU-Parlament, mit einem Mandat, das er als Bewerber der AfD gewonnen hatte. Dass er seinen Sitz bei der Europawahl im Mai verteidigen kann, gilt als unwahrscheinlich. Frauke Petry kämpft um den Wiedereinzug in den Landtag in Dresden, auch ihrer Blauen Partei sagen die Umfragen keinen Erfolg voraus.

Poggenburg rechnet sich mit der AdP Chancen im Osten aus

Poggenburg ist trotzdem überzeugt, dass seine neue Partei bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen reelle Chancen hat. „Dass wir die Fünf-Prozent-Hürde im Osten schaffen, davon gehen wir aus“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Frauke Petry hatte die AfD nach der letzten Bundestagswahl verlassen.
Frauke Petry hatte die AfD nach der letzten Bundestagswahl verlassen. © dpa | Britta Pedersen

Auch Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, hält das für durchaus möglich. „Die Abgänge von Bernd Lucke oder Frauke Petry haben der AfD nicht geschadet, weil die so getan hat, als ob sie jetzt in der politischen Mitte stände“, sagte Güllner unserer Redaktion. „Aber Poggenburg gehört ja zur extremen Rechten in der AfD und könnte viele Wähler mitnehmen.“

Zudem sei Poggenburg im Osten populär. Es könnte deswegen zu einer Zersplitterung der Partei kommen. „Es kann durchaus sein, dass mit dem Weggang von Poggenburg langfristig das Ende der AfD eingeläutet wird.“

Alexander Gauland hat keine Angst vor Zersplitterung der AfD

In der Spitze der AfD gibt man sich unbesorgt: Poggenburg habe „keinerlei Resonanz in der Partei“, sagte Parteichef Alexander Gauland. Er hoffe und glaube nicht, dass dem ehemaligen Landeschef von Sachsen-Anhalt jemand aus der Bundestagsfraktion folgen werde. Auch Andreas Kalbitz, Chef der AfD in Brandenburg, sagte, für Brandenburg werde Poggenburgs neues Projekt „keinerlei politische Relevanz haben“.

Jörg Meuthen (links) und Alexander Gauland am Freitag in Riesa.
Jörg Meuthen (links) und Alexander Gauland am Freitag in Riesa. © dpa | Monika Skolimowska

Doch nicht alle sind davon überzeugt: In Riesa beobachtet man die Neugründung aufmerksam. Stimmen für Poggenburg und seine Mitstreiter könnten in Sachsen „die entscheidenden Stimmen sein, die dafür sorgen, dass wir nicht stärkste Kraft werden“, sagte Jens Maier, Bundestagsabgeordneter aus Dresden.

Parteichef Jörg Meuthen sagte zur Eröffnung des Parteitags, er freue sich auf den Abend des 1. September dieses Jahres, wo man den „grandiosen Wahlsieg“ der AfD in Brandenburg und Sachsen feiern werde. Möglich, dass André Poggenburg seinem ehemaligen Parteifreund das Feiern noch verleidet.