Düsseldorf. Andrea Nahles hat die Jusos vor einer Spaltung der SPD gewarnt. Die Parteichefin klagte: Umfrageergebnisse treffen einen in den Bauch.

Für die oberste Sozialdemokratin in Deutschland war es kein leichter Auftritt beim Juso-Kongress. Der SPD-Nachwuchs zählt zu den schärfsten Kritikern von Andrea Nahles. Viele wollen raus aus der GroKo mit der Union und würden Hartz IV am liebsten komplett abschaffen. Entsprechend gereizt war die Stimmung.

Doch Nahles zeigte sich kämpferisch. Sie warnte ihre Partei vor einer Spaltung. „Ja, streitige Debatten, aber bitte nicht Richtungsstreit, der zur Spaltung führt“, sagte Nahles am Samstag in Düsseldorf auf dem Bundeskongress der Jusos.

Nahles: „Es muss nach vorne gehen“

Den Jusos warf die Parteivorsitzende vor, den Mitgliederentscheid für eine Neuauflage der großen Koalition im Grunde nicht akzeptiert zu haben. Was auch immer die SPD in der Koalition durchsetze, wie etwa Brückenteilzeit, Parität beim Krankenkassenbeitrag, sozialer Arbeitsmarkt oder Mieterschutz: „Von den Jusos kommt immer: Das reicht nicht, raus aus der Groko bei jedem Konflikt, den wir haben mit dem Koalitionspartner.“

Andrea Nahles: Ihre Karriere in Bildern

Andrea Nahles war lange die starke Frau der SPD: Seit April 2018 war sie Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands – als erste Frau. Seit September 2017 war sie bereits Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Von beiden Ämtern wird sie zurücktreten, wie sie am Sonntag ankündigte. Wir zeigen Bilder aus ihrem politischen und privaten Leben.
Andrea Nahles war lange die starke Frau der SPD: Seit April 2018 war sie Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands – als erste Frau. Seit September 2017 war sie bereits Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Von beiden Ämtern wird sie zurücktreten, wie sie am Sonntag ankündigte. Wir zeigen Bilder aus ihrem politischen und privaten Leben. © dpa | Martin Gerten
Andrea Nahles wurde am 20. Juni 1970 in Mendig (Rheinland-Pfalz) geboren. Sie studierte Literatur- und Politikwissenschaften und ist seit 1988 Mitglied der SPD. Von 1993 bis 1995 war sie Landesvorsitzende der Jungsozialisten in Rheinland Pfalz. Von 1995 bis 1999 dann Bundesvorsitzende der Jusos.
Andrea Nahles wurde am 20. Juni 1970 in Mendig (Rheinland-Pfalz) geboren. Sie studierte Literatur- und Politikwissenschaften und ist seit 1988 Mitglied der SPD. Von 1993 bis 1995 war sie Landesvorsitzende der Jungsozialisten in Rheinland Pfalz. Von 1995 bis 1999 dann Bundesvorsitzende der Jusos. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Andreas Altwein
Andrea Nahles und der damalige SPD-Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine im November 1996.
Andrea Nahles und der damalige SPD-Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine im November 1996. © REUTERS /
Nahles war erstmals von 1998 bis 2002 und ist erneut seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1997 bis 2013 war sie Mitglied im SPD-Parteivorstand.
Nahles war erstmals von 1998 bis 2002 und ist erneut seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1997 bis 2013 war sie Mitglied im SPD-Parteivorstand. © REUTERS /
Im Mai 2007 wurde Nahles gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier (M.) und Peer Steinbrück vom SPD-Parteivorstand für das Amt der stellvertretenden Parteivorsitzenden nominiert. Am 26. Oktober 2007 wurde sie von 74,8 Prozent der Parteitagsdelegierten in dieses Amt gewählt. Dafür gab es rote Rosen. Das Amt hatte sie von 2007 bis 2009 inne.
Im Mai 2007 wurde Nahles gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier (M.) und Peer Steinbrück vom SPD-Parteivorstand für das Amt der stellvertretenden Parteivorsitzenden nominiert. Am 26. Oktober 2007 wurde sie von 74,8 Prozent der Parteitagsdelegierten in dieses Amt gewählt. Dafür gab es rote Rosen. Das Amt hatte sie von 2007 bis 2009 inne. © Getty Images | Sean Gallup
Die praktizierende Katholikin ist Mutter einer Tochter.
Die praktizierende Katholikin ist Mutter einer Tochter. © Meike Boeschemeyer
Von ihrem Ehemann – dem Kunsthistoriker Marcus Frings – lebt sie seit Anfang 2016 getrennt.
Von ihrem Ehemann – dem Kunsthistoriker Marcus Frings – lebt sie seit Anfang 2016 getrennt. © Getty Images | Sean Gallup
Am 17. Dezember 2013 wurde Nahles von dem ehemaligen Parlamentspräsidenten Norbert Lammert zur Bundesministerin für Arbeit und Soziales vereidigt.
Am 17. Dezember 2013 wurde Nahles von dem ehemaligen Parlamentspräsidenten Norbert Lammert zur Bundesministerin für Arbeit und Soziales vereidigt. © REUTERS | REUTERS / THOMAS PETER
Im Bundestagswahlkampf 2017 machte Nahles sich für den damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz stark.
Im Bundestagswahlkampf 2017 machte Nahles sich für den damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz stark. © Getty Images | Carsten Koall
Seit dem 27. September 2017, drei Tage nach der Bundestagswahl, ist Andrea Nahles Vorsitzende der SPD-Bundesfraktion.
Seit dem 27. September 2017, drei Tage nach der Bundestagswahl, ist Andrea Nahles Vorsitzende der SPD-Bundesfraktion. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen am 7. Februar gab Schulz seinen Rücktritt vom Parteivorsitz bekannt – und machte den Weg für Andrea Nahles als seine Nachfolgerin frei.
Nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen am 7. Februar gab Schulz seinen Rücktritt vom Parteivorsitz bekannt – und machte den Weg für Andrea Nahles als seine Nachfolgerin frei. © dpa | Kay Nietfeld
Es war kein starkes Ergebnis – nur gut 66 Prozent stimmten beim Parteitag am 22. April 2018 für Andrea Nahles als Parteivorsitzende.
Es war kein starkes Ergebnis – nur gut 66 Prozent stimmten beim Parteitag am 22. April 2018 für Andrea Nahles als Parteivorsitzende. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Damit war Andrea Nahles die erste Frau an der Spitze der SPD. Am Sonntag kündigte sie ihren Rücktritt als SPD-Vorsitzende für den 3. Juni 2019 und als SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende am 4. Juni 2019 an. Außerdem wurde bekannt, dass Nahles in naher Zukunft auch ihr Bundestagsmandat niederlegen und sich komplett aus der Politik zurückziehen will.
Damit war Andrea Nahles die erste Frau an der Spitze der SPD. Am Sonntag kündigte sie ihren Rücktritt als SPD-Vorsitzende für den 3. Juni 2019 und als SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende am 4. Juni 2019 an. Außerdem wurde bekannt, dass Nahles in naher Zukunft auch ihr Bundestagsmandat niederlegen und sich komplett aus der Politik zurückziehen will. © Reto Klar | Reto Klar
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Im Streit über eine Hartz-IV-Reform lehnte Andrea Nahles die von den Jusos geforderte Abschaffung aller Sanktionen ab.

Die SPD-Chefin verwies darauf, dass der Parteivorstand am 14. Dezember Kernvorhaben der Koalition festlegen und Anfang Februar in einer Klausur innerparteiliche Streitthemen wie etwa die Hartz-IV-Reform beilegen will.

„Dann muss es am Ende aber auch gemeinsam nach vorne gehen, Leute“, rief Nahles die Jusos auf. Andernfalls „ist die SPD nicht aus dieser Krise herauszuführen, von niemandem, damit das auch mal klar gesagt ist, von niemandem“. Die SPD sei in einem ausgesprochen schwierigen Zustand: „Jede Woche trifft es einen in den Bauch, wenn man die Umfragen liest.“

In Umfragen für den Bundestag liegt die SPD bei 14 bis 17 Prozent und damit deutlich hinter Union und Grünen sowie knapp hinter oder gleichauf mit der AfD.

Juso-Chef Kühnert: Geduldsfaden ist sehr, sehr dünn

Juso-Chef Kevin Kühnert wies die Kritik seiner Parteichefin zurück. Die Akzeptanz der großen Koalition habe „mit der überaus überschaubaren Performance dieser Groko zu tun“.

Eine Debatte über einen Ausstieg aus der Koalition habe er erst nach den „irren Wendungen“ im Streit über den Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen gefordert. „Die Geduldsfäden sind sehr, sehr, sehr, sehr gespannt bei den Jusos. Und irgendwann reißen sie tatsächlich auch.“

Die Jusos erwarteten von der Parteispitze die Bereitschaft, „sich mit den Großen, den Mächtigen, den Reichen in dieser Gesellschaft anzulegen“. (rtr/W.B.)