London. Ein Gutachter des Europäischen Gerichtshofes hat festgestellt: Die Briten können den Brexit stoppen. Der Weg dorthin aber wäre steinig.

Jubel bei den Europafreunden in Großbritannien: Ein Exit vom Brexit ist möglich. Die gute Nachricht kam am Dienstag aus Luxemburg. Der Gutachter des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), der Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona, befand, dass die britische Regierung den Austritt aus der Europäischen Union einseitig zurückziehen kann.

Nach Artikel 50 des Lissabonner Vertrages, so der Gutachter, müsste den Briten zugestanden werden, dass sie ihre Austrittsabsicht auch wieder ändern dürfen. Das ist Wasser auf die Mühle der sogenannten Remainer im Königreich: Sie wittern jetzt ihre Chance, den Brexit in einem zweiten Referendum womöglich rückgängig machen zu können.

Bisher hatte es vonseiten der britischen Regierung immer geheißen: Der Brexit ist unumkehrbar, und eine Rücknahme der nach Artikel 50 erfolgten Erklärung rechtlich unmöglich. Zwar ist die Entscheidung von Campos Sanchez-Bordona nicht rechtlich bindend, aber der EuGH folgt in der Regel seinen Empfehlungen.

Unterstützung für May-Deal könnte geringer werden

Die britische Premierministerin Theresa May.
Die britische Premierministerin Theresa May. © dpa | Alastair Grant

Damit hätten die Remainer ein Instrument an der Hand, dass sie vorher nicht hatten. Diejenigen Abgeordneten, die aus Angst vor einem drohenden ungeregelten Chaos-Austritt zähneknirschend für den Deal von Premierministerin Theresa May gestimmt hätten, können jetzt darauf vertrauen, dass ein No-Deal-Szenario nicht unabänderlich ist.

Doch für einen Exit vom Brexit bräuchte es eine bestimmte Choreographie. Die Entscheidung im Referendum 2016 für den Austritt war nun einmal die größte demokratische Übung, die das Land jemals erlebt hat. Die Willensäußerung von 17,4 Millionen Briten ließe sich nur durch ein zweites Referendum zurücknehmen. Und dafür braucht es wiederum bestimmte Voraussetzungen.

Zur Zeit gibt es im Unterhaus keine Mehrheit für die sogenannte „People‘s Vote“, eine erneute Volksabstimmung. Das kann sich dann ändern, wenn das Parlament den Deal von Theresa May am 11. Dezember ablehnen würde, was zur Zeit auch die wahrscheinlichste Option ist.

Zweites Referendum könnte bei nahendem Chaos-Brexit möglich sein

Dann wäre eine Situation erreicht, in der die Regierung ihre Machtlosigkeit demonstriert hätte, das wichtigste Gesetzgebungsverfahren ihrer Amtszeit durchzusetzen. Zugleich scheint es auch für einen anders gearteten Brexit, sei es nach dem Norwegen- oder nach dem Kanada-Vorbild, im Unterhaus keine Mehrheit zu geben.

Damit wäre eine völlige Blockade erreicht. Weder Regierung noch Parlament könnten eine Entscheidung durchsetzen. Und währenddessen tickt die Uhr: Wenn es keinen Brexit-Deal gibt, so schreibt es das „EU-Austrittsgesetz“ vor, dann muss es zu einem No-Deal-Brexit kommen, dem gefürchteten chaotischen Austritt.

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Damit käme die Stunde für Abgeordnete aller Parteien, im nationalen Interesse die Katastrophe abzuwehren. Wenn sich sowohl Regierung wie Parlament als impotent erweisen, bliebe als einziger Ausweg, das Volk entscheiden zu lassen.

In dieser Situation könnten sich genug Abgeordnete finden lassen, um ein zweites Referendum zu erzwingen. Aber es bräuchte die nationale Notlage, die Zuspitzung der Ereignisse, bevor es unabweislich notwendig erscheint, das Volk nochmals zu befragen. Auf Großbritannien kommen turbulente Zeiten entgegen.