Berlin. Die SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz kritisiert im Interview den Umgang des Bundes mit den Ländern in Sachen Digitalpakt.

Die Länder zeigen ihre Macht: Bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch in Berlin haben sie die Grundgesetzänderung zur Digitalisierung der Schulen gestoppt. Unsere Redaktion erreichte die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Malu Dreyer, direkt nach der Entscheidung am Telefon.

Der Bund will die Digitalisierung an den Schulen mit fünf Milliarden Euro fördern. Warum sperren sich die Länder dagegen, Frau Ministerpräsidentin?

Malu Dreyer: Wir wollen den Digitalpakt, der eine wirklich gute Sache ist. Trotzdem werden wir den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen, weil Regelungen ins Grundgesetz kommen sollen, die weit über den Digitalpakt hinausgehen und die einen tiefen Einschnitt in die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern bedeuten. Das nehmen wir nicht hin.

Es gab Warnungen aus den Ländern, die Grundgesetzänderung bereite den Weg zur bundesweiten Einheitsschule. Ist das nicht übertrieben?

Dreyer: Das ist nicht mein Punkt. Mir geht es um die Regelung, dass alle Finanzhilfen des Bundes in Zukunft zu mindestens 50 Prozent von den Ländern finanziert werden sollen. Das hat mit der Umsetzung des Digitalpakts überhaupt nichts zu tun.

Ohne diese völlig unnötige Zusatzvereinbarung hätte die Grundgesetzänderung im Bundesrat gut bestehen können. Wir müssen uns nun sehr schnell im Vermittlungsausschuss zusammensetzen, damit wir schon im Januar zu Lösungen kommen.

Was fordern Sie genau?

Dreyer: Die Vereinbarungen zum Digitalpakt selbst können bleiben wie sie sind – auch die finanziellen. Ich persönlich bin nicht der Meinung, dass der Bund zu tief in die Bildungshoheit der Länder eingreift. Der jetzige Regelungsvorschlag geht aber weit über den Koalitionsvertrag und auch über den ersten Regelungsentwurf hinaus.

Und es geht einfach nicht, dass wir in der Verfassung eine Quote festlegen, welchen Anteil der Bund und welchen die Länder bei allgemeinen Finanzhilfen tragen. Nehmen Sie nur mal an, es kommt zu Überschwemmungen und der Bund zahlt Fluthilfen. Da darf nicht in der Verfassung stehen, dass die betroffenen Länder die Kosten zur Hälfte selber übernehmen müssen.

Fühlen Sie sich reingelegt von der großen Koalition im Bund?

Dreyer: Das ist ein sehr hartes Wort, und ich will auch nicht mit dem Finger auf bestimmte Kollegen zeigen. Aber fair war das nicht. Die Zusatzregelung zu den allgemeinen Finanzhilfen kam für die Länder völlig überraschend – ohne jede Vorwarnung.

Der Bundestag hat etwas gänzlich anderes beschlossen als das, was im ersten Durchgang im Bundesrat beraten wurde. Das ist kein akzeptabler Umgang zwischen Bund und Ländern.

Die Grundgesetzänderung hat Andrea Nahles für die SPD verhandelt. Hat Ihre Partei- und Fraktionschefin nicht aufgepasst?

Dreyer: Meiner Kenntnis nach haben die Haushälter der Fraktionen letztlich diese Änderungen vorgenommen. Am Ende hat der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit dieses Paket verabschiedet. Und damit sind wir nicht einverstanden. Wenn der Digitalpakt sofort umgesetzt werden soll, gibt es auch noch andere Lösungen – etwa über die Verteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern. Wir sind auch bereit, einen Staatsvertrag zu machen.

Nahles hat schon im Fall des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen nicht besonders glücklich verhandelt. Wie fest sitzt die SPD-Chefin im Sattel?

Dreyer: Über die Grundgesetzänderung haben alle möglichen Fachpolitiker verhandelt. Da kann man der Parteivorsitzenden keine Vorwürfe machen. Das würde der Sache wirklich nicht gerecht werden.

Am Freitag wählt die CDU einen neuen Vorsitzenden. Wer wäre Ihnen lieber: Annegret Kramp-Karrenbauer oder Friedrich Merz?

Dreyer: Die SPD nimmt hin, was kommt. Und wir gehen davon aus, dass alles Bestand hat, was vorher in der Koalition vereinbart worden ist. Die SPD muss aus eigener Kraft zu alter Stärke zurückfinden – unabhängig von Personalentscheidungen in anderen Parteien.

Würde die SPD einen Friedrich Merz zum Kanzler wählen?

Dreyer: Diese Frage stellt sich nicht. Angela Merkel hat erklärt, dass sie bis zum Ende der Wahlperiode Kanzlerin bleiben wird.