Tunis/Damaskus . Syriens „Weißhelme“, die Menschen im Krieg retten, gelten dem Regime als Terroristen. Sie in Sicherheit zu bringen, ist schwierig.

Vor einer Woche machten sie weltweit Schlagzeilen, Weißhelme aus dem Süden Syriens, nachdem sie durch eine internationale Rettungsaktion über die Golanhöhen nach Israel evakuiert worden waren. 98 Helfer des syrischen Zivilschutzes und 324 Familienangehörige flüchteten damals im Schutze der Nacht über die Grenze.

400 bis 650 Weißhelme dagegen blieben in den Fängen des Regimes zurück. Sie schafften es nicht zu den beiden Sammelpunkten nahe der syrisch-israelischen Demarkationslinie. „Nach der Ausreise unserer Kollegen sind wir in noch größerer Gefahr. Die Anschuldigungen gegen uns haben noch einmal zugenommen.“

Ein neuer Vorwurf: Kollaboration mit Israel

„Und es gibt einen neuen Vorwurf, dass wir mit Israel zusammenarbeiten“, sagte einer der Zurückgebliebenen mit dem Pseudonym Abu Muhannad dem Nachrichtenportal „Syria ­Direct“. Er fürchte, die Sieger würden schon bald Rache nehmen.

„Seit Tagen haben wir das Haus nicht mehr verlassen, weil wir nicht wissen, was mit uns passiert“, zitierte der britische „Telegraph“ einen anderen festsitzenden Retter. Denn die Grenzen sind mittlerweile dicht. Neben den Übergängen zu Jor­danien kontrolliert die syrische Armee seit ein paar Tagen auch wieder den ­Quneitra-Abschnitt zu Israel, wo am vorvergangenen Sonntag die spektakuläre Evakuierung stattfand.

Viele gestanden unter Folter, „Agenten des Westens“ zu sein

Einige der umzingelten Weißhelme wollen offenbar versuchen, sich an Bord von Rebellen-Bussen in die Nordprovinz Idlib durchzuschlagen, was sehr riskant ist. Bei früheren Transporten aus Ost-Douma, Aleppo oder Homs wurden viele von ihnen gezielt aus den Fahrzeugen geholt und so lange gefoltert, bis sie gestanden, bezahlte Agenten des Westens zu sein und falsche Giftgasangriffe inszeniert zu haben.

Die Helfer seien nun selbst hilflos, klagte Weißhelm-Chef ­Raed Al Saleh, der in der Türkei lebt, und beschwor die internationale Gemeinschaft, alles zu tun, um deren Leben zu retten.

Für Assad sind die Nothelfer „Terroristen“

Doch die Chancen stehen schlechter und schlechter. Kürzlich in einem Interview, in dem er erstmals die Offensive auf die letzte Rebellenenklave Idlib ankündigte, drohte Bashar al-Assad allen Weißhelmen mit dem Tod, falls sie sich nicht stellten. Für den Diktator sind die Nothelfer, die seit 2013 nach Luftangriffen Verschüttete bergen, nichts anderes als verkappte Al-Kaida-Extremisten.

„Das Schicksal der Weißhelme wird das gleiche sein wie das aller anderen Terroristen“, erklärte er. Man habe Videos, auf denen Weißhelme mit gezückten Schwertern herumliefen und den Tod von syrischen Soldaten feierten. Das syrische Außenministerium verurteilte die Evakuierung über die Golanhöhen als „kriminelle Operation“ durch „Israel und seine Helfershelfer“.

Soldaten suchen gezielt nach den Weißhelmen

Und so suchen Assads Soldaten an den neu errichteten Kontrollpunkten im bisherigen südsyrischen Rebellengebiet derzeit gezielt nach Weißhelmen. Werden sie verhaftet, drohen ihnen Folter und Tod, wie Abertausenden ihrer Landsleute, die während der sieben Jahre Bürgerkrieg in den Kerkern des Regimes ermordet wurden.

Auch Syriens Großmufti Ahmad ­Badreddin Hassoun rief öffentlich dazu auf, die Retter mit allen Mitteln zu jagen. „Das sind keine Flüchtlinge, das sind Kriegsverbrecher“, sagte Hassoun bei einem Treffen mit Angehörigen gefallener russischer Soldaten. Der Pro-Assad-Gottesmann hatte zuletzt im März für Aufsehen gesorgt, als er in Damaskus eine Delegation von Mandatsträgern der AfD empfing.