Berlin. Der EuGH grenzt die Möglichkeiten der Gentechnik ein. Dieser Weg mag nicht innovativ sein, aber er schützt Mensch und Natur besser.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Gen-Schere Crispr ist eine gute Nachricht für Verbraucher – und eine herbe Enttäuschung für Saatguthersteller, Pflanzenzüchter, den Deutschen Bauernverband und auch das Bundeslandwirtschaftsministerium. Lange hatte man sich hier nach einer Möglichkeit gesehnt, endlich in das Gen-Technik-Geschäft einsteigen zu können, ohne den ängstlichen deutschen Verbraucher zu erschrecken.

Der Wunsch von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, mithilfe präziser Schnitte in die DNA hitzeresistente oder antiallergene Pflanzen zu erschaffen, um auf den Klimawandel und Krankheiten reagieren zu können, ist zwar nachvollziehbar. Probleme, mit denen Deutschland zunehmend kämpft – extreme Hitzeperioden, starke Unwetter, abnehmende Biodiversität – ließen sich mit Eingriffen ins pflanzliche Erbgut schneller und wirtschaftlicher angehen als mit langjähriger Züchtung.

Eine gesetzliche Lücke zu nutzen, um Gentechnik durch das Hintertürchen in deutsche Haushalte zu schmuggeln, ist aber recht offensichtlich der falsche Weg, um die Bevölkerung zu mehr Akzeptanz zu bewegen. Die Gen-Schere durch die Bezeichnung „Neue Züchtungstechnologie“ umzudeklarieren, wie es Klöckners Ministerium versucht hat, war geplanter Betrug am Verbraucher – den der EuGH abgewendet hat.

Europäischer Weg schützt Mensch und Tier

Ja, es stimmt, der Forschungsrückstand der letzten zwanzig Jahre ist kaum noch aufzuholen, wir sind auf externe Expertise angewiesen. Firmen und Wissenschaftler wandern seit Jahren in andere Länder ab. In die USA zum Beispiel, wo Lebensmittelbehörden sich nur das Endprodukt anschauen. Unterscheidet es sich nicht von unbearbeiteten Pflanzen – mit der Gen-Schere soll das möglich sein – ist der Weg der Entstehung unerheblich. Oder nach China, wo Forscher mit Crispr schon an der menschlichen DNA schneiden. Das wird in Europa nicht so bald passieren. Und, schaut man sich die teils missglückten Experimente der Chinesen an, hat es auch seine Vorteile, dass der alte Kontinent das Vorsorgeprinzip hochhält.

Mag sein, dass dieses Prinzip sperrig ist, unflexibel und Innovation kaum eine Chance lässt. Aber auf der anderen Seite soll es Mensch, Tier und Umwelt vor unvorhersehbaren Folgen durch die Gentechnik schützen. Die Befürchtung, in Wissenschaft und Wirtschaft den Anschluss zu verlieren, berechtigt nicht dazu, dieses Prinzip zu umgehen.

Stattdessen wäre endlich sachliche Aufklärung der Verbraucher durch die Politik nötig. Denn zum Forschungsrückstand gesellt sich in der Bundesrepublik ein Wissensrückstand. Ein Großteil der Deutschen ist geprägt von jahrzehntelangen Anti-Gentechnik-Kampagnen, an denen einige Politiker bis heute festhalten. Damit bedienen sie ihre gentechnikkritische Klientel, die sich durch Verbotsforderungen der Politik bestätigt sieht. Ein unguter Kreislauf, denn vor der Gentechnik kann sich heute kein Land mehr verschließen. In vielen Bereichen ist sie längst Alltag. Was würde die wachsende Zahl der Diabetiker ohne das mithilfe von Gentechnik hergestellte Insulin tun? Woher käme all das Fleisch, wenn konventionelle Landwirte ihre Tiere nicht mehr mit gentechnisch optimiertem Getreide aus Asien und Südamerika füttern könnten?

Gentechnik muss aus der Panik-Pestizid-Ecke herausgeholt werden. Auch der Laie muss verstehen können, welche Vorteile und Risiken sie birgt. Und er muss sich darauf verlassen können, dass Techniken, deren Langzeiteffekte noch nicht erforscht sind, nicht unter anderem Namen an ihm vorbeigemogelt werden.