London. Theresa May ist am Dienstag bei Kanzlerin Angela Merkel. Die britische Premierministerin will den Brexit retten und steht unter Druck.

Frühstück in Den Haag, Lunch in Berlin und zum Tee nach Brüssel – Theresa May hatte am Dienstag volles Programm. Die britische Premierministerin brach zu ihrer Klinkenputzer-Tour auf, nachdem sie im Unterhaus verkündet hatte, die Abstimmung über ihren Brexit-Deal zu vertagen.

Ihre Mission Impossible: May will Nachbesserungen. Es ist allerdings fraglich, ob sie beim niederländischen Regierungschef Mark Rutte, bei der Bundeskanzlerin Angela Merkel oder schließlich bei der EU-Kommission viel herausschlagen kann. Angela Merkel sagte nach dem Treffen: „Wir haben gesagt, dass es keine weitere Öffnung des Austrittsabkommens gibt“.

Dennoch gab sich Merkel nach Angaben von Teilnehmern des Treffens zuversichtlich, dass es eventuell doch eine Lösung geben könne. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte schon vor Mays Eintreffen in Brüssel klargestellt: „Wir werden den Deal nicht nachverhandeln.“

Die verschobene Abstimmung über das Brexit-Abkommen im britischen Parlament soll vor dem 21. Januar 2019 abgehalten werden. Das teilte die britische Regierung am Dienstag mit, während May auf dem Weg zu Angela Merkel war.

Knackpunkt bei Brexit-Verhandlungen: Nordirland

Der Knackpunkt ist Nordirland. Die EU und Großbritannien hatten sich geeinigt, dass das Austrittsabkommen eine Lösung enthalten muss, wie eine harte Grenze zwischen der Republik Irland und der Provinz Nordirland vermieden werden kann.

Mark Rutte begrüßt Theresa May in Den Haag.
Mark Rutte begrüßt Theresa May in Den Haag. © dpa | Peter Dejong

Dafür gab es einen sogenannten Backstop im Austrittsvertrag. Diese Auffanglösung sieht vor, dass sowohl Nordirland wie das Vereinte Königreich innerhalb der Zollunion verbleiben, damit keine Waren- und Güterkontrollen zwischen der Provinz und der Republik Irland notwendig werden.

Der Backstop ist als Versicherungspolice gedacht für den Fall, dass sich beide Seiten nicht auf ein umfassendes Handelsabkommen einigen können, der ihn überflüssig machen würde. Naturgemäß ist diese Auffanglösung nicht zeitlich limitiert.

Und genau darin liegt das Problem für die Hardliner in Mays Regierungsfraktion. Sie fürchten auf unbestimmte Zeit über die Mitgliedschaft in der Zollunion an die EU gekettet zu sein: Nordirland als Ring in der Nase des britischen Ochsen.

Theresa May will Zeit schinden

Den Austrittsvertrag noch einmal aufzuschnüren ist unmöglich, darin sind sich May und EU-Kommission einig. Das einzige, worauf die Premierministerin hoffen kann, ist eine an den Vertrag angefügte Erklärung, in der beide Seiten versichern, dass der Backstop nicht die Grundlage für eine permanente Partnerschaft zwischen der EU und Großbritannien darstellen soll.

Ob das reichen wird, ihre Kritiker im Königreich zufrieden zu stellen, ist unwahrscheinlich. Die nordirische Unionistenpartei DUP, die Mays Minderheitsregierung stützt, verlangt nichts weniger, als dass der Backstop aus dem Austrittsvertrag fliegt.

Auch die Brexit-Hardliner in der Konservativen Partei fordern klare und rechtlich bindende Garantien für eine zeitliche Begrenzung des Backstop. Das wird die Erklärung aber nicht leisten können.

Mays Manöver zielen darauf ab, Zeit zu schinden. Sie hat offiziell keinen Termin genannt, wann die vertagte Abstimmung stattfinden soll. Sie setzt auf wachsenden Druck: Angesichts eines drohenden No-Deal-Brexit mit all seinen chaotischen Konsequenzen, so hofft May, werden die Abgeordneten schließlich zähneknirschend für ihren Deal stimmen. Es ist ein gefährliches Spiel.

Darum geht es beim Brexit-Streit zwischen Großbritannien und der EU

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    Misstrauensanstrag könnte kommen

    Denn für die Premierministerin wächst der Druck ebenfalls. Die kleineren Oppositionsparteien drängen jetzt den Labour-Chef Jeremy Corbyn, einen Misstrauensantrag im Parlament zu stellen. Noch zögert Labour, weil man den taktisch besten Moment abwarten will. Innerhalb ihrer eigenen Fraktion mehren sich ebenfalls die Rebellen, die ihr das Misstrauen aussprechen und einen entsprechenden Brief an das zuständige Hinterbänkler-Kommittee abgeschickt haben.

    Und auch das Schaulaufen für ihre Nachfolge hat schon begonnen. In Fernsehinterviews am Wochenende positionierten sich der ehemalige Außenminister Boris Johnson und auch die zurückgetretene Arbeitsministerin Esther McVey. Und über den Innenminister Sajid Javid, einem Favoriten unter möglichen Herausforderern, hört man, dass er Kollegen schon Ministerposten für ihre Unterstützung angeboten haben soll.