Tunis. Die letzte Schlacht im Syrien-Krieg hat begonnen. Doch selbst wenn der Iran und Russland militärisch siegen, haben sie wenig gewonnen.

Wie sehr sich die politischen und strategischen Gewichte im Nahen Osten verschoben haben, zeigten die Verhandlungen vom vergangenen Freitag in Teheran überdeutlich: Die Präsidenten von Russland, Türkei und dem Iran sprachen über die Zukunft der syrischen Provinz Idlib, die USA und Europa sahen zu.

Der Westen spielt kaum noch eine Rolle. Die USA hatten nur für den Fall, dass Chemiewaffen zum Einsatz kommen, eine „starke“ Antwort angekündigt, aber offengelassen, wie diese aussehen könnte.

So fliegt die syrische Regierung mit dem Verbündeten Russland Luftangriffe auf die Rebellenprovinz. Dabei endet das Idlib-Ultimatum des syrischen Regimes erst am Montag. Dann will Machthaber Bashar al-Assad auch die letzte noch verbliebene Rebellenprovinz ausradieren, die auch eine nie dagewesene Konzentration von Al-Kaida-Dschihadisten beherbergt.

Sowohl Assad als auch die Dschihadisten sind skrupellos

Genauso wie der syrische Diktator haben auch die Gotteskrieger keine Skrupel, Frauen, Männer und Kinder aus der Zivilbevölkerung zu missbrauchen. Was das für die drei Millionen Bewohner von Idlib bedeutet, kann jeder ermessen, der das Inferno von Ost-Aleppo und Ost-Ghuta noch in Erinnerung hat.

Trümmer in einem Krankenhaus nach den Luftangriffen der syrischen Regierung in der Provinz Idlib.
Trümmer in einem Krankenhaus nach den Luftangriffen der syrischen Regierung in der Provinz Idlib. © dpa | Anas ALkharboutli

Raketen Tag und Nacht, wochenlange Todesangst in dunklen, stickigen Kellern, zerstörte Krankenhäuser, Tag für Tag neue Verschüttete in kollabierten Wohnblocks – und am Ende eine elende Massenflucht Verzweifelter. Hunderttausende könnten versuchen, die Grenzzäune zu stürmen, um sich auf der türkischen Seite in Sicherheit zu bringen.

Das Dreiertreffen von Teheran konnte – trotz der Warnungen des türkischen Präsidenten Erdogan – die heraufziehende Apokalypse wohl nicht mehr stoppen. Assad und seine beiden Verbündeten Iran und Russland sind zu allem entschlossen. Sie sehen sich kurz vor dem großen Ziel, den mehr als siebenjährigen Bürgerkrieg militärisch zu ihren Gunsten zu entscheiden.

Teheran und Moskau könnte ein militärischer Sieg teuer zu stehen kommen

Trotzdem könnte den Siegern ein mörderischer Feldzug, der die Welt wochenlang in Entsetzen und Empörung halten wird, noch teuer zu stehen kommen. An Milliardenhilfen aus Europa für Wiederaufbau und Rückkehr der Flüchtlinge wäre auf absehbare Zeit nicht mehr zu denken. Teheran und Moskau stünden allein vor dem syrischen Trümmerfeld, was sie aus eigener Kraft nicht wieder aufbauen können.

Auf dem Helsinki-Gipfel mit Donald Trump Mitte Juli zauberte Wladimir Putin bekanntlich einen Plan für 1,7 Millionen Rückkehrer aus dem Hut. Bis ins Detail ließ der Kreml-Chef damals die Euro-Milliarden für eine Massenheimkehr kalkulieren. Denn Moskau kann die strategische Dividende für seinen dreijährigen Militäreinsatz nur einfahren, wenn Wiederaufbau und Wirtschaftsleben in Syrien möglichst rasch wieder in Gang kommen – und wenn Europa das finanziert.

Nach der militärischen Schlacht fängt die politischer erst an

Der Iran braucht im Streit um Atomabkommen und US-Sanktionen ebenfalls Europas Wohlwollen, was sich unter dem Eindruck möglicher Kriegsgräuel in Idlib schnell verflüchtigen dürfte. Teherans Raketenprogramm und regionales Machtgebaren nerven auch in Paris, London und Berlin, wie der französische Außenminister durchblicken ließ.

Aber auch in der russischen und iranischen Bevölkerung wächst der Unmut über die kostspielige, imperiale Außenpolitik ihrer Führungen. Putins Beliebtheitsgrad zu Hause fällt auch wegen der Kriegskasse für Damaskus. Im Iran vermischen Demonstranten ihre Kritik an dem Syrien-Abenteuer immer öfter mit grundsätzlichem Aufbegehren gegen die Islamische Republik.

Trotzdem unterstützten Iran und Russland auf dem Gipfel von Teheran ohne Zögern die finale Schlacht um Idlib. Militärisch wäre der Bürgerkrieg danach vorbei. Politisch jedoch fangen die Probleme für Assad und seine beiden Schutzmächte dann erst richtig an.