Berlin. An Schulen soll es mehr Laptops und Tablets geben – und Lehrer, die damit umgehen können. Dafür fließt Geld vom Bund an die Länder.

Sollte es einen Zeitreisenden aus einem Klassenzimmer des Jahres 1998 in eines aus dem Jahr 2018 verschlagen, wäre es möglich, dass er es gar nicht merkt. An vielen deutschen Schulen sind Kreidetafel und Tageslichtprojektor immer noch der Standard, Laptops und Lern-Apps eher die Ausnahme.

Das große Projekt von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) ist deshalb der sogenannte Digitalpakt Schule: Mit diesem will sie dafür sorgen, dass Schulen nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen, sondern auch digitale Kompetenz vermitteln.

Am Donnerstag hat der Pakt eine große Hürde genommen: Mit Ausnahme der AfD stimmten alle Fraktionen für eine Grundgesetzänderung, die es dem Bund ermöglichen soll, den Ländern bei der Finanzierung von Bildung unter die Arme zu greifen. Das sogenannte Kooperationsverbot würde damit entscheidend gelockert. FDP-Chef Christian Lindner sprach im Bundestag von einer „Zäsur“ in der Bildungspolitik.

Aber was heißt das jetzt für die Jungen und Mädchen, die täglich die Schulbank drücken? Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Was genau hat der Bundestag beschlossen?

Das Parlament hat für einen Vorschlag gestimmt, nach dem an mehreren Stellen das Grundgesetz geändert werden soll. Ziel ist es, dass der Bund helfen kann bei Themen, die zwar eigentlich Sache der Länder sind, an denen der Bund aber auch ein großes Interesse hat. Konkret geht es um Wohnungsbau, Verkehr und Bildung.

Die Grundgesetzänderung ist Voraussetzung dafür, dass die Länder die fünf Milliarden Euro, die im Bund für die digitale Aus- und Nachrüstung der Schulen eingeplant sind, auch ausgeben dürfen. Dafür soll Artikel 104c des Grundgesetzes geändert werden. Dort steht bisher, dass der Bund nur „finanzschwache“ Kommunen unterstützen darf.

Was heißt das für die Schulen und ihre Schüler?

Im besten Fall: schnelles Geld, zum Beispiel für Laptops, Tablets und Fortbildungen, damit auch Lehrkräfte lernen, mit der modernen Technik umzugehen. Bis zu 25.000 Euro für Laptops und Tablets sollen einzelne Schulen bekommen. So steht es in einem Entwurf der Vereinbarung, in der Bund und Länder die Details des Pakts regeln wollen. Falls die Grundgesetzänderung noch vor Weihnachten den Bundesrat passiert, könnten Schulträger – also häufig Städte und Gemeinden – schon am 1. Januar 2019 Geld beantragen.

FDP und Grüne hatten darauf bestanden, dass der Bund dabei nicht nur in „Kabel“, also Internetanschlüsse und Technik, sondern auch in „Köpfe“ investieren kann – dass das Geld aus Berlin neben Geräten zum Beispiel auch für Systemadministratoren oder die Weiterbildung von Lehrkräften ausgegeben werden kann.

Neben Tablets braucht es auch Fortbildungen für Lehrer.
Neben Tablets braucht es auch Fortbildungen für Lehrer. © dpa | Armin Weigel

Dass die Opposition mitreden konnte, liegt daran, dass für Grundgesetzänderungen zwei Drittel der Stimmen nötig sind – die haben die Regierungsfraktionen alleine nicht.

Wie das dann in der Praxis aussieht, macht zum Beispiel die Mittelschule in Neunburg vorm Wald in Bayern vor: In der Modellschule für Digitalisierung gibt es überall WLAN, alle Klassenzimmer haben einen Laptop und einen Beamer, fast alle auch interaktive Tafeln. Mehrere Klassen sind außerdem mit iPads für jeden Schüler ausgestattet.

Der Unterricht habe sich dadurch sehr verändert, sagt Schulleiterin Irene Träxler, „und zwar sehr zum Positiven“. Dafür brauche es aber auch ein Kollegium, dass Leidenschaft für digitale Medien mitbringt, sich konstant austauscht und immer weiter lernt: „Das ist auch kein Prozess, mit dem man eines Tages einfach fertig ist, da muss man dranbleiben“, sagt Träxler.

Wichtig außerdem: Der Einsatz zum Beispiel der iPads müsse immer „didaktisch sinnvoll“ sein – „das ist kein Selbstzweck“. Das sieht auch das Bildungsministerium so. Einfach die Hand zu heben und auf ein paar neue Computer zu hoffen, reicht deswegen nicht: Voraussetzung für eine Förderung, so das Bildungsministerium, ist ein technisch-pädagogisches Konzept.

Wann geht es los?

Der Bund drängt: Bildungsministerin Karliczek will ihr Projekt so bald wie möglich in trockenen Tüchern sehen. Schon am 6. Dezember soll deshalb eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern unterzeichnet werden, die im Detail regelt, wie der Pakt funktioniert.

Am 14. Dezember dann könnte der Bundesrat über die Verfassungsänderung abstimmen. Auch hier ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. „Die Bildungsminister von Bund und Ländern haben ihre Aufgaben erledigt“, sagte Karliczek am Donnerstag. „Jetzt liegt die Verantwortung in den Händen der Ministerpräsidenten.“

Der Digitalpakt sieht vor, dass der Bund 90 Prozent der Kosten trägt.
Der Digitalpakt sieht vor, dass der Bund 90 Prozent der Kosten trägt. © dpa | Friso Gentsch

Genau diese könnten die Pläne der Ministerin aber vorerst durchkreuzen.

Denn neben Baden-Württemberg, das sich seit Längerem gegen den Vorschlag des Bundes stellt, signalisieren nach Medienberichten jetzt auch Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen und Sachsen, dass sie in dieser Form ein Problem mit der Grundgesetzänderung haben. Ob diese vor Weihnachten noch beschlossen werden kann, ist deshalb offen.

Was sind die Argumente der Gegner?

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist sehr grundsätzlich in seiner Kritik: Er fürchtet, dass der Bund mit der Verfassungsänderung zu viele Kompetenzen an sich zieht und am Ende die Richtung vorgibt in Bereichen, die eigentlich Sache der Länder sind – wie eben in der Bildung. „Es geht darum, dass die Länder nicht einfach zu Verwaltungsprovinzen des Bundes degradiert werden“, erklärte Kretschmann.

Neben Bedenken wie diesen dürfte es den Ländern aber auch sehr konkret um finanzielle Fragen gehen. Denn die Neuregelung legt fest, dass die Länder sich bei künftigen Finanzhilfen des Bundes zur Hälfte beteiligen müssen. Für den Digitalpakt ist eine Ausnahme vorgesehen – hier soll der Bund 90 Prozent der Kosten tragen, die Länder die restlichen zehn Prozent drauflegen.

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, drängte die Länder zur Eile: „Alle Bundesländer sollten sich durchringen, den Grundgesetzänderungen im Bundesrat zuzustimmen“, sagte Dedy unserer Redaktion. „Grundsatzdiskussionen, so notwendig sie sein mögen, dürfen den Digitalpakt nicht aufhalten.“