Berlin. Die Krankenkassen haben Milliarden-Überschüsse auf ihren Konten, doch die Beitragszahler haben davon nichts. Das ist der falsche Weg.

Man muss sich diese Zahl auf der Zunge zergehen lassen: 21 Milliarden Euro. So viel Geld lag Ende September auf den Konten der gesetzlichen Krankenkassen. Am Jahresende werden es sogar noch mehr sein.

Die gesetzlichen Krankenkassen horten also 21 Milliarden Euro – das ist eine beispiellos hohe Summe an ungenutztem Geld. Seit Jahrzehnten ging es den Krankenkassen nicht mehr so gut wie jetzt.

Um die Zahl einordnen zu können, hilft ein Vergleich: Bis Ende September gaben die Krankenkassen fast 33 Milliarden Euro für die ärztliche Behandlung ihrer Mitglieder aus. Weitere 30 Milliarden Euro kosteten die Medikamente, die von den Ärzten verschrieben wurden. Fast 60 Milliarden Euro gingen bis Ende September an die Krankenhäuser. Die Summe auf den Konten ist also hoch. Verglichen mit den laufenden Kosten der Kassen ist sie aber nicht sagenhaft hoch.

Trotzdem: Es ist falsch, dass das Geld ungenutzt bleibt. Krankenkassen müssen Rücklagen haben, das ist klar. In einer Zeit aber, in der hohe Summen auf dem Konto sogar Strafzinsen kosten, gehört das Geld den Beitragszahlern. Krankenkassen sollten Beitragsgelder nicht sinnlos verpulvern. Sie sind auch keine Sparkassen – der Spruch ist billig, aber trotzdem richtig.

Krankenkassen müssen Zusatzbeiträge senken

Richtig ist natürlich auch, dass es nicht allen Kassen gleich gut geht. Nicht alle haben hohe Überschüsse. Das zeigt, wie unterschiedlich die Kassen ihre Kosten im Griff haben. Und es zeigt, wie dringend geboten eine Reform des Finanzausgleichs zwischen den Kassen ist.

Die Unwuchten, die es in diesem schwer zu durchschauenden und vor allem manipulationsanfälligen System gibt, führen dazu, dass es einigen Kassen seit Jahren immer besser geht und anderen immer schlechter.

Das alles ändert nichts an den politischen Konsequenzen, die aus den Rekordrücklagen zu ziehen sind: Die Kassen müssen ihre Zusatzbeiträge senken. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Recht, wenn er diese Forderung nun wiederholt. Aber auch er selbst kann tätig werden und den allgemeinen Beitragssatz senken. Es gibt kein Argument, dies nicht zu tun.

Die Ausgaben der Krankenversicherung steigen zwar nach wie vor stark, vor allem Medikamente kosten immer mehr. Aber die Einnahmen steigen in gleichem Maße. Die alte Klage der Kassen, die Einnahmen stiegen weniger stark als die Ausgaben, zieht nicht mehr.

Fehler der Vergangenheit werden teuer

Die SPD will die hohen Rücklagen der Krankenkassen freilich ganz anders nutzen. Die Genossen wollen ein Problem lösen, das sie einst selbst verursacht haben: Betriebsrentner zahlen seit 14 Jahren den vollen Kassenbeitrag auf ihre Versorgungsbezüge und fühlen sich entsprechend ungerecht behandelt.

Die Gesundheitsministerin, die das einführte, heißt Ulla Schmidt, ist in der SPD und hatte ganz andere Probleme als heute ihr Nachfolger Spahn: Sie musste in der gesetzlichen Krankenversicherung Finanzlöcher stopfen.

Das Problem anzugehen und die Ungerechtigkeiten zu beseitigen, ist grundsätzlich richtig. Die Frage ist nur, woher die knapp drei Milliarden Euro kommen sollen, die die Vergangenheitsbewältigung der SPD pro Jahr kosten wird. Die übrigen Beitragszahler für diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe heranzuziehen, ist nicht nur systematisch falsch.

Es ist vor allem wenig nachhaltig – so üppig sind die Rücklagen der Kassen auch wieder nicht. SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles sollte sich daher nicht an Gesundheitsminister Spahn wenden, sondern an ihren Parteifreund Olaf Scholz. Der ist als Finanzminister für den Steuerzuschuss an die Krankenkassen verantwortlich und hat das Geld, um alte Wunden der SPD zu heilen.