Wien/Berlin. Österreichs Kanzler lehnt ab, Flüchtlinge „zulasten“ seines Landes zurückzunehmen. Ungarns Premier sieht Griechenland in der Pflicht.

Der mit großem Tamtam verkündete Asylkompromiss zwischen CDU und CSU ist noch nicht einmal drei Tage alt, da stellt sich heraus: EU-Schlüsselstaaten wie Österreich oder Ungarn machen bei der Rücknahme von Flüchtlingen aus Deutschland nicht mit.

Das bekam auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bei seinem Treffen mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) am Donnerstag in Wien zu spüren. Bereits vor der Begegnung hatten Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Kickl Pflöcke eingeschlagen: „Wir werden keine Verträge zulasten Österreichs abschließen.“

Österreich und Deutschland wollen Mittelmeer-Route schließen

Trotz dieser Misstöne wollen Österreich und Deutschland in Grundsatzfragen an einem Strang ziehen. Zusammen mit Italien solle die Mittelmeer-Route möglichst geschlossen werden, kündigte Kurz nach der Unterredung mit Seehofer an. Für nächste Woche ist ein Treffen der Innenminister aus Deutschland, Österreich und Italien in Innsbruck geplant.

Seehofer hob hervor, dass der Asylkompromiss von CDU und CSU keine Nachteile für Österreich haben solle: „Wir werden weder jetzt noch in der Zukunft Österreich für Flüchtlinge verantwortlich machen, für das es nicht zuständig ist.“

Berlin und Wien erhöhen Druck auf Italien und Griechenland

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    Positive Signale bisher nur aus Griechenland und Spanien

    In der Asyl-Einigung von CDU und CSU vom Montag war die Einrichtung von Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze vereinbart worden. Asylbewerber, für deren Verfahren „andere EU-Länder zuständig“ seien, sollten an der Einreise nach Deutschland gehindert werden. Hierfür müssten Verwaltungsabkommen mit den entsprechenden Regierungen abgeschlossen werden.

    „In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zuweisung verweigern, findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf der Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt“, hieß es in dem Papier. Das Problem: Nur Griechenland und Spanien haben bislang ein Ja zu einem Verwaltungsabkommen signalisiert.

    Es handelt sich also über weite Strecken um politische Luftbuchungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach dem EU-Gipfel Ende Juni in Brüssel noch Hoffnungen geweckt, dass 14 Länder offen für Regelungen über die Rücknahme von Flüchtlingen seien.

    Orbán kritisiert schlechte Registrierung in Griechenland

    Auch beim Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán am Donnerstag in Berlin wurde die tiefe Kluft in der Migrationspolitik deutlich. Bei einer Pressekonferenz im Kanzleramt betonte Orbán, dass Ungarn keine Flüchtlinge zurücknehmen werde. Sein Land sei nicht der „erste Eintrittspunkt“ in die EU, sondern in vielen Fällen Griechenland. Dort würden aber Migranten „häufig nicht registriert“.

    Nach der Dublin-III-Verordnung ist im Regelfall das EU-Land für den Asylantrag zuständig, in dem ein Schutzsuchender erstmalig registriert wurde. Es gibt jedoch Ausnahmen, etwa wenn jemand in einem anderen Staat Familienangehörige hat.

    Wie funktionieren Transitzentren?

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      Merkel räumt „sehr unterschiedliche Sichtweisen“ ein

      Die Ungarn begriffen sich als „Grenzkapitäne“, die die Grenzen der Staaten des Schengenraums schützten, so Orbán. 8000 bewaffnete Kräfte seien an Ungarns Grenzen 24 Stunden pro Tag im Einsatz. Es war Orbáns erste Visite bei der Kanzlerin seit Mai 2014. Der Ungar galt als einer der schärfsten Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik.

      Die Kanzlerin räumte „sehr unterschiedliche Sichtweisen“ in dieser Frage ein. Der Ansturm der Flüchtlinge im Jahr 2015 sei zwar eine „humanitäre Ausnahmesituation“ gewesen. Aber Humanität sei die „Seele von Europa“. Der Kontinent könne sich „nicht einfach abkoppeln von der Not in der Welt“.

      Orbán: „Ungarn und Deutschland sehen die Welt anders“

      Wie beim Abkommen zwischen der EU und der Türkei sollte EU-weit die Aufnahme von Flüchtlingen vereinbart werden. Sie machte sich erneut für eine enge Partnerschaft zwischen Europa und Afrika stark. Dabei gehe es nicht nur um feste Kontingente für Migranten, sondern auch um die Bereitstellung von Studienplätzen und Arbeitsmöglichkeiten. Orbán schaute bei diesen Äußerungen Merkels skeptisch drein. „Ungarn und Deutschland sehen die Welt anders“, sagte er. Es gebe einen „anderen Blickwinkel“.