Berlin. Statt Scheinlösungen zu erfinden, sollte die Politik beim Thema Asyl geltendes Recht anwenden – und ihre Privatfehden hintanstellen.

Wundersame Wortschöpfungen bereichern die Migrationsdebatte. Anker- und Ausschiffungszentren soll es geben. Klingt irgendwie nach Kreuzfahrt und Traumschiff. Gemeint ist eher das Gegenteil. Die deutschen Ankerzen­tren haben die Bewährungsprobe noch vor sich. Die auf dem jüngsten EU-Gipfel ventilierten Ausschiffungszentren werden vermutlich nie bis in dieses Stadium kommen. Sie sind eine Luftbuchung zulasten Dritter.

Kein einziger Staat innerhalb und außerhalb Europas hat sich bisher bereit erklärt, derartige Lager einzurichten. Wie sie von wem auf welcher Rechtsgrundlage betrieben werden sollen, bleibt im Nebulösen. Ähnlich ist es mit den Transit­zen­tren, aus denen heraus an Bayerns Grenzen Migranten zurückgeschickt werden sollen, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind oder ein Asylverfahren laufen haben.

Burgfrieden zwischen Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer

Sie sollen geschlossene Einrichtungen sein. Das heißt, ihre Insassen können sich im Inneren zwar frei bewegen, dürfen das Gelände aber nicht verlassen. Und wenn doch? Wer bewacht sie und wie soll er reagieren, wenn sich jemand Richtung Hinterland absetzt? Und was soll das Ganze, wenn nur von drei Punkten an der bayerisch-österreichischen Grenze die Rede ist?

Deutschlands Grenzen sind beträchtlich länger. Etwas aber haben sie immerhin schon bewirkt: Der Burgfrieden zwischen CDU und CSU, zwischen Kanzlerin Merkel und ihrem Innenminister Seehofer ist mühsam gewahrt. Bis zur Wiedervorlage spätestens nach der Bayern-Wahl. Und die beiden haben das Pro­blem nicht ungeschickt aus ihrer Transitzone Unionsgipfel an den Koalitionspartner SPD zurückgewiesen, der sich unversehens wieder zwischen seinen Mühlsteinen moralische Verpflichtung und Wähler(ab)wanderung hin- und hergerissen sieht.

Vieles ist schon rechtlich geregelt

In der Migrations-Praxis dürften die Transitzentren ins Nirwana führen. Zum einen müssen sich Migranten, wollen sie staatliche Unterstützung erhalten, irgendwann melden. Auch dann können ihr Status und ihre Herkunft überprüft werden. Zum anderen sind sie eigentlich sowieso verpflichtet, sich bei Grenzübertritt den Behörden zu stellen. Nur dann ist er nach Genfer Flüchtlingskonvention nicht illegal.

Im Übrigen ist in der auch geregelt, wer Flüchtling ist – nämlich jemand, der wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Was mit Sicherheit nicht auf alle zutrifft, die in der EU um Asyl bitten. Geregelt ist auch im 30 Jahre alten Schengen-Abkommen, dass die Voraussetzung für die innere Freizügigkeit der Schutz der Außengrenzen ist. Und die Dublin-Verordnungen regeln das Verfahren, welcher Staat zuständig für Neuankömmlinge ist.

Innenminister sollte Zermürbungskrieg mit Kanzlerin hintanstellen

Papier ist also genug beschrieben. Die Hoffnung, dass mit neuen bilateralen Abkommen – was auch nicht nach „europäischer Lösung“ klingt – oder irgendwelchen Fantasiezentren alles besser werden könnte, ist gering. Ein Fortschritt wäre es schon, wenn sich die Bürokratie in Brüssel der Migrationsfrage mit der gleichen Leidenschaft widmete wie dem Bräunungsgrad von Pommes frites oder der Feinstaubbelastung an innerstädtischen Kreuzungen. Oder der Innenminister endlich seinen Zermürbungskrieg mit der Kanzlerin hintanstellte und seine eigentliche Arbeit aufnähme.

Gegen die Genfer Flüchtlingskonvention oder die Schengen- und Dublinregeln der EU lässt sich aus unterschiedlicher Motivationslage die Kritik begründen, sie seien angesichts moderner Massenwanderung nicht mehr zeitgemäß. Bis sie geändert sind, muss aber geltendes Recht angewendet werden.