Berlin. Deutschland bekommt das erste Einwanderungsgesetz. Doch der CDU-Wirtschaftsrat kritisiert den Kompromiss. Er fürchtet falsche Anreize.

Deutschlands erstes Einwanderungsgesetz hat drei Väter. Zumindest sehen das jene drei Politiker so, die nach jahrelangem politischen Streit das Projekt nun erfolgreich angeschoben haben. Um kurz nach 10.30 Uhr treten Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gemeinsam in Berlin auf, um den Durchbruch zu verkünden.

Künftig sollen Fachkräfte aus Staaten außerhalb der EU leichter nach Deutschland kommen können und den Mangel an qualifizierten Arbeitnehmern lindern. Zugleich sollen abgelehnte, aber geduldete Asylbewerber einen „verlässlichen“ Aufenthaltsstatus erhalten, wenn sie arbeiten.

Erhoffen sich mehr Wachstum durch ausländische Fachkräfte (v.l.): Arbeitsminister Heil, Wirtschaftsminister Altmaier und Innenminister Seehofer.
Erhoffen sich mehr Wachstum durch ausländische Fachkräfte (v.l.): Arbeitsminister Heil, Wirtschaftsminister Altmaier und Innenminister Seehofer. © Getty Images | Sean Gallup

„Wir können damit sicherstellen, dass alle Arbeitsplätze für Fachkräfte auch besetzt werden können“, sagte ein zufriedener Altmaier. In den kommenden Jahren werden Millionen Arbeitnehmer in Rente gehen, gleichzeitig wächst der Bedarf an Fachkräften – etwa in der Pflege. Um diese Lücken zu füllen, werden zunehmend Arbeitnehmer aus dem Ausland benötigt.

Heikel war bei der Kabinettssitzung der Begriff „Spurwechsel“

Bis tief in die Nacht hatten die Koalitionsspitzen um letzte Details an dem Gesetzentwurf gefeilscht, der noch in diesem Jahr vom Kabinett beschlossen werden soll. Besonders heikel zwischen Union und SPD war der Begriff des „Spurwechsels“. CDU und CSU wollten auf keinen Fall den Eindruck erwecken, durch eine gesetzlich verankerte Bleibeperspektive für abgelehnte Asylbewerber, die aber bereits einen Job gefunden haben, würden neue Anreize für Flüchtlinge in aller Welt geschaffen.

Nun werde am Grundsatz der Trennung von Asyl und Erwerbsmigration festgehalten, heißt es in den Eckpunkten. Im Aufenthaltsrecht sollen künftig aber „klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter“ definiert werden, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind.

Seehofer wollte keinen Tanz um das „Goldene Kalb“ Spurwechsel

Sozialdemokrat Heil bewertete das als sinnvolle Lösung, „damit wir nicht die Falschen zurückschicken und dann mühsam in Drittstaaten Fachkräfte anwerben“. Auch Seehofer sprach von einer „pragmatischen, praktikablen Antwort auf die Lebensrealität“. Letztlich waren CDU, CSU und SPD bemüht, nach den Großkonflikten um die Asylpolitik im Sommer und die Absetzung des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen bei der Zuwanderung kein neues Fass aufzumachen.

„Der Geist gestern war nicht, um ein Goldenes Kalb von Begriffen zu tanzen“, sagte Seehofer. Selbst ein von der SPD vorab ins Spiel gebrachter Stichtag, um die Gruppe jener geduldeten Asylbewerber zu begrenzen, die nun Chancen auf ein dauerhaftes Bleiberecht mit Arbeit haben, soll nicht kommen. Das eröffnet gerade der Wirtschaft mehr Spielräume, um bestimmte Jobs mit gut integrierten Flüchtlingen zu besetzen.

AfD-Chef Alexander Gauland sprach dennoch von einer Mogelpackung. „Asyl und Einwanderung werden nun bis zur Unkenntlichkeit vermischt“, sagte er. Die Möglichkeit, einer Abschiebung zu entgehen, werde „massiv ausgebaut“.

CDU-Wirtschaftsrat fürchtet Sogwirkung

Auch der Wirtschaftsrat der CDU fürchtet, dass die Regelung für geduldete Asylbewerber falsche Anreize setzt. „Das könnte eine erneute Sogwirkung auslösen. Denn die generelle Regelung zum Spurwechsel widerspricht einer geregelten Einwanderung“, sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger unserer Redaktion. Besser wären Einzelfallprüfungen, wenn ein Asylbewerber einen Arbeitsplatz als Fachkraft in einem Mangelberuf wie Handwerk oder Pflege angetreten habe. „Es ist aber zu befürchten, dass mit diesem Koalitionsbeschluss noch mehr Wasser auf die Mühlen der Populisten gespült wird.“

FDP-Chef Christian Lindner sagte, die Eckpunkte seien kein großer Wurf. Die FDP war zwischen 2009 und 2013 mit dem Ruf nach einem Einwanderungsgesetz beim damaligen Koalitionspartner CDU/CSU abgeblitzt.

Neu vereinbart wurde, dass Akademiker und Fachkräfte aus dem Ausland nicht mehr nur für Berufe mit Engpässen angeworben werden können. Bislang war dies auf 61 Berufe beschränkt. Auch können Elektriker, Köche, Tischler oder Pfleger aus Nicht-EU-Ländern, die Deutsch können und sich selbst finanzieren, für bis zu sechs Monate zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen. Für Akademiker gilt dies bereits. Bewerber haben in dieser Zeit aber keinen Anspruch auf Sozialleistungen