Berlin. Bis zuletzt wurde in der Koalition über das Thema Zuwanderung gestritten. Nun fand man einen Kompromiss – nach zähen Verhandlungen.
Sechs Stunden lang gingen die Beratungen, dann kam der Entschluss: Die Spitzen von Union und SPD haben sich am frühen Dienstagmorgen auf Details für die Zuwanderung von Fachkräften geeinigt. Das teilte SPD-Chefin Andrea Nahles in Berlin mit. Auch ein Lösungskonzept in der Dieselaffäre fanden die Parteien beim Koalitionsgipfel im Kanzleramt.
Damit soll Deutschland erstmals ein Einwanderungsgesetz bekommen. Vorbild ist Kanada. Die Eckpunkte wurden am Dienstag nach Angaben aus Regierungskreisen vom Bundeskabinett gebilligt.
Im Streit um einen „Spurwechsel“ zwischen Asylverfahren und einer Einwanderung in den Arbeitsmarkt gibt es dabei einen Kompromiss. „Am Grundsatz der Trennung von Asyl und Erwerbsmigration halten wir fest“, heißt es in dem überarbeiteten Eckpunktepapier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Zugleich wird aber betont: „Wir werden im Aufenthaltsrecht klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind.“
Darum geht es beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz
Im Kern geht es bei dem geplanten Fachkräfteeinwanderungsgesetz darum, dass Deutschland für qualifizierte Fachkräfte jenseits der EU attraktiver wird. Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten sollen künftig zur Arbeitsplatzsuche für sechs Monate nach Deutschland einreisen dürfen.
Voraussetzung dafür sind – neben einer qualifizierten Ausbildung – auch deutsche Sprachkenntnisse, die für die angestrebte Tätigkeit notwendig sind. Bisher mussten auch Menschen mit beruflicher Qualifikation vorher einen Arbeitsvertrag nachweisen.
„Fachkräfte aus dem Ausland leisten schon heute einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“, heißt es in dem Eckpunktepapier.
Nachdem das hohe Wirtschaftswachstum auch durch die Zuwanderung aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union gestützt wurde, gehe diese Zuwanderung aber zurück, wird in dem Papier betont, das auf eine Einigung zwischen Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zurückgeht. „Ergänzend müssen wir daher auch bei der Gewinnung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten deutlich erfolgreicher werden.“
Kein Spurwechsel für abgelehnte, aber integrierte Asylbewerber
Streit gab es bis zuletzt um den von der SPD geforderten Spurwechsel für abgelehnte, aber gut integrierte Asylbewerber. Die Sozialdemokraten wollen, dass sie nach dem neuen Zuwanderungsrecht in Deutschland bleiben können. Vor allem die CSU lehnte das strikt ab, damit Wirtschaftsflüchtlinge nicht zur Einreise ermuntert werden.
CSU-Chef Seehofer hatte vor dem Treffen betont, er sei sich mit Minister Heil einig, dass es keinen Spurwechsel für alle abgelehnten Asylbewerber in den Arbeitsmarkt geben solle. Bei der mit Heil erarbeiteten Grundlage sei ein Spurwechsel in diesem Sinne daher nicht mit dabei.
Aber „wenn nicht ausgewiesen werden kann aufgrund zwingender Gründe, und zwar von Gründen, die nicht in der Person des Asylbewerbers liegen, dann sagen doch die Menschen, bevor sie hier rumsitzen, lasst sie arbeiten“. Das bezieht sich darauf, wenn zum Beispiel Folter im Herkunftsland droht.
Wer aber abgelehnt und ausreisepflichtig sei, sollte auch ausreisen, so Seehofer. Geduldete Asylbewerber dürfen unter bestimmten Bedingungen auch schon heute arbeiten. Heil betonte, es gehe um pragmatische Lösungen für Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus, die die deutsche Sprache können und in den deutschen Arbeitsmarkt integriert sind. Diese Menschen müssten bleiben können.
„Viele nennen das „Spurwechsel“. Mir ist aber nicht wichtig, wie die CSU das nennt, sondern, dass wir das Richtige tun.“ Einig sei man sich, „dass wir nicht die Falschen abschieben dürfen“, sagte Heil der dpa vor dem Treffen.
Das ist das Bundeskabinett
Zuwanderung soll sich an Bedarf ausrichten
Mit der nun gefundenen Regelung könnte es eine Art eingeschränkten „Spurwechsel“ nur für geduldete Asylbewerber geben. „Wir wollen keine Zuwanderung unqualifizierter Drittstaatsangehöriger“, betonen Union und SPD in dem Papier. Mit klaren Kriterien wolle man dafür sorgen, dass Vorschriften nicht missbraucht werden können.
Die Zuwanderung von Fachkräften werde sich am Bedarf der Volkswirtschaft ausrichten und berücksichtige „die Qualifikation, das Alter, Sprachkenntnisse, den Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzangebotes und die Sicherung des Lebensunterhaltes in angemessener Weise“. Der letzte Punkt soll verhindern, dass eine Einwanderung in die Sozialsysteme erfolgt.
Aus konjunkturellen Gründen können zudem per Verordnung der Bundesregierung bestimmte Berufsgruppen zeitweise ausgeschlossen werden. Mit der Wirtschaft sollen Anwerbemöglichkeiten im Ausland verbessert und das Angebot an Deutschkursen ausgeweitet werden, damit die Arbeitskräfte sich in Deutschland schneller integrieren können. (dpa/jha/rtr)