„Gelbwesten“-Proteste: Emmanuel Macron kündigt Zugeständnisse an
Massenproteste
„Gelbwesten“-Proteste: Macron kündigt Zugeständnisse an
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Peter Heusch
Emmanuel Macron während seiner Ansprache.
Foto: POOL / REUTERS
Frankreichs Präsident Macron hat sich in einer Ansprache an die Franzosen gewandt. Seine Zugeständnisse betreffen Löhne und Steuern.
Paris.
Als Reaktion auf die seit drei Wochen andauernden Proteste der „Gelbwesten“ hat Emmanuel Macron in einer TV-Ansprache an die Nation Sofortmaßnahmen zur Erhöhung der Kaufkraft angekündigt, die in erster Linie die prekäre Lage der Geringverdiener verbessern dürften. Dabei kam Frankreichs Präsident den Forderungen der „Gelbwesten“ sehr viel weiter entgegen, als allgemein erwartet worden war.
Unter anderem verfügte er eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns (derzeit liegt er bei 1498 Euro) um 100 Euro ab dem 1. Januar 2018 und erhöhte die Befreiungsgrenze für Rentner, die seit dem laufenden Jahr eine höchst umstrittene Abgabenerhöhung zahlen müssen, von 1250 auf 2000 Euro.
Pendlerpauschale und Weihnachtsprämien
Die Unternehmer, „die dazu in der Lage sind“, forderte Macron auf, ihren Arbeitnehmern eine Weihnachts- bzw. Sonderprämie zu zahlen, auf die der Staat keine Steuern erheben werde. Ebenso stellte er eine Steuerbefreiung für eine Pendler-Aufwandspauschale in Aussicht, die derzeit in den Reihen öffentlicher wie privater Arbeitgeber diskutiert wird.
Außerdem soll künftig auf Überstunden weder Sozialabgaben noch Steuern erhoben werden. „Wir wollen ein Land, in dem man von seiner Arbeit in Würde leben kann“, betonte der Präsident.
Macron: Gewalt werde ich nicht tolerieren
Doch Macron beschränkte sich nicht darauf, mehr Geld für die kleinen Leute locker zu machen, als welche sich die „Gelbwesten“ selber bezeichnen. Ausdrücklich bedauerte er, dass in den ersten 18 Monaten seiner Amtszeit der Eindruck entstanden sei, dass ihn deren Schicksal nicht interessiere. Er wolle dafür sorgen, dass sich der Staat anders und weniger zentral organisiere, um auf die Bedürfnisse der Menschen in allen Regionen des Landes besser reagieren zu können.
„Mein einziger Kampf ist der für Euch“, versicherte Macron den Franzosen. Allerdings unterstrich er auch, dass „legitime Forderung“ keine Entschuldigung für „unzulässige Gewalt“ seien. Eine Anspielung auf die schweren Ausschreitungen, von denen insbesondere die Pariser Demonstrationen der „Gelbwesten“ begleitet wurden. Diese Gewalt, so der Präsident, werde er auf keinen Fall tolerieren und er habe angeordnet, Ruhe sowie die „republikanische Ordnung“ mit allen Mitteln wieder herzustellen.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik - meinungsstark, exklusiv, relevant.
„Gelbwesten“ kündigten bereits neue Proteste an
Drei von schweren Krawallen überschatteten Wochenenden haben Macron die bisher größte Krise seit seiner Wahl beschert. Rund drei Viertel der Franzosen sympathisieren mit den Zielen der „Gelbwesten“, die im Wesentlichen Steuersenkungen und einer Erhöhung ihrer Kaufkraft einklagen. Beiden Ansinnen ist der Präsident nun entgegen gekommen.
Aber ob sein Einlenken der Protestbewegung die Spitze nehmen kann, ist ungewiss. Die Forderungen der „Gelbwesten“ sind mittlerweile noch weitgehender – sie fordern unter anderem mehr direkte Demokratie. Für kommenden Samstag gibt es bereits neue Aufrufe zu Protesten.
Aufräumarbeiten in Paris
Aufräumarbeiten in Paris
Absehbar hingegen, dass es für Frankreich angesichts der milliardenschweren Zugeständnisse sehr schwierig wird, 2019 die Maastrichter Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung einzuhalten.
Macron galt vielen als „Präsident der Reichen“
Macrons Versuch eines Befreiungsschlags stellt einen Bruch mit seinem betont wirtschaftsliberalen Reformkurs dar. Doch der ließ sich wohl kaum vermeiden, allzu viele Menschen mit niedrigem Einkommen kommen kaum mehr über die Runden.
In Frankreich machen Steuern und Sozialabgaben im Schnitt 46 Prozent des Bruttoverdienstes aus – das ist die höchste Quote in Europa. Und spätestens seit Macron die Vermögensteuer abgeschafft hat, war er für die Geringverdiener im Lande vom Hoffnungsträger zum „Präsident der Reichen“ geworden.
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