Berlin. Die hitzige Generaldebatte im Bundestag hat gezeigt: Die AfD zu beleidigen hilft keiner Partei weiter. Es braucht einen anderen Umgang.

Endlich hat die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende zu den Vorfällen in Chemnitz das Wort ergriffen. Angela Merkel äußerte sich im Bundestag und ließ keinen Zweifel: Sie zeigte ihr Entsetzen über die Todesfälle in Chemnitz und Köthen, forderte, dass die Täter „mit der Härte des Gesetzes“ bestraft werden müssten. Zugleich betonte sie, es gebe keinen Rabatt auf die Menschenwürde, „für niemanden“. Artikel eins des Grundgesetzes gelte für alle Menschen. Wie wahr!

Die Opposition analysierte dennoch treffend, was Merkels Rede fehlte: Themen wie Mieten, Digitalisierung, Rente, Kinderarmut, Dieselproblematik oder das Klima kamen kaum oder gar nicht vor.

Man hätte gern gehört, wie sie sich konkret die Lösung dieser Themen vorstellt. Auch zur Causa Maaßen sagte Merkel nichts, sie vermied eine Positionierung gegen ihren Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer. Die große Koalition muss sich jetzt aber den Themen stellen, die konkrete Auswirkungen auf das Portemonnaie der Bürger haben.

Merkels Rede von Sachlichkeit geprägt

Nur beim Thema Syrien wurde die Kanzlerin deutlich, gab SPD-Chefin Andrea Nahles eine kleine Lektion in Realpolitik, ohne sie beim Namen zu nennen. „Von vornherein einfach Nein zu sagen, egal was auf der Welt passiert, das kann nicht die deutsche Haltung sein.“ Merkel meinte die kategorische Absage der SPD-Chefin an ein mögliches Eingreifen der Bundeswehr in den Syrien-Krieg, auch dann, wenn Machthaber Assad erneut Giftgas einsetzen sollte.

Merkels Rede war erneut vor allem von Sachlichkeit geprägt. Wer Gefühle angesichts der schwierigen politischen Stimmung erwartet hatte, sah sich getäuscht. Ob das in dieser Legislaturperiode ausreichen wird? Äußerst fraglich. Aber es war eine ernste, aufwühlende, emotionale Debatte am Mittwoch im Parlament. Die zeigte, wie sehr das Land und mit ihm der politische Diskurs sich in dem Jahr seit der Bundestagswahl verändert hat.

Es gab bemerkenswert gute Reden von den Fraktionschefs von Grünen, FDP und der Linken. Sie positionierten sich intelligent gegen die rechten Töne des versierten Rhetorikers und AfD-Fraktionschefs Alexander Gauland. Der hatte in seiner Eröffnungsrede fremdenfeindliche Töne angeschlagen.

AfD-Abgeordnete verlassen geschlossen das Plenum

Auch Gauland hat nach den Tagen von Chemnitz ein Problem: Dass AfD-Funktionäre in Chemnitz teilweise zur gleichen Zeit auf den Straßen unterwegs waren wie Rechtsextremisten, sehen auch Angehörige des bürgerlichen Spektrums seiner Partei mit Sorge. Gauland wirft den anderen Parteien vor, die AfD in die rechte Ecke stellen zu wollen, gar eine „Volksfront“ aufzubauen. Tatsächlich muss er befürchten, dass eine Positionierung in der Nähe von Neonazis auch bei manchem Wähler nicht gut ankommt.

Dass dem ehemaligen Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten, Martin Schulz, nach Gaulands Rede die Hutschnur platzte, er die AfD geräuschvoll attackierte, ist gut. Demokraten müssen sich gegen Angriffe auf die Menschlichkeit wehren, gerne lautstark. Dass sich Schulz dann aber Gauland auf den „Misthaufen“ der deutschen Geschichte wünscht, war zu viel, außerdem ungeschickt. Auch die verbalen Attacken des SPD-Politikers Johannes Kahrs, die dazu führten, dass die AfD-Abgeordneten geschlossen das Plenum verließen, verfehlten ihren Zweck.

Die Verrohung der Sprache im Parlament sollte nicht voranschreiten: Emotionen, Attacken, laute Reden, leise Töne, alles ist gut gegen jene, die das politische System bekämpfen. Beleidigungen und Pöbeleien nutzen ihnen.